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Die Ausstellung präsentiert neben den drei sogenannten Meisterstichen weitere Kupferstiche, Holzschnitte, sowie Studienblätter von der Hand des Künstlers und seiner Zeitgenossen.
Bei der Ausstellung handelte es sich um ein studentisches Projekt. Seit Oktober 2013 beschäftigen sich Studierende der Kunstgeschichte (Arta Ante, Christina Babić, Kea Beier, Marco Esposito, Susanne Haun, Vanessa von Kolpinski, Cosima-Kristina Kristahn, Friederike Kröbel, Antje Müller, Jenny Neuendorf, Maximilian Carlos Vietzke Sievers, Charlotte Wagner) unter der Leitung von Dr. Elke Werner (FU Berlin) und Dr. Michael Roth (Kupferstichkabinett smb) mit der Konzeption und Planung dieser kleinen Jubiläumsschau. Die restauratorische Betreuung, Montage und Aufbau der Arbeiten und der Informationstexte lagen in den Händen von Cordula Severit, Marion Stenzel und Michel Hansow.
Am Anfang stand die Frage, wie aktuell die Meisterstiche 500 Jahre nach ihrer Entstehung sein können und wie sich die Studierenden ihnen vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse und im Hinblick auf persönliche Interessensschwerpunkte heute nähern.
Aus anregenden Diskursen entstand schließlich ein Themenspektrum von der Emotionalität, über druckgraphische Techniken und Tierdarstellungen bis hin zu Natur und Invention. Zahlreiche Vergleichswerke gewähren den Besuchern vertiefte Einblicke in die Meisterstiche - Ritter, Tod und Teufel, Melencolia I und Hieronymus im Gehäus.
Albrecht Dürer (1471-1528)
Adam und Eva, 1504
Kupferstich
Inv. Nr. 19-2
Dieses Blatt ist das Ergebnis einer ersten Phase von Proportionsstudien Albrecht Dürers. Es zeigt seine Bemühungen um die ideale Darstellung des menschlichen Körpers. Es ist wohl weniger als eine Darstellung komplexer Sinnbezüge zu verstehen, wie sie später die drei Meisterstiche zeigen. Gleichwohl verdeutlicht das Bild, dass die Menschen durch den Sündenfall ihr ideales Dasein verloren haben. Die paradiesische Harmonie wird durch die Gegensätze der Temperamente ersetzt, welche in der Darstellung versinnbildlicht sind und durch eine Reihe von Symbolen im Blatt verdeutlicht werden: Katze und Maus, Papagei und Schlange, Feigenbaum (als Baum der Erkenntnis) und Eberesche (als Baum des Lebens).
Die Jahre 1513/14 markieren einen Höhepunkt in Albrecht Dürers graphischem Schaffen. Damals entstanden auch die drei Kupferstiche Ritter Tod und Teufel, Melencolia I und Hieronymus im Gehäus. Diese drei Blätter bestechen besonders durch ihre technisch brillante Ausführung und werden daher seit dem 19. Jahrhundert als Meisterstiche bezeichnet. Der Ehrentitel impliziert einen Zusammenhang zwischen den Stichen: Durch das fast identische Format, die Entstehungszeit, die inhaltliche Vielschichtigkeit und die meisterhafte Technik können sie als Trilogie verstanden werden. Doch das Verhältnis der Blätter untereinander ist keineswegs klar und wird in der Kunstgeschichte kontrovers diskutiert. Möglich wäre auch, dass die Meisterstiche als Einzelblätter konzipiert sind und so jeweils inhaltlich für sich stehen. Der Reiter, d.h. Ritter, Tod und Teufel wird in den Quellen meist alleine aufgeführt, während der Hieronymusdruck und das Blatt mit der Melancholie häufig nebeneinander Erwähnung fanden oder von Dürer selbst gemeinsam verschenkt wurden.
Sind die beiden Blätter also als Gegenstücke und damit als Diptychon zu verstehen? Die Meisterstiche wurden auch mit dem Adam und Eva-Stich von 1504 in Verbindung gesetzt und gemeinsam als Verbildlichungen der vier menschlichen Temperamente verstanden. Die zahlreichen Vermutungen über die Meisterstiche verdeutlichen aber auch, dass die einzelnen Blätter sehr komplex strukturiert sind. Während die Darstellung des Hieronymus noch relativ konventionell angelegt ist, werfen Ritter, Tod und Teufel und Melencolia I viele ikonographische Fragen auf, die bis heute nicht geklärt werden konnten.
Mit seiner präzisen Technik, genauen Beobachtung der Natur und der Kraft der Imagination formt Dürer die drei Meisterstiche als Träger eines jeweils bestimmten Gefühls. In ihnen sehen wir einerseits kohärent zusammengefügte Figuren und Gegenstände, andererseits phantastische Eindrücke wie in einem Traum. Zusammengehalten werden diese Gegensätze durch spezifische Stimmungen.
Beim Betrachten eines Bildes gleichen wir Erfahrungswerte ab und fühlen uns dementsprechend ein. Dabei ist jede Empfindung zwar individuell und subjektiv, doch ihre Geltung ist nicht allein auf den Einzelnen beschränkt, sondern kann sich in der kollektiven Deutung ähneln.
Bereits 1504 schuf Dürer den Kupferstich Adam und Eva. Technisch so beeindruckend wie die Meisterstiche, stand hier die Konstruktion der Figuren nach Proportionsregeln im Vordergrund. Das Paar wirkt noch statisch und weniger überzeugend in den Raum integriert.
Betrachtet man Ritter, Tod und Teufel, sieht man ein kräftiges Pferd mit Ritter. Ihnen folgt ein schelmisch grinsender Teufel, und der Tod auf einem alten Klepper zeigt die verbleibende Lebenszeit. Trotz aller Widrigkeiten strahlt der Reiter Zielgerichtetheit, Mut, Kraft und Stolz aus.
Albrecht Dürer (1471-1528)
Melencolia I (Die Melancholie), 1514
Kupferstich
Inv. Nr. 352-1902
Melencolia I ist der berühmteste und umstrittenste der drei Meisterstiche Dürers. Noch immer fehlt eine schlüssige und allumfassende Interpretation des Blattes. Alle bisherigen Deutungsansätze vereint die Vermutung einer geheimen Botschaft des Künstlers oder einer Bedeutung, die über dieses Einzelwerk hinausgeht. Als ein Moment der intellektuellen Reflexion und künstlerischen Kreation stellt der Stich visuell die fruchtbare Verbindung zwischen dem phantasievollen Schöpfertum und der strukturierten Wissenschaft dar. Das abstrakte Konzept der Melancholie als Gemütszustand wird hier durch ein engelhaftes Wesen personifiziert. Sein schwermütiger Ausdruck spiegelt die Spannung der komplexen Komposition des Blattes zwischen klarer Form und freier Phantasie.
Die dicht gedrängte Szene im Vordergrund ist auf einer offenen Terrasse platziert, die unmittelbar in eine traumhafte Küstenlandschaft mit hohem Horizont übergeht. Die Architektur der Terrasse und des Turms sind zentralperspektivisch mit nahem Fluchtpunkt konstruiert. Dieser liegt links außerhalb des Bildes auf der Höhe des Polyeders. Durch diese perspektivische Konstruktion mit hohem Fluchtpunkt wächst den Architekturen, den Figuren und den Gegenständen eine besondere Monumentalität zu und bezieht den Betrachter so unmittelbar mit ins Bild ein.
Albrecht Dürer (1471-1528)
Ritter, Tod und Teufel (Der Reiter), 1513
Kupferstich
Inv. Nr. 4573-1877
In diesem Kupferstich gestaltete Dürer nach jahrzehntelangen Bemühungen sein Idealpferd. Der Typus des Schlachtrosses, ein Dextriarius, das Ritterpferd par excellence, wird hier im Profil nach links wiedergegeben. Das Tier scheint vor Kraft und Vitalität zu strotzen. Der südländische Einfluss ist unverkennbar. Von edler Zucht schreitet der Hengst stolz und erhaben seines Weges. Diese Arbeit kann als Fortführung der Erkenntnisse des Kleinen Pferdes und als Endpunkt und Ziel von Dürers Bemühungen um die idealen Proportionen dieses Tieres angesehen werden.
Der am rechten Bildrand hinter dem Reiter stehende Teufel sieht mit seinem Schweinerüssel, den Hörnern und Eulenaugen, den Eselsohren, Fledermausflügeln und dem Rattenschwanz sehr kurios aus. Neben formalen Anregungen durch die Dämonen im Kupferstich des Hl. Antonius von Schongauer prägten theologische Schriften und Vorstellungen teuflischer Physiognomie aus dem zeitgenössischen Volksglauben das Äußere der Figur. Diese realitätsnahe Kombination ist einerseits furchteinflößend, andererseits wirkt sie durch den Gesichtsausdruck karikiert. Satire als beliebtes Mittel um die Angst vor Bösem zu überwinden dient hier dazu eine neue Deutungsebene für den Meisterstich zu öffnen.
Albrecht Dürer (1471-1528)
Der Traum des Doktors, 1497/98
Kupferstich
Inv. Nr. 409-2
Bereits dieser frühe Kupferstich Dürers wirft Fragen nach der Verständlichkeit der Bilderzählung und (einer möglichen) dahintersteckenden Symbolik auf. Das Blatt zeigt einen schlafenden jungen Mann, dem der Teufel sündhafte Gedanken einflüstert, worauf ihm im Traum eine nackte Frau erscheint. Dürer stellt hier den Müßiggang des Mannes als Sünde dar und unterstützt diese Symbolik mit dem auf Stelzen laufenden Putto. Gleichzeitig weist er dem Teufel eine doppelte Funktion zu: Zwar verführt dieser den Schläfer, dabei bedient er sich aber nur der ursächlichen Sündhaftigkeit des jungen Mannes. Somit ist nicht nur der Teufel schuld. Dürer bemüht sich zudem, die Verführerin in höchster Anmut darzustellen.
Albrecht Dürer (1471-1528)
Hl. Hieronymus im Gehäus, 1514
Kupferstich
Inv. Nr. 4528-1877
Dürer hat in seinem druckgraphischen Werk mehrfach Themen aus dem Leben und Wirken des Kirchenvaters und Heiligen Hieronymus aufgegriffen. Auch einen der Meisterstiche widmet er ihm. Diese Themenwahl kann mit dem im 16. Jahrhundert aufkommenden humanistischen Hieronymus-Kult in Nürnberg in Verbindung gebracht werden. Der Legende nach hat Hieronymus dem Löwen einen Dorn aus der Tatze gezogen, woraufhin dieser zu seinem ständigen Begleiter wurde. Auf dem Meisterstich wirkt der Löwe eher harmlos. Da Dürer bis zu diesem Zeitpunkt noch keine lebenden Löwen gesehen hatte, griff er auf die Morphologie der Hauskatze zurück.
Diese Arbeit ist wohl der stimmungsvollste Meisterstich. Das Licht fällt in sanften Nuancen durch die Fenster in den Raum. Subtil modelliert es Raum und Oberflächen. Butzenscheiben werfen Schattenkringel auf die Fensterlaibung. Haarfeine Linien des Kupferstichs charakterisieren die Holzmaserung der Decke als auch die Felle der Tiere. Hund und Löwe strahlen Ruhe und Sanftheit aus.
Der Raum ist zentralperspektivisch angelegt. Sein Fluchtpunkt liegt am rechten Bildrand auf der Höhe des Hieronymuskopfes und lenkt so unseren Blick auf den Heiligen. Doch versperrt der Löwe den Weg zu ihm. Um der Ruhe willen bleiben wir in einer Beobachterposition.
Je länger wir schauen, desto tiefer versinken wir in den Raum. So überträgt sich das Gefühl von Ruhe und Gelassenheit auch auf uns.
Um 1500 war Dürers Heimatstadt Nürnberg einer der bekanntesten Orte humanistischer Gelehrsamkeit im Heiligen Römischen Reich. Politische Ereignisse und finanzielle Krisen einiger bedeutender Familien führten die Nürnberger Eliten dazu, eine umfassende Bildung auf den Gebieten der Geisteswissenschaften, Mathematik, Naturwissenschaften sowie im Hinblick auf humanistische und ästhetische Werte zu fördern.
Bildung wurde nun neben dem lange vorherrschenden Handelskapitalismus zu einer attraktiven und manchmal auch lukrativen Alternative. Zu den akademisch gebildeten Gelehrten pflegte auch Dürer Kontakt, vor allem mit Willibald Pirckheimer (1470-1530) verband ihn eine lebenslange Freundschaft, die für sein Werk durch Gespräche und Briefwechsel sehr fruchtbar war.
Es ist bekannt, dass Dürer keine klassisch akademische oder universitäre Ausbildung genossen hat, sich aber durch seine persönlichen Kontakte und Freundschaften am humanistischen Diskurs beteiligen konnte. Doch ging er einen Schritt weiter und übertrug diesen Diskurs auf sein Spezialgebiet – die Kunst – und setzte ihn einerseits schriftlich (z. B. Vier Bücher menschlicher Proportion), andererseits bildlich in seinem praktischen Werk um.
Als Sohn eines Goldschmieds kommt Albrecht Dürer (1471-1528) schon früh mit dem Goldschmiedehandwerk in Berührung, bei dem die Metallgravur eine zentrale Rolle einnimmt. Die Lehre im väterlichen Betrieb legt die Grundlagen für Dürers spätere Meisterschaft im Kupferstich.
Für das Erstellen von Druckgraphiken kommen ihm dieses Wissen, seine Geschicklichkeit und die Druckpressen seines Taufpaten Anton Koberger zugute. Eine Lehre in der Werkstatt Michael Wolgemuts, der ein Meister im Holzschnitt war, sowie Dürers Wanderschaft, die ihm die Gelegenheit bietet, Martin Schongauers Kupferstiche genauer zu studieren, und schließlich seine beiden Reisen nach Italien, wo er mit italienischer Druckgraphik in Berührung kommt, sind sehr fruchtbar für den Künstler. Dürer schöpft aus gesehenen Eindrücken, eigenen Ideen und übt sich von Druck zu Druck in seiner Kunstfertigkeit.
Dürer fertigte die drei Meisterstiche in der Technik des Kupferstiches. In dieser Tiefdrucktechnik wird die Druckfarbe aus einer gravierten Furche in einer Kupferplatte gezogen. Die Arbeit im Kupferstich verlangt analytische Genauigkeit in der Planung und hohe handwerkliche Präzision in der Ausführung, um die gewünschte plastische Modellierung und Lichtführung mit rein linearen Mitteln herzustellen.
Dürer verwendete polierte Kupferplatten, die er mit einer Wachsschicht überzog und mit Kreide weiß oder mit Fackelruß schwarz einfärbte. Auf diese Schicht wurde die Vorzeichnung übertragen.
Der Grabstichel, das Handwerkszeug des Künstlers, hat einen dreieckigen Querschnitt. Wie ein Pflug wird er vor der Hand geführt. Dabei liegt die Kupferplatte auf einem prall gefüllten Ledersandsack. So kann der Stecher mit einer Hand einen Gegendruck zum Stichelzug erzeugen. Je tiefer und breiter die Furchen in die Druckplatte getrieben werden, desto mehr Druckfarbe nimmt sie später auf. Der Metallgrat, der bei der Plattengravur entsteht, wird später mit einem Schaber, Polierstahl oder einem abgerundeten Eisen entfernt.
Während des Arbeitsprozesses lässt sich das spätere Druckergebnis nur schwer voraussehen, da die Linientiefe, der Metallgrat und der Farbauftrag das Druckergebnis beeinflussen. So lassen sich die späteren Hell-Dunkelwerte nur erahnen. Eine eingefärbte Platte vermittelt schon einen besseren Eindruck.
Die Farbe wird mit einem Ballen, auch Tampon genannt, auf die Kupferplatte aufgetragen. Es muss darauf geachtet werden, dass die Farbe in alle Furchen eindringt. Danach wird die überschüssige Farbe mit Tüchern und den Handballen von der Kupferplatte entfernt. Dabei darf nicht zu viel und nicht zu wenig Farbe ausgewischt werden.
Vor dem Druck wird das Papier leicht gefeuchtet, um eine gleichmäßige Farbaufnahme zu gewährleisten. Die Platte wird nun mit Hilfe einer Presse gedruckt. Je häufiger die Platte gedruckt wird, desto schlechter wird die Qualität des Druckes.
Diese Ausstellung wurde am 08.10.2019 veröffentlicht.
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