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Codex mexicanus

Die Hochkulturen der Azteken und Maya, die sich im Laufe der Geschichte zeitweilig auch räumlich überschnitten, sind lange Zeit nicht als zwei eigenständige Kulturen erkannt worden. Alle Handschriften der mittelamerikanischen Hochkulturen wurden daher lange Zeit, dem Eigennamen „Mexica“ der Azteken folgend, als „mexikanisch“ bezeichnet.

Nach der ersten Beschreibung durch Johann Christian Götze im Jahr 1743 scheint der Dresdner Codex zunächst in Vergessenheit geraten zu sein. Die Ausführungen des kurfürstlichen Bibliothekars Karl Wilhelm Dassdorf (1750–1812) in seiner 1782 erschienenen „Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der Churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden“, einer Art Fremdenführer, gingen nicht über das hinaus, was Götze geschrieben hatte, waren aber geeignet, dem Codex „wegen seiner großen Seltenheit“ zu größerer Bekanntheit zu verhelfen

Der Dresdner Archäologe Karl August Böttiger (1760–1835) machte 1811 Alexander von Humboldt (1769–1859) auf den „mexikanischen Codex“ aufmerksam. Der Universalgelehrte ließ sich von dem Manuskript in Dresden fünf Seiten kopieren und veröffentlichte sie 1813 in den „Vues des Cordillères et monumens des peuples indigènes de l'Amérique“.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte man die Sonderstellung des Dresdner Codex unter den damals bekannten „mexikanischen Ritualbüchern“ bereits erkannt. Es dauerte aber bis zum Jahr 1853, ehe Étienne Brasseur de Bourbourg (1814–1874) in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Revue archéologique“ den Dresdner und den Pariser Codex als Mayahandschriften identifizierte.

Menschenhaut oder Papier?

„In der Dresdner Bibliothek ist ein auf Menschenhaut geschriebener mexikanischer Kalender vorhanden“ heißt es im „Handbuch der Bibliothekswissenschaft, der Literatur- und Bücherkunde“ von 1840. Die heute noch kursierende fantastische Annahme menschlicher Haut als Beschreibstoff der Maya-Handschriften geht auf die Kombination von auf Hirschhaut überlieferten Aufzeichnungen einiger mittelamerikanischer Kulturvölker mit der Dämonisierung der Bräuche der Eingeborenen durch die spanischen Chronisten zurück.

In Wahrheit ist das Material der überlieferten Maya-Handschriften Papier aus dem Rindenbast von Feigenbäumen (Amate), wie die einschlägige Untersuchung von Rudolf Schwede aus dem Jahr 1912 bewies. Die Rinde der Feigenbäume wurde in langen Streifen vom Stamm geschält, in Wasser gekocht, gebleicht, in feuchtem Zustand flachgeschlagen, getrocknet und abschließend mit Kreide grundiert, um einheitlich glatte weiße Flächen für das Beschreiben und Bemalen zu erhalten. In folgendem YouTube-Video wird die Herstellung von Amate-Papier anschaulich demonstriert: Elaboracion del Papel Amate (Zwischentitel auf Spanisch).

Zwei – für den Codex Dresdensis nicht mehr nachweisbare – Buchdeckel aus Holz, deren Außenseiten mit Fell überzogen waren, schützten gewöhnlich die wie ein Leporello zusammengefalteten Blätter.

Eine virtuelle Ausstellung der Deutschen Digitalen Bibliothek

kuratiert von der
Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

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