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Hintergrund der Ausstellung

Die Deutsche Nationalbibliothek hat seit Gründung der Deutschen Bücherei im Jahr 1912 am Standort Leipzig etwa 18 Millionen physische Bestandseinheiten zusammengetragen, die zum überwiegenden Teil aus Papier bestehen – Bücher, Zeitschriften, Landkarten, Musikalien etc. Der allergrößte Teil dieses umfangreichen Bestands befindet sich in Magazinen, bleibt dem unmittelbaren Zugriff entzogen, ist vor Nässe und schädlichem Licht geschützt und soll für alle Zeiten aufbewahrt werden.

Ganze Generationen von Bibliothekaren haben handschriftlich oder per Schreibmaschine bzw. Druck Katalogzettel angefertigt und in endlos scheinende Reihen von Katalogschränken eingeordnet, damit man bei Bedarf die richtigen papiernen Publikationen aus den Tiefen des Bibliotheksbetriebs nach vorne an die Leihstelle und auf den Tisch der Benutzer befördern konnte.

Längst haben elektronische Datenbanken die Funktion von Katalogzettel und Leihschein übernommen. Viele Informationen werden heute dem Internet entnommen, nicht mehr den früher so begehrten papiernen Nachschlagewerken: Telefonbücher, Fahrpläne, Wörterbücher, Lexika sind stets aktuellen Angeboten im Web gewichen. Elektronische Publikationen sind wichtige Kommunikationsmittel in Wirtschaft und Wissenschaft und absorbieren immer stärker die Aufmerksamkeit von Autoren, Verlegern, Wissensvermittlern und Lesern.

Wenn das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek der Welt des Papiers zunächst eine Sonderausstellung widmete und nun auch einen Abstecher ins papierferne Medium Internet macht, so ist dies nicht nur in der Tatsache begründet, dass diese Einrichtung über eine der auch international gesehen größten papiergeschichtlichen Sammlungen verfügt, sondern vor allem Ausdruck des Bedürfnisses, die Veränderungen eines seit Jahrhunderten erprobten Werkstoffs und Mediums zu erfassen und den funktionalen Wandel seiner Verwendung kenntlich zu machen.

Aus den Wasserzeichen im handgeschöpften Papier ließ sich eine Vielzahl von Zusammenhängen ablesen. Oft machten sie die Herkunft der Papiere ersichtlich, sie standen für die Papiermühle und die Papiermachermeister. Sie dienten auch als Kennzeichen von Sorte und Format und sollten zum Schutz gegen Missbrauch dienen.

Das fertige Papier wurde abgezählt und riesweise abgepackt. Ein Ries enthielt beim Schreibpapier 480 Bogen und beim Druckpapier 500 Bogen. Auf das Einschlagpapier kam zuoberst ein Riesaufdruck, der sehr selten überliefert ist.

Im Zeitalter der Maschinenpapiere erlangten die mittels Egoutteuren erzeugten Wasserzeichen erneut Bedeutung. Nun dienten sie vor allem der Kennzeichnung der Qualitätsstufe sogenannter Normalpapiere und als Sicherheitsmerkmal für Wertpapiere. Die Papierformate hingegen werden heute per Norm festgelegt.

Weltweit wurden im Jahr 2013 über 400 Millionen Tonnen Papier erzeugt, wobei die Produktion gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Prozent anstieg. In Deutschland waren es 2014 ca. 22,5 Millionen Tonnen. Traditionell unterscheidet man vier große Erzeugnis-Gruppen: Grafische Papiere, Papier, Karton und Pappe für Verpackungszwecke, Hygienepapiere sowie Papiere und Pappen für technische und spezielle Verwendung. Während alle anderen Gruppen Wachstum zu verzeichnen hatten, war bei den Grafischen Papieren ein Rückgang um 0,5 Prozent zu verzeichnen.

Doch wie haben sich diese Gruppen im Laufe der Zeit entwickelt? Welche menschlichen Bedürfnisse haben welche Spezialpapiersorten hervorgebracht, warum sind bestimmte Papiersorten verschwunden? Warum braucht im Zeitalter der E-Mails niemand mehr Luftpostbriefpapier?

Das papierne Zeitalter ist auch das Zeitalter der Auflistung und Verbuchung, der Berechnung und aktenförmigen Entscheidungsprozesse. Wenn die Schreibstube oder das Büro die Herrschaft über die Vorgänge in Staat und Wirtschaft übernimmt, dann herrschen bürokratische Verhältnisse. Im staatlichen Bereich oblag dies der juristisch und kameralistisch gebildeten Beamtenschaft, in den Privatunternehmen waren die Buchhalter die Hüter dieses Herrschaftswissens. Mit Einführung des Lochkartenverfahrens erlangte das Papier eine neue Funktion als maschinenlesbarer Datenträger. Doch im modernen digitalen Zeitalter mit seinen Flüssigkristallbildschirmen ist auch dies schon längst (gleichsam) Schnee von gestern.

Die Fesseln der gequälten Menschheit sind aus Kanzleipapier gemacht.

Franz Kafka

Wenn Papier als Schrift-­ und Bildträger verwendet wird, erlaubt es Gedichten oder Zeichnungen, die ihnen innewohnende Schönheit zu entfalten. Hingegen verdeutlicht die Welt der Buntpapiere den eigenständigen ästhetischen Reiz, den das flächige Gebilde ausstrahlen kann. Bis in das zwölfte Jahrhundert zurück reicht in Japan die Kenntnis jenes Dekors, das entsteht, wenn die auf Wasser schwimmende Tusche auf teilweise sehr großflächige Papierbogen übertragen wird (Suminagashi). Marmorieren ist heute wieder eine künstlerische Fertigkeit, bei der sich intime Materialkenntnis, handwerkliche Disziplin und Freude an subtiler Flächengestaltung vereinen. Die Niederländerinnen Karli Frigge und Eva van Breugel haben diesen alchemistischen Geist aus der Phiole befreit und sein Wirken gewissenhaft dokumentiert.

In Goethes Faust ist der Glaube an die magische Funktion des Papiers (zumal in Verbindung mit Blut) unübersehbar, und auch das aufkommende Papiergeld hatte für den Dichter den Charme eines faulen Zaubers. Doch wenn man heute von der Magie des Papiers redet, wird der Blick der westlich-­aufgeklärten Welt nicht so sehr auf die Börsen gerichtet, sondern man hat asiatisches Geistergeld vor Augen, das den zurückkehrenden hungrigen Geistern der Ahnen durch Verbrennen als sogenanntes „Höllengeld“ dargeboten wird. Oder man denkt an mexikanische Zauberfiguren, die aus Amatl, einem aus der Rinde von Feigenbaumarten erzeugten Beschreibstoff, ausgeschnitten werden und in ihren spirituellen Wurzeln in vorkolumbische Zeiten zurückreichen.

Während im 18. und 19. Jahrhundert Illustrationen hauptsächlich der Verdeutlichung technischer Zusammenhänge dienen, ist die Welt des Papiermachens im 20. Jahrhundert recht eigenständig mit den Mitteln der bildenden Kunst aufgegriffen worden.

Ein Blick in die Fachbibliothek des Deutschen Buch-­ und Schriftmuseums fördert dabei nicht zuletzt unter den Publikationen der Papierwirtschaft manchen Fund zutage, in dem sich prägnante Illustrationen finden. Neben der teilweise kolorierten Federzeichnung dominieren druckgrafische Techniken.

Der Papiermacher an der Schöpfbütte ist eines der verbreitetsten Motive. Doch auch die industriellen Arbeitsabläufe entfalten ihr ästhetisches Potenzial und werden zum künstlerischen Sujet.

Eine virtuelle Ausstellung der Deutschen Digitalen Bibliothek

kuratiert vom

Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek

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