Beschränkungen und Eingriffe in das Pfarrleben von St. Anna bis 1939
Bedrängung und Bedrohungen der Geistlichen durch Nationalsozialisten (ab 1933)
Schon ab 1933 konnte beobachtet werden wie die Bedrängungen und Bedrohungen der Geistlichen an sich durch die Nationalsozialisten immer direkter, offener und aggressiver wurde. Zu allgemeinen persönlichen Anfeindungen von Geistlichen durch sehr „engagierten“ Nationalsozialisten kam die Propaganda gegen die katholische Kirche als solche. Um den Geistlichen im Kontakt mit den örtlichen Nationalsozialisten nicht unnötigen Scherereien auszusetzen, erteilte das Aachener Generalvikariat gegenüber seinen Geistlichen die Anweisung, dass im Umgang mit Behörden oder in sonstigen Situationen, in denen es geboten erscheint, den Hitlergruß zu machen. Mochte man dem Nationalsozialismus auch ablehnend gegenüberstehen, so war es doch besser, den Gruß anzuwenden, um nicht unnötig weiteren Ärger auf sich zu ziehen. Für die Geistlichen, die als Religionslehrer an den öffentlichen Schulen tätig waren, war der Hitlergruß ab Januar 1934 dann sowieso rechtlich verpflichtend.
mehrere Zwangsversetzungen von Geistlichen (v. a. Religionslehrer, ab 1933)
Insbesondere in der unmittelbaren Zeit nach der Machtergreifung griff das NS-Regime auf das Mittel der Zwangsversetzung zurück, um solche Geistliche aus ihren (halb-)öffentlichen Ämtern zu drängen, wenn ihre Haltung zu offensichtlich nicht der der neuen Herren im Haus entsprach. Dies betraf dabei vor allem Religionslehrer. So sind allein am Stiftischen Gymnasium, welches traditionell eine enge Anbindung zur Pfarre St. Anna hat, drei Geistliche aus ihrem Amt gedrängt worden. Hierbei spielte natürlich der Kampf um den Einfluss auf die noch formbare Jugend den Hauptgrund.
Beschränkungen des katholischen Vereinslebens bis hin zu dessen Vernichtung (ab 1933)
Vielfache Beschränkungen musste auch das katholische Vereinsleben hinnehmen. Hierbei ist die Zurückdrängung öffentlicher Auftritte der katholischen Sängergruppe von St. Anna noch die eher unbedeutsamste Aktion gewesen. Viel härter fielen die Verbote der karitativen Betätigungen aus – hier wollte und nahm sich die NSDAP mit ihren Gliederungen, wie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, den Raum, den sie benötigte, um als die alleinige Stütze und Hilfe im Reiche für die Bevölkerung sichtbar zu sein, um so diese enger an sich zu binden. Dies wird insbesondere bei dem ab 1940 beginnenden Luftkrieg gegen Deutschland von entscheidender Bedeutung sein. Auch die Kinder- und Jugendarbeit katholischer Vereine kam weitgehend zum erliegen und wurde in Form der parteilichen Organisationen der Hitlerjugend übernommen, was Fröls in seinem weiter oben zitierten Eintrag in der Pfarrchronik von St. Anna bitter beklagte.
Vernichtung von katholischen Bräuchen (z. B. Ignorieren von Feier- bzw. Festtagen, ab 1933)
Grundsätzlich waren die Sonn- und Feiertage der katholischen Kirche reichsweit gesetzlich geschützt. Zusätzlich waren auch lokale Feierlichkeiten schützbar. Die Gewährung von Schutz hing lokal aber vom Wohlwollen der örtlichen parteilichen und staatlichen Stellen ab. Gab es hier kein gutes Verhältnis zwischen den Geistlichen und den Nationalsozialisten, konnte vieles nicht erfolgen, was in anderen Orten vielleicht möglich war. Betreffend St. Anna in Düren kam es am 8. Dezember 1936 zum Eklat, als auf Maria Empfängnis, ein seit Jahrzehnten hier praktizierter Feiertag, vor der Annakirche Markt gehalten wurde und das öffentliche Leben nicht ruhte. Alle Beschwerden hierüber bei staatlichen Stellen blieben erfolglos. Der Dürener Landrat, selbst Katholik und ehemaliger Zentrumspolitiker, ließ sich sogar mit der Äußerung zitieren das dieser Tag in der Stadt Düren nach außen hin nicht besonders in Erscheinung treten würde.
Ein weiterer Kunstgriff, wie man die Kirche aus der Öffentlichkeit verdrängen konnte, war es die althergebrachten Prozessionswege mit Verweis auf die Bedürfnisse des Straßenverkehrs, massiv zu beschneiden und nur noch durch Seitenstraßen zu genehmigt – für Aufmärsche der NSDAP und deren Organisationen galt selbstverständlich ein anderer Maßstab. Trotzdem waren die Prozessionen gut besucht, wie verschiedene Einträge von Fröls in Pfarrchronik der Pfarre belegen.
Kampf um die Jugend (Hitlerjugend vs. katholische Jugend, ab 1933)
Einer der bedeutsamsten Maßnahmen des NS-Regimes war der Griff nach der Jugend. Ihre ideologische Indoktrinierung galt als Schlüssel für die langfristige Sicherung des Dritten Reiches. Und hier war in den katholisch geprägten Regionen seit Jahrzehnten die katholische Kirche die einflussreichste Moralinstanz, die es nun galt zu verdrängen. Mit unzähligen kleineren und größeren Maßnahmen versuchte man hier erfolgreich zu sein, so z. B. damit, dass ab Juli 1935 sämtliche Betätigungen der katholische Jugendverbände verboten wurden, die nicht rein religiösen Charakters waren. Durch die Hitlerjugend selbst kam es immer wieder zu Störungen von kirchlichen Feierlichkeiten und Angriffen auf Jugendliche, die nicht Mitglied der HJ waren. Dies missfiel aber nicht nur der katholischen deutschen Amtskirche, sondern auch der NSDAP selber, die von ihrer Jugendorganisation ein anderes Auftreten erwartete. Entsprechend war es z. B. nachdrücklich verboten bei Gottesdiensten vor den Kirchen vorbei zu marschieren. Der Zustrom zur Hitlerjugend blieb, insbesondere in der Anonymität der Städte, gering, doch war der Druck ihr beizutreten extrem hoch – auch wenn die HJ selbst erwartete, dass nur jene freiwillig zu ihr kommen sollten, die auch innerlich überzeugt waren. Ab 1939 war die Zugehörigkeit zur HJ dann aber für alle Pflicht – der totalitäre Anspruch des NS-Regimes lies sich eben nicht allein durch Freiwilligkeit stützen.
Ein Schwachpunkt der HJ war, dass sie keine wirklichen Druckmittel hatte, die jungen Menschen zu ihren verpflichtenden Diensten heranzuziehen. Um aber ein attraktiveres Kontrastprogramm gegenüber den katholischen Verbindlichkeiten zu haben, legte man die Dienstzeiten auf den Samstagnachmittag und den Sonntagmorgen, wo eigentlich Religions- und Beichtunterricht bzw. die Sonntagsmesse stattfanden. Da die Dienstzeiten zu Anfang eher ohne wirkliche Aufgaben waren, mehr ein „Rumhängen“ entsprach, war das durchaus für die einen oder anderen jungen Menschen interessanter als der Kirchgang.