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Eine Online-Ausstellung des Sächsischen Staatsarchivs

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

Die Verbrennung der päpstlichen Bannandrohungsbulle, die Luther am 10. Dezember 1520 als Zeichen seiner Abwendung von Rom vollzog, gehört zu den ikonischen Ereignissen der Reformationsgeschichte. Der Wittenberger Akt markiert den Höhepunkt einer Entwicklung, die mit den 95 Ablassthesen begann und unumkehrbar wurde, als der Reformator während der Leipziger Disputation im Sommer 1519 die päpstliche Machtvollkommenheit in Frage stellte.

Damit waren auch im albertinischen Sachsen die Würfel gefallen. Herzog Georg der Bärtige (1471 -1539), der Schirmherr der Leipziger Disputation, hatte Luthers Bemühen um kirchliche Reformen zunächst begrüßt, wandelte sich nun aber zu einem der entschiedensten Gegner der Reformation. In seiner Korrespondenz mit dem Reformator spiegelt sich der harte Konflikt zwischen dem alten Glauben und dem neuen evangelischen Bekenntnis.

Diese Online-Ausstellung zeigt das Dresdner Original der päpstlichen Bannandrohungsbulle in seinem archivischen Kontext. Zu sehen sind dabei bedeutende Zeugnisse aus der Kanzlei Georgs von Sachsen, die neben der Bulle selbst zu den größten Schätzen des Sächsischen Staatsarchivs gehören.

Die Präsentation geht auf eine Ausstellung zurück, die das Sächsische Staatsarchiv ursprünglich zum Reformationsjubiläum 2017 konzipiert hat. Für die Deutsche Digitale Bibliothek wurden die Begleittexte leicht überarbeitet.

Auf den folgenden Seiten finden Sie neben der Dresdner Bannandrohungsbulle zahlreiche authentische Dokumente aus den ersten Jahren der Reformation. Neben Zeugnissen der Leipziger Disputation von 1519 gehören dazu eigenhändige Briefe Herzog Georgs, die der theologisch gebildete Landesherr an Luther schrieb, und die eigenhändigen, oft wenig respektvollen Repliken aus der Feder des Reformators.  Zu den besonderen Höhepunkten gehört ein neuentdecktes Unikat eines zeitgenössischen Plakatdrucks der Bannandrohungsbulle.

Natürlich kann man auch er­fahren, was genau eigentlich Luther im Dezember 1520 den Flammen übergab, und warum der Verbrennungsakt so viel Aufsehen erregte ...

Zur Navigation in der Ausstellung scrollen Sie einfach weiter oder klicken auf das Icon (drei übereinanderliegende Striche) in der Titelleiste! Zu jedem Bild gehören ein Hintergrundtext und eine Transkription der Handschriften, gegebenenfalls auch eine Übersetzung.



Die Kanzlei Herzog Georgs – Überlieferungsort für Luthers reformatorische Weichenstellung

Im Hauptstaatsarchiv Dresden werden die Schriftzeugnisse aus der Kanzlei Herzog Georgs verwahrt. Dessen Beziehungen zum frühen Luther und sein späterer Kampf gegen die evangelische Lehre sind der Grund dafür, dass sich in Dresden einige der bedeutendsten Schlüsseldokumente der Reformation finden. Zu ihnen gehören die Korrespondenz, die Georg und der Reformator vor, während und nach der Leipziger Disputation führten, und eines der drei bekannten Originale der Bannandrohungsbulle. In dieser Ausstellung sind sie als authentische Zeugnisse für Luthers persönliche Entwicklung in ihrem ursprünglichen Überlieferungszusammenhang zu sehen.

Archivalische Dokumente liefern die Erklärung und den Hintergrund zu den Ereignissen, die unser Bild von Luther, seinem Schaffen und Nachwirken prägen. Die in den mitteldeutschen Archiven bewahrten Schriftzeugnisse Luthers und seiner Gegenspieler beeindrucken nicht nur durch die Aura der Eigenhändigkeit. Korrekturen, Anmerkungen und andere Bearbeitungspuren geben einen tiefen Einblick in Ziele und Motivation ihrer Schreiber.



01

Leipziger Disputation vom Februar 1519

Herzog Georg von Sachsen hatte das akademische Streitgespräch in Leipzig, das die Weichen für Luthers Bruch mit dem Papst stellte, gegen starke Widerstände gefördert. Er erhoffte sich eine Klärung der theologischen Kontroversen, die von den 95 Ablassthesen ausgegangen waren.

Den Anstoß zur Durchführung gaben der Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck (1486-1543) und der Wittenberger Theologe Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt (1486-1541). Eck hatte im Frühjahr 1518 mit einer kritischen Druckschrift auf Luthers Positionen reagiert. Karlstadt veröffentlichte 406 eigene Thesen zur Verteidigung des Reformators und erklärte Anfang 1519, persönlich an einer akademischen Diskussion teilnehmen zu wollen. Eck akzeptierte das in einem Schreiben an Luther vom 19. Februar 1519. Noch am selben Tag schrieb Luther zum ersten Mal an Herzog Georg und bat ihn als den zuständigen Landesherrn, in Leipzig mitreden zu dürfen. Ablauf und Richter für das Streitgespräch legten die drei Teilnehmer in einem Vertrag fest.





Eigenhändige Einladung von Johannes Eck an Martin Luther zur Leipziger Disputation vom 19. Februar 1519 recto

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 44r

Eigenhändige Einladung von Johannes Eck an Martin Luther zur Leipziger Disputation vom 19. Februar 1519

Herzog Georg und die Universität Leipzig hatten dem Streitgespräch bereits zugestimmt. Vermutlich legte Luther das Schreiben Ecks seiner Bitte an Georg bei, seinerseits an der Disputation teilnehmen zu dürfen.





Eigenhändige Einladung von Johannes Eck an Martin Luther zur Leipziger Disputation vom 19. Februar 1519 verso

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 44v

Rückseite des Schreibens



Hintergrund

Johannes Eck, seit 1510 Doktor der Theologie und Professor der Heiligen Schrift an der Universität Ingolstadt, schrieb in seinen „Obelisci“ („Spießchen“) im März 1518 als einer der ersten gegen Luthers Ablassthesen an und verdächtigte den Reformator schon damals des Hussitismus und des Ungehorsams gegenüber dem Papst. Luther replizierte im Mai mit seinen „Asterisci“ („Sternchen“), und auch sein Wittenberger Kollege Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, trat Eck mit eigenen Thesen entgegen.

Am 4. Dezember 1518 bat Eck in einem Schreiben an Herzog Georg darum, an der Universität Leipzig mit Karlstadt über Luthers Ablassthesen disputieren zu dürfen. Die Leipziger Theologen, die als Schiedsrichter auftreten sollten, und der Kanzler der Universität, Bischof Adolf von Merseburg, versuchten dies zu verhindern, da sie fürchteten, in den Ablassstreit hineingezogen zu werden. Als Landesherr, der hoffte, seine Universität würde sich durch die Disputation profilieren können und zur Klärung der theologischen Streitfragen beitragen, drängte Georg auf die Zulassung, die der Universitätsrektor und die Theologenfakultät am 1. Februar 1519 erteilten. Eck hatte seine Disputationsthesen bereits Ende 1518 veröffentlicht und Luther darin erneut als Kritiker des päpstlichen Primats dargestellt. Dieser bestand nun darauf, selbst an der Disputation teilzunehmen. Am 19. Februar wendete er sich erstmals an Herzog Georg, um dessen Zustimmung zu erwirken. Da der Herzog der Bitte nicht entsprach, wiederholte sie der Reformator in den kommenden Wochen mehrfach. Einem dieser Schreiben dürfte er zur Bekräftigung seines Anliegens die eigenhändige Einladung Ecks beigefügt haben.



Übersetzung

Dem hervorragenden Theologen und Philosophen Martin Luther, dem »Einäugigen« [Polyphem, der einäugige Riese aus Homers Odyssee, etymologisch „der Vielgerühmte“], Professor in Wittenberg, seinem Herrn, größer als Eck.

Gruß im Herrn und Weisheit in Christus!

Dass die sehr gelehrten Herren der Leipziger Hochschule die Last, uns anzuhören, zurückweisen, war sehr betrüblich für mich, ohne dass ich jetzt genau weiß, wozu ich raten soll. Dennoch verhandelte der gnädigste Fürst, Herr Georg, Herzog von Sachsen und so fort auf meine Petition hin mit seiner Hochschule, damit sie endlich ihre Zustimmung gäbe. So erhielt ich heute in dieser Sache Briefe des erlauchtesten Fürsten, der Universität und der theologischen Fakultät. Ich schlug ihnen den 27. Juni vor, an dem der erste Teil der Disputation beginnen sollte. Am 26. Juni aber würden wir bei der theologischen Fakultät vereinbaren, wer von uns beiden bei der ersten Sitzung als Opponens [Disputationsgegner] fungieren sollte.

Da aber Karlstadt Dein Protagonist ist, Du aber der Hauptdisputator, der diese Lehren in ganz Deutschland verbreitet hat, die meinem geringen und schwachen Urteil nach als falsch und irrig erscheinen, ist es angemessen, dass Du dorthin kommst und entweder Deine Auffassungen verteidigst oder die unsrigen verwirfst. Ich wollte aber lieber, dass Du Deine Einstellung ablegst und in allen Dingen dem apostolischen Stuhl gehorsam bist, auf Leo X. hörst, den Stellvertreter Christi, nicht die Vereinzelung suchst, sondern Dich der Meinung der Doktoren anschließt im sicheren Wissen, dass Christus seine Kirche bereits vierhundert Jahre hindurch in diesen (wie Du es nennst) Irrtümern nicht verlassen hat. Du wirst nämlich aus dem Disputationszettel ersehen, dass ich nicht so sehr gegen Bodenstein meine Thesen aufgestellt habe, sondern gegen Deine Lehren.

Leb also wohl, mein Martin, und lass uns füreinander beten, damit wir erleuchtet werden.

Aus Ingolstadt, 19. Februar, im Jahr der jungfräulichen Geburt 1519.

Dein Dir sehr ergebener Eck.

nach Vinzenz Pfnür (Hg.): Johannes Eck (1486 -1543). Briefwechsel. Internet-Edition in vorläufigem Bearbeitungsstand (http://ivv7srv15.uni-muenster.de/mnkg/pfnuer/Eck-Briefe.html)



Edition

Theologo et Philosop[h]o interprimo,
Martino Luttero, viro polyphemo,
Vuittenbergi ordinario, domino et maiori
Eckii.

Salutem in Domino et recte in Iesu sapere.

Quod Lipsen[sis] Studii viri doctissimi onus
nos audiendi recusarant, erat michi
permolestum, nec plane scivi, quid consilii
caperem. At tamen clementissimus Princeps,
D. Georgius, Saxoniae Dux etc., ad
petitionem meam egit cum Studio suo, ut
tandem assensum praeberent, uti hoc die
literas et Illustrissimi Ducis et Universitatis ac
Facultatis super ea re accepi. Quare eis
XXVII. diem Iunii praescripsi, quo
disputationis primum actum haberemus, die
autem XXVI. apud Facultatem theologicam
conveniremus, uter nostrum in primo
congressu sit opponens.

Cum autem Carlestadius sit propugnator
tuus, tu vero principalis existas, qui haec
dogmata per Germaniam seminasti, quae
meo parvo et exili iudicio falsa et erronea
apparent, quare convenit, et te illuc venire et
vel tua tueri vel nostra improbare. Sed quam
vellem, ut hunc animum deponeres et sedi
Apostolicae te per omnia obedientem
praestares, audires Leonem X., vicarium
Christi, non quaereres singularitatem, sed
condescenderes communi Doctorum
sententiae, certus, quod Christus ecclesiam
suam iam CCCC. annis non permisisset in
istis (uti tu divinaris) erroribus. Vides enim ex
scheda disputatoria, me non tam contra
Bodenstein, quam contra tuas doctrinas
propositiones posuisse.

Vale ergo, mi Martine, et oremus pro
invicem, ut illuminemur.

Ex Ing[o]l[stad]t, XIX. Febr.,
anno virginei partus M.DXIX.

Tibi deditiss[imus] Eckius.

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe –
Briefwechsel, Bd. 1, Weimar 1930, Nr. 151.





Vertrag zur Leipziger Disputation vom 26. Juni, 4. und 14. Juli 1519 recto

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Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 35r


Vertrag zur Leipziger Disputation vom 26. Juni, 4. und 14. Juli 1519

Johannes Eck, Andreas Bodenstein (Karlstadt) und Martin Luther einigen sich hier über die Formalitäten ihres Streitgesprächs. Die Unterschriften sind eigenhändig.



Vertrag zur Leipziger Disputation vom 26. Juni, 4. und 14. Juli 1519 verso

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Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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02-10024,Loc_10300-02,Bl_35verso.gif
SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 35v


Rückseite des Vertrages

Hintergrund

Vor Beginn der Leipziger Disputation (27. Juni 1519) bestanden zwischen den Kontrahenten Andreas Karlstadt und Martin Luther einerseits und Johannes Eck andererseits unterschiedliche Auffassungen darüber, wie das Streitgespräch dokumentiert werden sollte. Karlstadt bestand darauf, die Disputation durch Notare wörtlich protokollieren zu lassen. Da dies das Ablesen vorformulierter Gedanken beförderte, forderte Eck, die Diskussion nach „italienischer“ Weise, d. h. in freier Rede durchzuführen, konnte sich aber nicht durchsetzen.


Am 26. Juni einigten sich Karlstadt und Eck mit diesem Dokument dahingehend, dass ihre Ausführungen durch vier Notare mitgeschrieben werden sollten. Jede Seite erhielt ein Exemplar des Protokolls, das nicht ohne gemeinsame Zustimmung veröffentlicht werden durfte. Eck und Luther unterzeichneten die gegenseitige Vereinbarung am 4. Juli. Erst am 14. Juli, nach dem Ende der Disputation, ergänzten die drei den Text mit einer Festlegung zur Bestimmung der Schiedsrichter: Über den Streit zwischen Eck und Karlstadt sollte die Universität Erfurt, über den zwischen Eck und Luther die Universität Erfurt gemeinsam mit der Universität Paris urteilen.


Die notariellen Protokolle waren durch den Leipziger Rentmeister Georg von Wiedebach in sichere Verwahrung zu nehmen. Auf diesem Weg dürfte auch die vorliegende Vereinbarung in die Kanzlei Herzog Georgs gelangt sein. Die Protokolle selbst sind verschollen.



Edition



Auf Sonntag nach Corporis Christi Anno etcetera xix [26. Juni] ist durch die Hochgelahrten, Gestrengen und Wirdingen, Herrn Johann Kochel Doctor, Kanzler, Georgen von Widebach, Amptmann allhier zu Leyptzk, Rentmeister, als furstliche vorordente Räte, und Rector, Magistri und Doctores dieser loblichen Universität zwuschen den Wirdigen und Hochgelahrten, Herrn Johann Eckio und Herrn Andrea Karolostadt, der heiligen Schrifte Doctorn, folginde Abrede der Disputation halben beslossen und aufgericht:


Nämlich, daß Doctor Eckius erstlich wider die Conclusiones Doctoris Karstadts, so viel er ihm der den Abend zuvorn auch zuschreiben wirdet, opponieren, darauf Doctor Karlstadt respondieren sall; und folgenden Tag soll Doctor Karlstadt wider Doctoris Eckij Conclusiones, so er ihm den Abend zuvorn auch zuschreiben wirdet, opponieren, darauf Doctor Eckius respondieren; und also furder einen Tag vmb den andern bis zu Ende der Disputation procedieren. Solche Disputation, als beider Teil Argumenta und Solutiones, sollen durch vier Notarien, aufgeschrieben und zu Ende der Disputation kegen einander collationiert, auch einem yden Teile ein Exemplar derselbigen gegeben werden, doch dergestalt, daß solche Disputationes und derselben Exemplar nicht sollen in Druck bracht abber just publicieret werden, es sei dann, daß sich beide Teile eins Richters voreinigt und desselbigen Spruch darauf publicieret und eroffent werde. Deßgleichen sollen sich auch beide Teil vor ihrem Abschied des Richters voreinigen, und die Exemplar bei den Rentmeister allhier ingelegt werden.

Folgender Weise ist zwuschen Doctor Johann Eckio und Doctor Martin Luter der Disputation halben abgeredt und bewilligt:


Doctor Joannes Eckius und Doctor Martinus Luther haben ihrer Disputation halb compromittiert, und bewilligt, inmaßen zuvor Doctor Eckius und Doctor Karstadt bewilligt und compromittiert haben, und die sunder Injurien zu vorfuhren. Doch so hat Doctor Martinus seine Appellation, die er zuvorn vorgewendt, als viel er deß Recht hat, vorbehalten und nicht wollen fallen lassen, auch daß die Acta dieser Disputation nicht in päpistlichen Hof, aus Ursachen ihne bewegend, darubir zu erkennen, sollen geschickt werden. So auch in dieser Disputation zwuschen beruhrten Doctoren Irrung vorfallen wurden, sollen sie der Herren, so allher vorordent, Weisung leiden. Actum Montag Udalrici Anno ut [supra] [4.Juli].


Als vormals angezeigt, daß die beruhrten Doctores sich ihrer Disputation halben Richter voreinigen sollen, haben sie nachfolgender Maaß getan, als nämlich: Doctor Joannes Eckius und Doctor Martinus Luter haben bewilligt in die zwue Universitäten Paris und Erffordt; aber Doctor Eckius und Doctor Karlstadt haben in die Universität Erffurdt alleine bewilligt, und ob meher Facultäten, dann die Doctores Theologiae und Canonum auf solch ihr Einbrengen erkennen sollen, sall in meins g. Herrn, Herzog Georgen zu Sachsen u. Gefallen gestellt sein, und denselben mogen Sein F. G. solche Acta zuschicken; und haben weiter ausgezogen, daß zu solchem Erkenntniß die Väter der zweier Orden Augustinesium und Praedicatorum zu Erffurdt nicht sollen gebraucht werden. Zu Urkunde haben wir gnannten drei Doctores uns mit unsern eigen Handen unten an diese Schrift unterschrieben. Geschehen zu Leyptzk, Donnerstag noch Margarethae virginis Anno etcetera xv xix [14.Juli].


Ich, Johann von Eck, Doctor u., bekenne mit dieser meiner eigen Handgeschrift, daß ich in obgemeldt Artikel, wie sie hier verzeichnet sind, verwilligt hab, auch die angenommen, und denen, wie sy gebührt und billig ist, treulich leben will und Folg thun. Actum zu Leipzig xiiij Julii Anno M.D.XIX.


Ich, Endres Bodenstein, Doctor u., bekenn mit dieser Handschrift, daß ich, wie obgemeldt, bewilligt und gelobt, auch zukunftigklich gebuhrlich halten und geleben. Dat. uts.


Und ich, Doctor Martinus Luther, bekenn auch mit dieser mein Handschrift gleich den vorigen Herrn Doctoren. Datum ut supra.

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe – Briefwechsel, Bd. 1, Weimar 1930,
Nr. 187, Beilage 1, S. 428–430.



Eigenhändiges Schreiben Martin Luthers an Herzog Georg vom 28. April 1519 recto

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 41r

Eigenhändiges Schreiben Martin Luthers an Herzog Georg vom 28. April 1519

Luther bittet zum wiederholten Mal, dass Herzog Georg ihm die Teilnahme an der Disputation gestattet und freies Geleit zusichert .





Eigenhändiges Schreiben Martin Luthers an Herzog Georg vom 28. April 1519 verso

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/2, Bl. 41v

Rückseite des Schreibens



Hintergrund

Seit Februar 1519 drängte Luther bei Herzog Georg darauf, an der Leipziger Disputation mitwirken zu dürfen. Der Landesherr hatte das Streitgespräch über die Ablassthesen des Reformators gegen den ausdrücklichen Widerstand der Leipziger Theologenfakultät durchgesetzt. Dies geschah jedoch in der Annahme, dass es ausschließlich zwischen Luthers Gegner Johannes Eck und dem Wittenberger Theologen Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, geführt würde.

Mit der persönlichen Teilnahme Luthers stand zu befürchten, dass die Sorge der Leipziger Theologen, die Disputation würde den Ablassstreit weiter anheizen, wahr werden könnte. Georg enthielt dem Reformator eine förmliche Zulassung daher vor, schlug sie ihm aber auch nicht ausdrücklich ab.


Der Herzog zog sich mehrfach auf den Standpunkt zurück, Luther müsse sich zunächst mit Eck über sein Mitdisputieren einigen. In diesem Zusammenhang könnte der Reformator das eigenhändige Einladungsschreiben, das ihm Eck am 19. Februar gesendet hatte, an Georg übergeben haben. Luther wiederholte sein Gesuch an Georg noch einmal am 16. Mai 1519.


Zur Disputation nach Leipzig reiste er schließlich im Gefolge von Karlstadt, dem der Herzog sicheres Geleit zugesagt hatte.



Edition

Dem durchleuchtigen Hochgepornenn furstenn vnnd Herrnn, Herrnn Georgen
Hertzogen zcu Sachßen, Landgrafen zcu Duringen, Marggrafen zcu Meyßen
etc., meynem gnedigenn Herrn vnnd patronen.


Jhesus.


Meyn armß gepeet vnnd guts vormugen feynd ewrnn furstlichn gnadenn allzceyt zcu vnterthenigen Diensten zcuuor. Hochgeporner durchleuchtiger furst, gnediger Herr! E. f. g. [Euer fürstlichen gnaden] nechste schrifft vnnd gnedigis antwort hab ich empfangen vnnd dem selben nach doctor Johanni Eck e.f.g. meynung verstendiget vnnd bißher seyner antwort gewartet. Die weyl dann Derselb gnannt doctor Joh[annes] Eck itzt ynn eyner außgangen zcedel vnß alle beyde Doctor Carlstad vnnd mich nit alleyn berüfft, ßondernn auch mit grewlichen worten trotzet vnnd vill nach schon eyn lidlin von vnß singet, wie dann ich mich vorsehe an e. f. g. gelanget sey, ßo ist an e. f. g. wie vorhyn meyn unterthenigs demutigis gepeet, e. f. g. wolt mich gnedicklich die selb Disputation zcu halden begnadenn. Auch die weyl myr die Matery ferlickeit meyns lebens vnnd vill feyndschafft gemacht, bitt ich vmb gottes willen, e.f.g. wolt vnß mit e. f. g. sicherem geleydt zcu vnnd abe vorsorgenn, Dann ich alßo mich wagen muß, das ich dennocht gott nit vorsuche durch menschlicher ordenlicher Hulffe vorachtüngenn. Vorschuld ich gegen e. f. g. vor gott mit meynem armen gebett alzceyt untertheniglich. geben zcu Wittenbergk am Donnerstag ynn osternn 1519. 


E. f. g.
untertheniger Capellan d Martinus Luther
Augustiner zcu Wittenbergk.

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe – Briefwechsel, Bd. 1, Weimar 1930, Nr. 168



02

Luther und Herzog Georg im Konflikt

In seinem Kirchenregiment suchte der theologisch gebildete Herzog Georg von Sachsen die Zusammenarbeit mit dem Klerus. Wo dieser seinen Ansprüchen nicht genügte, griff der Landesherr auch selbst in kirchliche Belange ein. Bis 1519 teilte er manche Kritik Luthers am Zustand der Kirche. Als aber der Reformator während der Leipziger Disputation die päpstliche Machtvollkommenheit in Frage stellte und die Auffassung vertrat, dass nicht alle auf dem Konzil von Konstanz 1415 verurteilten Lehren des böhmischen Reformers Jan Hus (um 1370-1415) ketzerisch gewesen seien, kam es zum Bruch mit dem Herzog.

Der Kampf gegen die hussitische Bewegung war eines der wichtigen kirchenpolitischen Anliegen Georgs. Von seiner Mutter, der Herzogin Sidonia von Böhmen (1449-1510), war der Herzog streng antihussitisch erzogen worden. Diese hatte 1464 miterleben müssen, dass der Papst ihren Vater, den Böhmenkönig Georg von Podiebrad (1420-1471), als »Hussitenkönig« bannte und zum Ketzer erklärte.

In den folgenden Jahren wurde der Ton der Auseinandersetzung zwischen Luther und dem Herzog in Briefen, Flugschriften und anderen Veröffentlichungen schärfer. Mit dem Anwachsen der evangelischen Bewegung wendete sich die Kirchen- und Religionspolitik Georgs auch gegen lutherisch gesinnte Untertanen. Unter anderem in Leipzig breitete sich das neue Bekenntnis aus. Der Herzog sorgte für die Ausweisung derjenigen Bürger, die sich nicht wieder zum alten Glauben bekannten. Die Vorgänge des Jahres 1533 können als einer der Höhepunkte der Verfolgung gelten: Herzog Georg befahl dem Leipziger Stadtrat damals, die Kommunionspraktiken in den katholischen Gottesdiensten zu überwachen, um die Ausreichung des Abendmahls in beiderlei Gestalt zu verhindern.





Eigenhändiges Schreiben Martin Luthers an Herzog Georg vom 31. Oktober 1528 recto

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 07268/05, Bl. 31r

Eigenhändiges Schreiben Martin Luthers an Herzog Georg vom 31. Oktober 1528

In einem Brief an seinen Weggefährten Wenzeslaus Linck (1483 – 1547) äußerte Luther den falschen Verdacht, Georg sei an einem Fürstenbündnis beteiligt, das die evangelische Bewegung bekämpfen wolle. Der Herzog gelangte in den Besitz einer Abschrift und forderte den Reformator auf, sich als Autor zu bekennen. In diesem Schreiben gibt Luther vor, dass der Brief nicht von ihm stamme. Auf seine schroffe Antwort folgte ein öffentlicher Streit mit Georg, den beide mit der Hilfe gedruckter Flugschriften austrugen.





Eigenhändiges Schreiben Martin Luthers an Herzog Georg vom 31. Oktober 1528 verso

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04-10024,Loc_07268-05,Bl_31verso.png
SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Nr. Loc. 07268/05, Bl. 31v

Rückseite des Schreibens



Hintergrund

Der Konflikt zwischen Luther und Herzog Georg steht im Zusammenhang mit den sogenannten ‚Pack’schen Händeln‘. Otto von Pack, ein Rat Georgs, hatte gegenüber dem hessischen Landgrafen Philipp, einem der wichtigsten Anhänger der Reformation, behauptet, sein Herr sei an einem Bündnis altgläubiger Fürsten beteiligt. Dieser angeblich im Mai 1527 in Breslau begründete Zusammenschluss wolle die lutherische Bewegung militärisch niederkämpfen. Philipp nahm dies derart ernst, dass er begann, ein Heer zu rüsten, um in das Hochstift Mainz einzurücken. Im Mai 1528 erklärte Georg das Gerücht eines katholischen Bundes öffentlich zur Fälschung. Otto von Pack wurde durch Philipp von Hessen verhaftet.

Gegenüber dem sächsischen Kurfürsten Johann, Bruder und Nachfolger des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, hat Luther die Kriegsvorbereitungen der protestantischen Fürsten zwar verurteilt, nahm die Nachricht vom Breslauer Fürstenbündnis aber für bare Münze. In einem Brief an Dr. Wenzeslaus Linck, damals lutherischer Prediger am neuen Spital in Nürnberg, vom 14. Juni 1528 äußerte er den Verdacht, Georg sei dessen Urheber.

Eine Kopie des Briefs gelangte an Georg. Am 28. Oktober forderte der Herzog Luther auf, sich als dessen Verfasser zu bekennen. Mit dem vorliegenden, sehr kurz angebundenen Antwortschreiben wies der Reformator dies zurück. Nachdem der Versuch von Kurfürst Johann, zwischen Luther und seinem Vetter zu vermitteln, ergebnislos blieb, stellte Georg eigene Ermittlungen in Nürnberg an. Wenzeslaus Linck gestand dem Gesandten Georgs, dass Luther tatsächlich der Verfasser war, vernichtete dessen Originalbrief aber, als der Herzog dessen Aushändigung forderte. In der Folge trugen Georg und der Reformator ihren Streit über die ‚Pack’schen Händel‘ mit mehreren gedruckten Flugschriften öffentlich aus.

Im Frühjahr 1529 verlief sich die Auseinandersetzung im Sand. Wie tief verletzt sich Georg fühlte, zeigt die Tatsache, dass er die wichtigsten Dokumente der literarischen Fehde anschließend in einer Sammelausgabe zum Druck bringen ließ.



Edition



Dem durchleuchtigen, hochgebornen fursten vnd Herrn, Herrn Georgen,
Hertzog Zu Sachsen, Landgrauen Inn Duringen vnd Marggrauen Zu
Meyssen, meynem gnedigen Herren.


Gnad vnd fride ynn Christo ! Ich hab E. f. g. schrifft entpfangen,
darynn E. f. g. von mir begert einer Zedel odder abschrifft halben antwort,
ob ich solcher schrifft mir bewust sey, vnd solchs, als muste ich gleich
dem geringsten verpflichten odder gefangen hie zu gewarten sitzen.
Darauff ist mein kurtz antwort : Nach dem E. f. g. wol weis meine hohe
gedult, so ich bisher getragen habe oder die vorrede auffs neue testament
des Emsers vnd auff die antwort meiner hertzlichen demutigen schrifft
begegenet, Also wil ich noch bis mal auch gedult haben vnd ober diesem
stucke, angesehen E. f. g. grosse vnd schwere anfechtungen, Vnd bitte gantz
demutig, E. f. g. wolten mich mit solchen Zedeln odder abschrifften vnuersucht
lassen, Es wird sich on Zweifel E. f. g. bey denen, so solche Zeddel
haben zugericht vnd gereicht, auch wol, on des Luthers Zuthun, wol
wissen zuerkunden, wes solche schrifft sey, welche E. f. g. mehr denn ich
verwand odder zugethan sind. Nichts herters wil ich auff bis mal widder
solche frume leute geschrieben haben, denn zu erbarmen vnd zu bitten
fur E. f. g. anfechtung were ich Christlich geneigt, wo es E. f. g. leyden
kondte. Hie mit Gott befolhen, Amen. Zu Wittemberg Sonnabends des
letzten octobris 1528.

E. f. g.
Williger
Martinus
Luther

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe – Briefwechsel, Bd. 4, Weimar 1933, Nr. 1346.



Eigenhändiger Entwurf eines Briefs Herzog Georgs an Martin Luther vom 28. Dezember 1525 recto

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/01, Bl. 172r


Eigenhändiger Entwurf eines Briefs Herzog Georgs an Martin Luther vom 28. Dezember 1525

Georg weist mit diesem Schreiben einen versöhnlichen Entschuldigungsbrief Luthers vom 21. Dezember 1525 zurück. Der Text enthält Korrekturen des herzoglichen Kanzlers Simon Pistoris (1489-1562). Dessen Anmerkungen belegen, wie eng Georg in kirchenpolitischen Fragen mit seinen Räten zusammenarbeitete.



Eigenhändiger Entwurf eines Briefs Herzog Georgs an Martin Luther vom 28. Dezember 1525 verso

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/01, Bl. 172v


Rückseite des Schreibens

Hintergrund

Luther bat den Herzog in einem Schreiben vom 21. Dezember 1525 um Vergebung dafür, dass er ihn in den Jahren zuvor immer wieder hart angegangen sei. Unter anderem gibt er Georg zu bedenken, „das nicht eyn gleich ding sey, wider den Muntzer vnd wider den Luther [zu] streben“. Der Herzog war maßgeblich an der Niederlage der aufständischen, von Thomas Müntzer beeinflussten Thüringer Bauern in der Schlacht von Frankenhausen am 15. Mai 1525 und der anschließenden Gefangennahme und Hinrichtung des revolutionären Theologen beteiligt gewesen. Für den Bauernaufstand, von dem sich Luther scharf distanzierte, machte Georg die Lehre des Reformators verantwortlich, was diesen veranlasste, sich gegenüber dem Herzog zu rechtfertigen.

Der Versuch einer gütlichen Annäherung scheiterte. Im vorliegenden Brief legt Georg noch einmal den aus seiner Sicht schädlichen Einfluss von Luthers Theologie dar und mahnt diesen, in den Schoß der Mutter Kirche zurückzukehren.

Das Schreiben bezeugt die hohe Bildung Georgs, der in seiner Jugend für eine kirchliche Laufbahn vorgesehen war und als Domherr in Mainz und Köln theologisches Wissen erworben hatte. Erst 1494 schied er aus dem geistlichen Stand aus. Als Landesherr umgab er sich seinerseits mit gelehrten Räten, die ihn in seiner Kirchenpolitik unterstützen konnten. Zu diesen gehörte sein Kanzler Dr. Simon Pistoris, der seit 1523 eine wichtige Rolle spielte, selbst aber Jurist, kein Theologe war. So zeigt der vorliegende Brief nicht nur, dass sich Georg in seiner Kirchenpolitik eng mit seinen Räten abstimmte, sondern – in seiner Eigenhändigkeit – auch, dass deren theologische Leitlinien unmittelbar vom Landesherren selbst bestimmt wurden.



Edition (Auszug)



Georg von gots gnaden, herzog zu Sachssenn etc. Uns ist deyn schrift zukommen am tag dis jars der geburt Cristi, welches frid und gnad wir dir wunschen, wie du uns getan, und darzu erkentnis deyn selbest. Und wollen uns vors erst bedinget haben, wissen uns auch bey got unserm erlöser in unsern gewissen frey, dieweil wir iczt von dir mit schriften gereyzt, das wir unser antwort nicht tuen aus hassigem gemuet, sondern aus begirlichem willen, dich zu erkentnis deyn selbst zu brengen, an eyniche heucheley, dieweyl wir dir vordechtig, als mochten wir mit heuchelern umbgeben und erfolt seyn. Und geben dir bis los: wo wir dir in dieser unser schrift heucheln werden, so sprich frey, unser weyn schmeckt noch dem faß; so wir aber das nicht tuen werden, so such die heuchler an den orten, do man dich eyn propheten, eyn Danielem, eyn aposteln der Dewczschen, eyn ewangelisten nennet; alhier wirdest du yre nicht finden, die eym heuchler geben, do sich vor 30, 40 person von generet haben. Vor das andere, so bedingen wir uns auch: das wir als eyn leye mit dir in disputacion der schrift geben solten, das wir des nicht gesint seyn; dan wir [Bl. 172v:] in vorzeyten wol vornommen, do David mit Goliat kempen solt, wolt yhne Sawl mit seynem harnischs wapenen und mit seynem eigenen waffen vorsehen; aber David was des nicht gewonet aber geubet, leget den harnisch ab und behalf sich seyns ledersagks, seyner schleuder und steyne, die er im felde zu haufe las, der war er gewont, mit den uberwant er Goliat. Also gedenken wir uns alleyn des in dieser schrift zu gebrauchen, des wir gewont, domit wir erzogen und umbgangen, und auch nicht uncristlich aber unrecht ist. Darumb wir vor allen dingen das nicht ungeefert lassen konnen, das die ehre des allerhochsten antriet und das gesetz, und achten den eyngang deyner schrift und gleychnus, das sichs gar nicht dohin, do du es hindeutest, zihen wil; doch wollen wir solchs den gelerten befelhen. [...]

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe – Briefwechsel, Bd. 3, Weimar 1933, Nr. 956 (Auszug)



Eigenhändiger Brief Martin Luthers an Herzog Georg, den „ungnädigen Fürsten“, vom 3. Januar 1523

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10299/08, Bl. 87

Eigenhändiger Brief Martin Luthers an Herzog Georg, den
„ungnädigen Fürsten“, vom 3. Januar 1523

Auf die Frage des Herzogs, ob Luther ihn in einem gedruckten Sendschreiben als „Wasserblase“ geschmäht habe, antwortet dieser, dass er zu allem stehe, was er gesagt oder getan habe. Georg würde „die christliche warheytt [...] schendlich lestern und verfolgen“. Luther unterzeichnet seinen Brief als „Evangelist aus Wittenberg“, verweigert dem Herzog den üblichen Gruß und tituliert ihn als „ungnediger furst vnd herr“. Das Schreiben markiert den Beginn der langjährigen öffentlichen Auseinandersetzungen mit Georg.



Hintergrund

Das Wormser Edikt vom 8. Mai 1521, mit dem Kaiser Karl V. die Reichsacht über Martin Luther verhängte, verschaffte Herzog Georg eine reichsrechtliche Grundlage für sein Vorgehen gegen den Reformator und dessen Anhänger. In einem gedruckten Missive [Sendschreiben] vom März 1522 verwahrte sich Luther erstmals öffentlich gegen die Verfolgung der evangelischen Lehre durch Georg – damals noch ohne ausdrückliche Nennung von dessen Namen. In dem Schreiben heißt es, der Herzog, „die wasser blaße N.“, sei der größte unter den Tyrannen, „trotzt dem hymell [...] und hatt dem Euangelio entsagt, hatts auch ym synn, er woell Christum fresßen wie der wolff eyn mucken“. Nachdem der Sendbrief in einer zweiten Auflage, diesmal mit Georgs Namen, erschienen war, stellte der Herzog den Reformator am 30. Dezember 1522 in einem Schreiben zur Rede. Dem scharfen und respektlosen Antwortschreiben Luthers vom 3. Januar 1523 fehlen die üblichen Anrede-, Gruß- und Ehrerbietungsformeln, so dass es Georg auch formal als Anmaßung empfinden musste. Der Zwist mit dem Herzog wurde damit unüberbrückbar. Bei einem Treffen mit Graf Albrecht von Mansfeld in Wittenberg äußerte sich der Reformator zwar in einer Weise, die der Graf als Entschuldigung auffasste, doch hat Georg dies nicht akzeptiert und sich bei Kurfürst Friedrich dem Weisen und dem Reichsregiment beschwert – allerdings erfolglos.



Edition



Dem durchleuchtigen hochgepornen fursten vnnd herrn Herrn Georgenn Hertzogen zu sachsen, landgraffen ynn Duringenn und Marggraff zu Meyssen


Jhesus.


Auffhoren zu toben vnd zu wüeten widder Gott und seynen Christ anstatt meynes diensts zuvor! Vngnediger furst vnd herr! Ich hab E. f. v. [Euer fürstlichen ungnade] schrifft sampt dem büchlin odder brieff, ßo ich an Er Harttman [Hartmut] von Cronenberg geschrieben haben soll, empfangen und myr sonderlich den ortt, des sich E. f. v. beschweret, als wichtiger Jniürien, seele, ehre vnd leümutt betreffend, lassen leßen, denn vorhynn dasselb büchlin alhie vnd auch anderswo gedruckt ist. Weyll denn nü E. f. v. begered zu wissen, wes ich darynnen gestendig seyn wolle, Ist kurtzlich meyn anttwortt: Das myrs gleych gillt fur E. f. v., es werde fur gestanden, gelegen, gesessen odder gelauffen angenomen. denn was ich widder E. f. v. handele odder rede, es sey heymlich odder offentlich, erbiete ich mich zu recht vnd wills, ob gott will, auch fur recht erhallten. Gott aber wirtt die gewallt wol finden. Denn wo es e. f. v. ernst were vnd nicht so unhofflich loge, das ich e. f. v. seele, ehre und gutten leumat zu nahe were, wurde sie freylich die christliche warheytt nicht ßo schendlich lestern und verfolgen. Doch ist das nicht das erste mal, das ich von E. f. v. belogen und
boßlich dargeben byn, das ich billicher ursach hette, mich zu beklagen der Jniürien, seele, ehre und guten leumatt betreffend. Aber ich schweyge des alles. Denn myr Christus gepeutt, auch den feynden gonstig zu seyn. Wilchs ich auch bißher than hab mit meynem armen gepett gegen Gott fur E. f. v. Vnd erbiete noch mich E. f. v. zu dienen, womit ich kan, on alles falsch gesuch. Ist das veracht, da kan ich nicht zü. ich werde mich drumb fur keyner wasserblaßen zu tott fürchten, ob Gott will vnd meyn herr Jhesus Christus. der wolle E. f. v. augen vnd hertz erleuchten vnd yhm gesellig und myr eyn gnedigen, gonstigen fursten
machen auß E. f. v., Amen. zu Wittenberg am achten Johannis 1523.

Martinus Luther
von gottes gnaden
Euangelist zu Wittenberg.

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe – Briefwechsel, Bd. 3, Weimar 1930, Nr. 567.

03

Herzog Georgs vergeblicher Kampf



Eigenhändiger Brief Martin Luthers vom 11. April 1533 an die Evangelischen in Leipzig recto

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 88r

Eigenhändiger Brief Martin Luthers vom 11. April 1533 an die Evangelischen in Leipzig 

Der Reformator antwortet hier auf eine Anfrage von Leipziger Bürgern über den Empfang des Abendmahls in beiderlei Gestalt. Der Leipziger Stadtrat erhielt Kenntnis von Abschriften des Briefs, die in der Stadt kursierten. Er beschlagnahmte das Original, das sich in den Händen des Goldschmieds Steffan Steinber befand, und übersendete es am 26. April 1533 an Herzog Georg.





Eigenhändiger Brief Martin Luthers vom 11. April 1533 an die Evangelischen in Leipzig verso

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 88v

Rückseite des Schreibens



Hintergrund

In Leipzig ist ein evangelischer Prediger erstmals 1522 nachweisbar. Aufgrund der
unerbittlichen Verfolgung der örtlichen Lutheranhänger durch Herzog Georg, den
Merseburger Bischof und den Rat konnte die evangelische Bewegung in der Stadt zunächst keinen Fuß fassen. Erst später nahm die Zahl der Neugläubigen zu, über die Georg nun auch die Strafe des Landesverweises verhängte.


Der vorliegende Brief Luthers zeugt von den Gewissensnöten der Evangelischen in Leipzig: Diese hatten den Reformator gefragt, ob sie das Abendmahl mit gutem Gewissen in einer Gestalt nehmen könnten, wie es altgläubiger Brauch war, um damit ihre Obrigkeit zufrieden zu stellen. Das zielte auf Herzog Georg, der sich nach den Worten Luthers „auch vnter steht, die heimlikeit des gewisssen zu erforrschen“. Der Reformator ermutigte die Evangelischen jedoch, „dem teuffel das Creitz In das angesicht [zu] schlagen“, das Abendmahl also weiterhin in beiderlei Gestalt zu empfangen.


Hintergrund der Anfrage war unter anderem ein Befehl Georgs an den Leipziger Stadtrat vom 23. März 1533, der den katholischen Geistlichen die genaue Kontrolle der Kommunikanten befahl. Daraufhin ließ der Rat kleine Marken aus Blech fertigen, die jeder Gläubige nach der Teilnahme am Abendmahl erhielt, um damit seine Rechtgläubigkeit nachzuweisen.



Edition

Den erbaren vnd fursichtigen, meinen guten freunden zu leypzig, So Herzog Georg, des Evangelij feindt, izt vertreybt.


Gnad vnd frid In Christo, der bey euch leyden vnd sterben sol vnd gewisslich aufferstehn wurdt vnd auch regirn! Ich hab vernommen, lieben freund, wie ettlich vnter euch fragen lassen, ob sie mugen mit gutem gewissen ein gestalt des Sacraments entpfahen, vnter dem schein, als hetten sie beyder gestalt entpfangen, Damit euer Oberkeit mocht zufriden gestellt werden.


Weyl ich aber ewr keinen kenne, noch weys, wie ewr hertz vnd gewissen steht, ist das mein bestes bedencken: wer des bericht ist, vnd In seim gewissen fur Gottes wort vnd ordnung hellt, das beyder gestalt recht sey, der sol Ja bey leyb vnd seel nicht wider solch sein gewissen, das ist, wider Gott selbst handlen. Nu aber herzog Georg sich auch vnter steht, die heimlikeit des gewissens zu erforrschen, wer er wol werdt, das man yhn betruge als ein teuffels Apostel, wie man Immer mehr thun kondt. Denn er hat solchs fodderns weder recht noch fug, Und sundigt wider Gott und den Heyligen geist. Aber weyl wir müssen dencken nicht, was andere bose leut thun, es seyen morder und reuber, sondern, was vns zu leyden
vnd thun geburet, So will In disem fall das beste sein, das man troziglich dem morder und reuber vnter die augen sag: Das will ich nicht thun. Nimbst du dir drub mein gut oder leyb, So hast du es eim andern genommen denn mir, dem du es durr bezalen must. Wie Petrus sagt: Ihesus Christus paratus est judicare vinos & mortuos. Darumb far hin, lieber Reuber, was du willt, das will ich nicht, was ich aber will, das wurdt Gott auch ein mal wollen, das solt yhr erfaren. Denn man mus dem teuffel das Creutz In das angesicht schlagen, vnd nit vil pfeiffen noch hoffiern; ßo weys er, mit wem er vmbgeht. Christus vnser Herr der stercke
euch vnd sey mit euch, Amen. Datum wittenburg am karfreytag, 1533.


Doctor Martinus Luther


Manu propria.

Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe – Briefwechsel, Bd. 6, Weimar 1933, Nr. 2009.





„Diese sollen wandern …“ recto

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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 204r


Undatierte Liste mit Namen von Bürgern einer sächsischen Stadt: „Diese sollen wandern …“

Vielleicht handelt es sich hier um Leipziger Bürger, die des Herzogtums Sachsen verwiesen wurden. Sie hatten weder gebeichtet noch das Sakrament empfangen, und wenn, dann nur unter „beyder gestalt“. Die Innenseite des Dokuments enthält die Namen derjenigen, die sich wieder zur alten christlichen Ordnung bekannten. Sie durften bleiben.



„Diese sollen wandern …“ verso

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19-10024,Loc_10300-02,Bl_204verso-205recto.gif
SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/02, Bl. 204r, 205v


Fortsetzung der Liste

Hintergrund

Seit 1524/25 ging Herzog Georg gegen Anhänger Luthers mit der Strafe des Landesverweises vor. Nachdem die evangelische Bewegung in Leipzig, die der Landesherr lange hatte unterdrücken können, größer wurde, mussten auch dortige Bürger ihre Heimat verlassen.



Edition



Diese sollen wandern, dann sie
haben eins theils nit gebeicht,
noch das sacrament empfangen.
Eins theils auch dasselbig unter
beyder gestalt genommen. Und
wollen von yrem furnehmen
nit abesehenn

Grunewaldin
Ditterich Monianin [= die Frau von Dietrich Monian]
Wolff Fuchs yr bruder
Andres Kutler, beutler
Matt[hias] Moritz, schuster
Hans Moßkopff
Sein weip wil bleyben, wo er bleibt
Thomas Schuler, schuster
Lazarus Heugell
sein Haußfrau
Die Symon Aßhelmin [= die Frau von Simon Aßhelm]
Georg Lemberger, mahler
Georg Treutler
Hans Orthell, Schneider
Diese haben gebeicht und communiciret und wollen sich
nach der alten cristlichen ordenunge halten.
Matt[hias] Schulze, schuster, ader Lange Matt[hias]
Urban Pfeffer, Beutler
Vincenz Schöpperitz
Blaßius Ryme, schneider
Wolff Brauer sein weyp
Peter Neyders, nadler
Heinrich Stöer, windenmacher
Gerhardt Wilhelm, barbirer
Fritz Röseler
Leonhardt Kraus hat sich den bischoff absoluiren lassen und wil sampt seinem weybe bey
der alten Ordenung hinfurdt auch bleyben

Daniel Fischer (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden)



Breve Papst Leo X. an Herzog Georg vom 10. Juli 1520 recto

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SächsStA-D, 10001 Ältere Urkunden, Nr. 10280a r

Breve Papst Leo X. an Herzog Georg vom 10. Juli 1520 

Seit 1497 bemühte sich Georg in Rom um die Heiligsprechung Bischof Bennos von Meißen (1010-1106). Nach dem Auftreten Luthers erhoffte er sich von ihr die Festigung des katholischen Glaubens. In diesem Breve („Brief“) begründet der Papst die Verzögerung des Verfahrens. Gleichzeitig lobt er das Vorgehen des Herzogs gegen Luthers Schriften, bestärkt ihn in seiner altgläubigen Haltung und kündigt die Sendung der Bannandrohungsbulle an. Bennos Heiligsprechung wurde am 31. Mai 1523 vollzogen.





Breve Papst Leo X. an Herzog Georg vom 10. Juli 1520 verso

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SächsStA-D, 10001 Ältere Urkunden, Nr. 10280a v

Rückseite des Schreibens



Hintergrund

Die Religionspolitik Georgs zielte auf die Reform der Kirche. Da der Klerus selbst zu
Neuerungen nicht fähig zu sein schien, griff der Herzog mit seinem Kirchenregiment in vielen Bereichen selbst in geistliche Belange ein. Von der Erhebung Bennos von Meißen zum Heiligen, die er beim Papst beantragt hatte, erhoffte sich Georg die Verbesserung des seelsorgerischen Angebots für seine Untertanen. Als sich Luther den Herzog während der Leipziger Disputation zum Feind gemacht hatte, wurde die Heiligsprechung Bennos für diesen zum willkommenen Mittel, um die reformatorische Bewegung zu schwächen.


Im Frühjahr 1520 verstärkten die Kurienprokuratoren des Herzogs den Druck auf die
päpstliche Bürokratie, um das Kanonisationsverfahren voranzutreiben. Der vorliegende Brief Leos X. stellt die Antwort auf deren Bemühungen dar. Auch er verknüpft die Heiligsprechung Bennos mit dem Kampf gegen Luther. Mit seiner Zusage, das Verfahren nun zu Ende zu bringen, verbindet der Papst die Nachricht, er werde in Kürze die Bannandrohungsbulle nach Deutschland schicken.



Übersetzung

Leo papa X.

Dilecte fili, salutem et apostolicam
benedictionem.

Redditae nobis fuerunt litterae, quibus
nobilitas tua non ipsam modo sed eius
quoque genitorem apud nos et
praedecessores nostros Romanos pontifices
et hanc sanctam sedem plurimum elaborasse
affirmat pro canonizatione bonae memoriae
Bennonis episcopi Misnensis doletque
sanctum ac honestum desiderium suum
humani generis hoste, qui sanctis operibus
insidiatur, operante optatum adhuc finem
consequi non potuisse idque in causa
suspicatur, quod nobis persuasum fuerit,
eandem nobilitatem tuam quendam
Martinum Luther, qui contra nos et dictam
sanctam sedem complura falsa et erronea
populis predicare ac non solum, quae falsa
sunt, sed notissimam quoque heresim
sapiunt, scribere ac publicare presumpsit, in
suis ducatibus ac ditionibus excepisse
ipsumque consilio auxilio et favore iuvisse,
cum tamen re vera ipse Martinus nunquam
in dictis ducatibus moram traxerit ipsaque
nobilitas tua episcopis dominii sui ac aliis
commiserit, ut certos tractatus per eundem
Martinum editos et publicatos penitus
exterminarent.

Quibus per literas tuas cognitis, varie afecti
sumus. Nam quod dictum Martinum, quem
post quasdam conclusiones ab omnibus
theologis reprobatas, ut ad nos sub salvo
conductu veniret et dictas conclusiones
coram nobis astantibus aliis et theologis
sustentaret vel eas, si a dictis theologis
convictus fuisset, retractare ac resipiscere
vellet, benigne quidem sed frustra hortati
fuimus, cum ille in sua falsa opinione
persistere ac in reprobo permanere maluerit,
nunquam in tuis ducatibus exceperis nec
eum auxilio, consilio et favore iuveris, quin
immo hereticos eius tractatus ex domino
tuo iusseris exterminari,

plurimum certe gavisi fuimus ipsamque
nobilitatem tuam in Domino benediximus
eamque obsecramus in Domino, ut,
quoniam iam facta est per hanc sanctum
sedem errorum eiusdem Martini partim
heresum partim vehementer bonarum
conscientiarum corruptivorum reprobatio,
quae per literas nostras apostolicas
propediem in istas regiones mittetur, velis
perseverare in hac pia et praestanti erga
Deum et eius fidem ortodoxam voluntate,
ut tua quoque virtute et opera his heresum
incendiis et periculis occuratur, qua tamen
et potestate polles in tuo dominio et in
alienis auctoritate.

Quod autem doles ac etiam conquereris,
petitiones tuas a nobis minime exauditas
fuisse ob falsam aliquam suggestionem et
calumniam de te nobis factam, plurimum
equidem dolemus, cum de te nihil unquam
mali ad aures nostras delatum fuerit et, si
delatum fuisset, non temere id credendum
fore putavissemus, qui de tua ac
pradecessorum tuorum erga nos et dictam
sedem pia devotione optimam semper
habuimus relationem, ac etiam non est
nostri neque moris neque pastoralis officii,
quo Deum imitari, quantum homini licet,
debemus, cuius vices gerimus, causes tales
honorem Dei et sanctorum praemia
concernentes pro nostris privatis
offensionibus posthabere.

Sed nobilitas tua credere debet dilationem
canonizationis dicti Benonis episcopi non
humani generis hostis calliditate factam
fuisse, sed potius divina permissione
evenisse, ut petitiones tue hactenus a nobis
et predecessoribus nostris exauditae non
fuerint, ut videlicet plura et maiora eius
miracula in conspectu hominum
elucescerent eiusdemque gestorum fama
latius pervagaretur ac maiori deinde gloria
per nos ad huiusmodi canonizationis
negocium procedi posset, ad quod,
quantum in nobis est, faciendum et
exequendum prompti semper fuimus ac
nuntios tuos ad nos propterea missos
benigne semper excepimus atque
audivimus. Cum autem canonizatio
sanctorum sit una ex arduis rebus, quae per
Romanos pontifices in hac sede sedentes
cum sacro cardinalium collegio et aliorum
curie praelatorum tractari et expediri
consueverint, nobilitas tua mirari non
debet, si in hanc usque diem non
negligenter sed prudenter et caute prolata
fuit.

Eidem vero nobilitati tuae promittimus,
quod, cum cardinales, quibus negocii
expedicio commissa fuit, processum
absolverint, ut relationem in sacro
consistorio coram nobis et eisdem
cardinalibus referre possint, libenti animo
audiemus de vita moribus et miraculis dicti
Benonis episcopi, quae si talia erunt, ut in
catalogum sanctorum merito ascribi atque
referri debeat, ad huiusmodi canonizationis
negocium alacri animo procedemus idque,
ut speramus, divino spiritu nobis favente
expediemus. Interim nobilitas tua certissime
sibi persuadeat, nos eam tamquam
peculiarem fìlium nostrum in visceribus
charitatis genere illiusque desiderijs,
quantum cum Deo fieri poterit, semper
annuere paratos esse.

Datum Romae apud sanctum Petrum sub
annulo piscatoris die V Juljj MDXX
pontificatus nostri anno octavo.



Edition

Leo X., Papst

Geliebter Sohn, Gruß und apostolischen
Segen.

Man hat uns einen Brief vorgelegt, in dem
Du uns darauf hinweist, dass Du (wie auch
schon Dein Vater) bereits oft bei uns, unseren
Vorgängern und dem Heiligen Stuhl die
Heiligsprechung des verstorbenen Bischofs
von Meißen, Benno, beantragt hast. Du
beklagst nun, dass ein solch heiliges und
ehrenwertes Vorhaben auf das Wirken des
Satans hin noch nicht verwirklicht werden
konnte. Du äußerst den Verdacht, dass wir
glaubten, Du würdest Martin Luther, der
gegen uns und den Heiligen Stuhl gerichtete,
falsche, irrtümliche und erwiesenermaßen
häretische Lehren predigt, in Deinem
Herrschaftsgebiet aufnehmen und sogar
unterstützen. Tatsächlich habe sich jener
Martin niemals in Deinen Landen
aufgehalten, und Du habest Deinen
Landesbischöfen und anderen befohlen, dass
sie bestimmte seiner Schriften verfolgten.

Diese Nachricht hat uns tief berührt. Denn
während wir im Guten – aber vergeblich –
versucht haben, jenen Martin, dessen
Aussagen von allen Theologen abgelehnt
wurden, mit sicherem Geleit nach Rom zu
laden, damit er seine Lehren vor uns und
unseren Theologen vertrete oder, falls er
eines Besseren überzeugt werde, widerrufe,
hast Du ihn, weil er auf seinen falschen
Auffassungen beharrte und lieber in der
Verdammnis leben wollte, in keiner Weise
eine Heimat gegeben oder ihm Hilfe gewährt,
vielmehr befohlen, seine häretischen
Schriften in Deinen Landen zu verfolgen.

Dies freut uns sehr, dafür segnen wir Dich
und beschwören Dich, dass Du bei dieser
frommen, gottgefälligen und rechtgläubigen
Haltung bleibst, denn wir haben die
Irrtümer Martins, die teil häretisch sind,
teils gravierend gegen gutes Gewissen
verstoßen, bereits zurückgewiesen. Dazu
werden wir in Kürze eine Urkunde in diese
Gebiete [nach Deutschland] senden. Auch
sollst Du dem Schwelbrand der Ketzerei mit
seinen Gefahren in Deinen und anderen
Landen mit aller Kraft entgegentreten.

Wir sind sehr betrübt, weil Du darüber klagst,
dass Deine Bitten aufgrund falscher Gerüchte
bisher noch nicht erhört wurden – und dies
umso mehr, als wir bisher noch nie etwas
Schlechtes über Dich gehört haben. Selbst
wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten wir
nicht gewagt, es einfach für bare Münze zu
nehmen, denn über Deine und Deiner
Vorfahren fromme Ergebenheit gegenüber
dem Heiligen Stuhl kennen wir nur das Beste.
Es ist auch nicht unsere Art und entspricht
weder den guten Sitten noch unserem
Hirtenamt, dass wir Verfahren, die zur Ehre
des Herrn und um die Verdienste der Heiligen
willen geführt werden, von unseren
persönlichen Auffassungen abhängig machen.
Denn wir müssen uns, soweit es einem
Menschen erlaubt ist, am Vorbild Gottes,
dessen Vertreter wir sind, orientieren.

Sei versichert, dass die Verzögerung der
Heiligsprechung des erwähnten Bischofs
Benno und die Tatsache, dass wir und unsere
Vorgänger Deine Bitten bisher nicht erhört
haben, weniger durch die List des Teufels als
durch den Willen Gottes zu erklären ist. So
werden nämlich die von Benno vollbrachten
Wunder im Angesicht der Menschen noch
größer erscheinen, so wird sich sein Ruhm
noch weiter verbreiten, und wir können seine
Kanonisation mit noch größerem Recht
betreiben. Dazu waren wir, soweit es an uns
liegt, immer bereit und haben Deine Boten
wohlwollend empfangen und angehört. Weil
eine Heiligsprechung aber eine von vielen
wichtigen Geschäften ist, die die römischen
Päpste nur mit der Zustimmung des heiligen
Kardinalskollegiums und anderen Prälaten der
römischen Kurie vornehmen können, darf sich
Deine Hoheit nicht wundern, dass wir in
dieser Sache bisher nicht nachlässig, sondern
klug und vorsichtig vorgegangen sind.

Wir versprechen Dir, dass wir den Bericht der
Kardinäle, denen wir das Verfahren
übertragen haben, unmittelbar nach dessen
Abschluss im heiligen Konsistorium – mit
allen Informationen über das Leben, das
Verhalten und die Wunder Bischof Bennos –
anhören werden. Wenn es so sein sollte, dass
dieser zu Recht in den Katalog der Heiligen
aufgenommen werden müsste, werden wir die
Kanonisation rasch – und, wie wir hoffen,
mit göttlicher Inspiration – vollziehen.
Zwischenzeitlich sollst Du Du keinen Zweifel
daran haben, dass wir Dir, soviel es in Gott
möglich ist, immer in Liebe geneigt sind.

Gegeben unter dem Fischerring in Rom bei St.
Peter, am 5. Juli 1520, im achten Jahr
unseres Pontifikats.

Dr. Peter Wiegand (Sächsisches Staatsarchiv,
Hauptstaatsarchiv Dresden)



04

Die Bannandrohungsbulle - Höhepunkt von Luthers »römischem Prozess«

Mit der Bannandrohungsbulle erklärt Papst Leo X. insgesamt 41 Lehrsätze Martin Luthers als häretisch. Die Schriften des Reformators, in denen sie enthalten waren, müssen konfisziert und verbrannt werden. Falls Luther seine Aussagen nicht innerhalb von 60 Tagen widerruft, soll er ohne jede weitere Förmlichkeit als exkommuniziert gelten. Für den Fall, dass der Bann tatsächlich in Kraft tritt, sind alle seine Veröffentlichungen – auch die bisher nicht als häretisch geltenden – dem Feuer zu übergeben. Der Reformator und seine Anhänger sind zu verhaften und nach Rom zu senden.

Die Bannandrohungsbulle markiert den formalen Abschluss des Ketzerverfahrens gegen Luther, das seit Anfang 1518 vor dem päpstlichen Gericht anhängig war. Nachdem der Reformator die päpstliche Autorität auf der Leipziger Disputation im Sommer 1519 noch deutlicher als zuvor in Frage gestellt hatte, kam der Prozess erneut in Gang. Im Herbst 1519 berichtete Luthers Disputationsgegner Johannes Eck dem Papst über die Vorgänge in Leipzig und drängte auf eine baldige Verurteilung. Auf der Grundlage von Gutachten der Universitäten von Köln und Löwen erarbeiteten zwei Theologenkommissionen in Rom seit Januar 1521 die Vorlage für den Urkundentext.

Am 2. Mai trug Eck, der wesentlichen Einfluss auf den Inhalt der Bannandrohungsbulle genommen hatte, den Entwurf Leo X. vor. Nach Beratungen im Konsistorium der Kardinäle wurde die Urkunde am 15. Juni 1520 ausgefertigt und am 24. Juli durch Anschlag an der Peterskirche sowie der päpstlichen Kanzlei in Rom erstmals öffentlich bekannt gemacht.

Seit September 1520 verbreiteten päpstliche Gesandte die Bulle in Deutschland – Hieronymus Aleander bei Kaiser Karl V. in den Niederlanden, Johannes Eck in Mittel- und Süddeutschland. Luther lehnte es ab, der päpstlichen Strafandrohung zu weichen. Mit der öffentlichen Verbrennung eines Nachdrucks der Bannandrohungsbulle vollzog er am 10. Dezember 1520 in Wittenberg den schon längst nicht mehr zu kittenden Bruch mit Rom.

Die Widerrufsfrist von 60 Tagen war damals schon abgelaufen. Zu der symbolischen Verbrennungstat entschloss sich Luther wohl deshalb, weil es zuvor in Köln und Mainz zur Verbrennung seiner eigenen Schriften gekommen war. Mit der Veröffentlichung einer seiner berühmtesten Werke – „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ – hatte er schon um den 20. November herum deutlich gemacht, dass von seiner Seite mit keinem Einlenken zu rechnen war. Am 17. November erneuerte der Reformator auch seine erstmals im August 1518 eingelegte Berufung an ein allgemeines Konzil, das anstelle des Papstes das Urteil über ihn sprechen sollte. Mit der Bannbulle Decet Romanum pontificem vom 3. Januar 1521 betätigte der Papst den Eintritt der Exkommunikation.

Die Symbolik des Akts vor dem Wittenberger Elstertor war hoch aufgeladen: Wer die Schriften seiner Gegner dem Feuer übergab, erklärte sie zur Irrlehre. Dies galt als drastisches Mittel gelehrter Auseinandersetzung, aber auch als Strafe für Ketzer. Wittenberger Studenten hatten im März 1518 die Thesen des Ablasspredigers Johann Tetzel in den Scheiterhaufen geworfen, und Luthers eigene Werke waren auf der Grundlage der Bannandrohungsbulle wenige Tage zuvor von Kardinal Aleander in Mainz und Köln verbrannt worden. Hierauf wendete der Reformator diese Waffe gegen den Papst selbst.





Die Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ gegen Martin Luther vom 15. Juni 1520

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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Kurzbeschreibung
Wir bitten Sie, folgende Zitiervorschrift zu verwenden: "SächsStA-D, 10001 Ältere Urkunden, Nr. 10277"
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SächsStA-D, 10001 Ältere Urkunden, Nr. 10277

Hintergrund

Im Sommer 1520 wurden in der päpstlichen Kanzlei mindestens fünf handgeschriebene, mit einer Bleibulle besiegelte Kanzleiausfertigungen der Bannandrohungsbulle hergestellt. Drei dieser Originale sind erhalten: Ein Exemplar, das angeblich zur Erstpublikation der Urkunde in Rom verwendet wurde, findet sich heute im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, ein Exemplar liegt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, eines im Hauptstaatsarchiv Dresden. Vermutlich handelt es sich bei den beiden Originalen in Stuttgart und Dresden um die Exemplare, die der päpstliche Nuntius Aleander aus Rom nach Deutschland brachte. Das Dresdner Exemplar dürfte während des Wormser Reichstags im Frühjahr 1521 von Aleander an Herzog Georg von Sachsen übergeben worden sein.  Die Dresdner Bulle ist bereits seit 1579 im Bestand des heutigen Hauptstaatsarchivs Dresden nachweisbar.

Massenhaft verbreitet wurde die Bannandrohungsbulle im Reich in Form von Drucken. Eck und Aleander brachten sie schon aus Rom mit. Binnen kurzer Zeit wurde der Text auch in Deutschland in mehr als 20 Ausgaben in lateinischer und deutscher Sprache vervielfältigt – sowohl von Gegnern wie auch von Anhängern Luthers. Es war sicherlich eines dieser Druckexemplare, das der Reformator am 10. Dezember 1520 in Wittenberg verbrannt hat.



Übersetzung (in Auszügen)

Leo, Bischof, Diener aller Diener Gottes, zu ewigem Gedächtnis des Geschehenen.

Erhebe Dich, Herr, und führe deine Sache [Ps 74, 22], sei eingedenk der Schmähungen wider Dich, die von den Unweisen den ganzen Tag ergehen, neige Dein Ohr zu unsern Bitten [Ps 88, 3]. Denn es haben sich Füchse aufgemacht [Hohes Lied 2, 15], die den Weinberg zu verwüsten trachten, dessen Kelter Du allein getreten hast [Jes 63, 3], und dessen Sorge, Regierung und Verwaltung Du, zum Vater auffahrend, dem Petrus, als seinem Haupt und Deinem Stellvertreter, und seinen Nachfolgern, an Stelle der triumphierenden Kirche, anvertraut hast [...].

Erhebe auch Du Dich, Petrus, gemäß der Hirtenfürsorge, die Dir befohlen ist [...].

Erhebe auch Du Dich, wir bitten, Paulus, der Du die Kirche mit Deiner Lehre und gleichem Märtyrertod erhellt und erleuchtet hast [...].

Es erhebe sich die heilige Kirche und lege zusamt den allerseligsten Aposteln Fürbitte ein bei dem allmächtigen Gott, daß er geruhe, nach Reinigung seiner Schafe von allen Irrtümern und nach Vertreibung aller Ketzereien aus den Gebieten der Christgläubigen, seiner heiligen Kirche Frieden und Einigkeit zu erhalten. [...]

Wehe, mit unseren eigenen Augen haben wir gesehen und gelesen viele und mannigfach Irrtümer, etliche bereits durch Konzilien und Festsetzungen unserer Vorgänger verdammt, als der Griechen und der Böhmen in sich enthaltend, daneben andere beziehungsweise entweder ketzerische oder irrige oder Ärgernis gebende oder für fromme Ohren anstößige oder für Einfältige verführerische, von Männern vertreten, die als Pfleger des Glaubens sich ausgeben; in Wahrheit aber wollen sie, in stolzer Wißbegierde um Ruhm bei den Menschen geizend, wider des Apostels Lehre weiser sein denn sich gebühret; deren Schwatzhaftigkeit, der Autorität der Schrift entratend, keinen glauben fände, wenn nicht jene ihre verderbende Lehre mit göttlichen, in der Tat freilich nur übel ausgelegten
Zeugnissen zu erhärten schienen. Aber Gottesfurcht ist ihren Augen fremd; es ist
der Feind des Menschengeschlechts, durch den in der edlen deutschen Nation solche Irrtümer neuerdings erregt und kürzlich bei einigen allzu leichtfertigen Menschen ausgesät sind. Solches alles schmerzt uns um so mehr, wie wir wie unsere Vorfahren die deutsche Nation sonderlich ins Herz geschlossen haben. Denn durch die römische Kirche ist das Kaisertum an die Deutschen gekommen, und seitdem haben unsere Vorgänger wie wir gerade unter ihnen immer wieder Schirmherren und Sachwalter gefunden. Dafür zeugen die löblichen Gesetze der deutschen Kaiser über die Freiheit der Kirche und die Bestrafung und Ausrottung der Ketzer, deren Erfüllung von vornherein uns und sie diese jetzigen mißlichen Handels enthoben hätte.

Dafür zeugt die Verbannung eines Wyclif, eines Hus und Hieronymus auf dem Konzil zu Konstanz, dafür all das Blut, das im Kampf gegen die Böhmen auf deutscher Seite geflossen ist. Dafür zeugt die ebenso gelehrte wie wahre Widerlegung und Verdammung der genannten Irrtümer durch die Universitäten zu Köln und Löwen [...].

Demnach, entsprechend dem Hirtenamt, das durch göttliche Gnade uns befohlen ist, sind wir nicht in der Lage, das tötliche Gift genannter Irrtümer ohne schwere
Schädigung des heiligen christlichen Glaubens weiter zu dulden oder mit
Stillschweigen zu übergehen, und haben darum etliche aus ihnen herauszugreifen für unsere Pflicht gehalten, die also lauten:

I. Das ist ein ketzerische meinung, aber eine geubte und gemeine, die sacrament des neuen testaments geben denen die rechtfertig machend gnad, die nicht
verhindernis daran thun.

II. Verlaugnen, das in dem Kind nach der tauf die sund bleibe, ist sant Pauel und den herren Christum gleich untertreten.

III. Die erbsund, wie gleich kein wurklich sund folgt, verhindert die seel von dem leib sich abschneidend vom eingange des himels.

IV. Die unvollkommen liebe des menschen, der sterben wil, tregt von notwegen mit ir ein grosse forcht, die von allein gnugsam ist, zu machen die pein des fegfeuers, und verhindert den eingang des reichs der himelen.

V. Das dreu teil der buss seint, die reu, beich und genugtuung, ist in der heiligen schrift nicht gegrundt noch in den heiligen christlichen lerern.

VI. Die reu, so zuwegen gebracht wird durch die erfahrung und den hass der sunde, domit einer bedenket sein jaer der bittrickeit seiner selen mit betrachtung und bewegung der swere der sunden, der manchfeltickeit der unreinickeit, des verlusts der ewigen selickeit und erlangung der ewigen verdamnus, dise reu machet meher ein gleisner [Heuchler, Blender], ja ein sunder.

VII. Das ist das warheftigst sprichwort und furtrefflicher den aller lerer ler von der reu, das nimmer thun ist die hochst bus, die beste bus und ein neues leben.

VIII. Du solt dich in kein weg unterwinden, die tegliche sunde zu beichten, ja auch nit alle totliche sunden, dan es ist unmuglich, das du alle todtsunde erkennest, derhalben sie im anfang der christlichen kirchen allein die offentlich totsunden beichten.

IX. Wen wir wellen alle sunde rein beichten, so thun wir nichts anders, dan das wir barmherzigkeit Gottes nichts wellen lassen zu vergeben.

X. Die sund seint niemals vergeben, er glaub dan, wen in der prister enbindt, sie sein im vergeben; ja die sunde bliebe, wen er es nit davur hielt, sie wer im vergeben, dan die vergebung der sund gab der gnaden ist nit gnugsam, sunder man muss auch glauben, das die sund vergeben sei.

XI. Du solt dich in keine wegk vertrösten, das du von wegen deiner reu entbunden seist, sonder von wegen des wortes Christi: ‚alles, das du wirdest auflösen‘ etc. Alhie mustu glauben, soe du des priesters absolvieren erlangest, und glaub festiglich, du seist absolviert und entbunden, wo wirdestu warhaftiglich absolviert sein, es sei umb die reu, wie es wolle.

XII. So, welchs doch unmuglich ist, ein beichtend mensch nicht reu het und ein
priester einen nicht mit ernst, sunder im schimpf absolviert, wen er allein glaub sich absolvirt sein, so ist er warhaftig absolviert.

XIII. Im sacrament der buss und vergebung der schult thut der babst und bischof nichts mer dan der weinigst priester, ja wo nicht ein priester ist, ebensowol ein itlich christlich mensch, wen er gleich ein weib oder kind were.

XIV. Niemant sol dem priester antworten, das er bereit ist, so sol es der priester auch nicht fragen.

XV. Es ist ein grosser irthumb dern, die zu dem sacrament des hochwirdigen warn
lichnams alsoe gehen, sich auf das verlassen, das sein gebeicht haben, das sei sich keiner totsund schuldich wissen, das sei ir gebet zuvor gebet haben und sich bevor beraidt; ‚dieselbigen essen und trinken es alle inen zu verdamnis‘. Sonder wen sie glauben und des vertrauens seint, sie wollen dadurch die gnade gottes erlangen, derselbig glaub machet sie allein rein und wirdich.

XVI. Mich bedeucht gut sein, das die christlich kirch in einem gemeinen concilien
beschloss und aufsetzt, den leien das hochwirdich sacrament unter beder gestalt
zu geben. Es seint auch die Behem, die unter beider gestalt das sacrament nemen, nicht ketzer, sonder schismatici oder sondermeinends

XVII. Die schetze der kirchen, davan der babst den ablass gibt, seint nit die verdienst Christi und der heiligen.

XVIII. Ablass ist ein gutiger betrug der christglaubigen und underlassung ader
erlassung guter werk und ist von der zahl der ding, die man mag gebrauchen, und
nicht der nutzbarn. // (Bl. a iij)

XIX. Der ablass dient denen, die in wahrhaftiglich erlangen, nicht zu der
erlassung der pein vur die wurkliche sund von gott verfallen.

XX. Die werden verfurt, die doe glauben, das der ablass heilbar und zu frucht des geist nutz und dinstlich sei.

XXI. Der ablass ist allein von nöten zu den offenbarn grossen todtsunden und wirt
eigentlich allein den hartmudigen und ungeduldigen verlihen.

XXII. Der ablass ist sechs geschlechten der menschen wider von nöten noch nutz, als nemlich den toten, den, die itz sterben werden, den kranken, den, die aus redlichen ursachen verhindert seint, den, die grasse heubtlaster, aber nit offentlich, geubt haben, den, die doe nit laster betriben, und den, die
bessere werk thun.

XXIII. Der ban ist allein ein eusslich peen und straf und beraubt den menschen nicht der gemeinen geistlichen gebet der kirchen.

XXIV. Man sol die christen lernen, den ban meher zu lieben, den zu forchten.

XXV. Der babst, ein nachkommer sant Peters, ist nicht ein stathalter uber alle kirchen der ganzen welt, von dem heren Christo in sant Peters verordent.

XXVI. Das wort des heren Christi zu sant Peter: ‚alles, das du wirdest auflösen‘ etc., wird allein erstreckt zu dem, das von sant Peter ist bescheiden worden.

XXVII. Das ist gewiss, dass es in der gewalt der kirchen ader des babst nit gar steet, artikel des glaubens zu machen, ja auch nit gesetz ader rechten der sitten oder guten werken.

XXVIII. Wen der babst also oder also meint und demnach nit irret, dennoch ist es noch nit sunde oder ketzerei, anderer meinung sein, bevor in einem ding, das nit von noten ist zu der selickheit, bis durch ein gemein concilium eins verworfen und das ander bestetigt wird.

XXIX. Uns ist der weg gemacht, den gewalt der concilien auszulegen und frei wider ir handlung zu reden und ir satzung zu urteiln und trotzlich zu bekennen alles, was uns fur wahrhaftig ansicht, es werd von den concilien verworfen ader aber bestetigt.

XXX. Etlich artikel Johansen Huss im concilien zu Costenz [Konstanz] verdampt,
seint die allerchristlichsten, warhaftigsten und evangelisch, die auch die ganz gemein Christenheit nit mucht verdammen.

XXXI. Der gerecht sundigt in einem itlichen guten Werk

XXXII. Ein gut werk aufs best bescheen ist ein tegliche sund.

XXXIII. Die ketzer zu vorbrennen, ist wider den willen des heiligen Geists.

XXXIV. Mit den Turken kriegen und streiten ist Got widerfechten, der unser sund durch sie besucht.

XXXV. Niemals weiss gewisslich, das er nit totlich sundige von wegen des
allerhemelichsten lasters der hoffart

XXXVI. Der frei wil nach der sund ist ein dink allein mit dem namen und titel, und wen er thut, was in im ist, so sundigt er totlich.

XXXVII. Das fegfeur kan aus der waraftigen heiligen schrift nicht beweist werden.

XXXVIII. Die selen im fegfeur seint nicht sicher und gewiss irer selickeit zuvor alle; es ist auch nit durch einig vernunftig bedenken, ursachen ader schriften beweist, das sie ausshalb des stands des verdiensts ader der lieb zu mern seint.

XXXIX. Die selen im fegfeur sundigen an unterlass, so lang sie rue suchen und sich vor den peinen entsetzen.

XL. Die selen, durch hulf der lebendigen gelöset, werden weniger geseligt, den wen sie durch sich selbst genug gethon hetten.

XLI. Die gestliche prelaten und weltliche fusten teten nicht ubel, wen sie alle
bettelsack abteten.

[...]

[...] Derhalben, unter Zustimmung unserer ehrwürdigen Brüder Kardinäle, Vorsteher der Mönchsorden, Doktoren der Theologie und Doktoren beider Rechte, aufgrund der Autorität des allmächtigen Gottes und der seligen Apostel Petrus und Paulus und unserer eigenen, verdammen, verwerfen, verurteilen wir die genannten Artikel und Irrtümer, alle insgemein und jeden einzelnen als beziehungsweise ketzerisch oder ärgerlich oder irrig oder frommen Ohren anstößig oder für Einfältige verführerisch oder wollen sie von allen Christgläubigen beiderlei Geschlechts also angesehen wissen, unter Androhung des bereits ausgesprochenen großen Bannes [...].

Und weil genannte und viele andere Irrtümer in den Büchlein und Schriften eines Martin Luthers enthalten sind, so verdammen, verwerfen und verurteilen wir alle genannten Büchlein und alle Schriften und Predigten des genannten Martinus, ob in lateinischer oder sonst irgendeiner Sprache, [...]

und gebieten, bei obigen Strafen, allen Christgläubigen beiderlei Geschlechts, sich in keinerlei Weise zu unterstehen, solche Büchlein, Predigten oder Schriftstücke zu
lesen, darüber zu predigen, sie zu bejahen oder gar zu loben, sie zu drucken oder sonst zu veröffentlichen oder sie iregendwie oder irgendwo zu besitzen.

Vielmehr sollen sie sie, sofort nach Kundgebung dieser Bulle, fleißig aufsuchen
und sie in Gegenwart des Geistlichen und Laien feierlich verbrennen, wieder bei allen obengenannten Strafen.

Was aber den Martinus anlangt lieber Gott, was haben wir unterlassen an väterlicher Liebe, um ihn von seinen Irrtümern zurückzurufen? Wir haben ihn hierhin zitiert, um aufs gütlichste mit ihm zu verhandeln, wir haben ihn wiederholt durch unsere Legaten wie brieflich ermahnt, von seinem Irrtum abzustehen oder doch unter Zusage sicheren Geleites und auf unsere Kosten, ohne Furcht und Scheu, die ja die vollkommene Liebe austreiben müßte, zu uns zu kommen und frei öffentlich sich vor uns auszusprehcen. Wir sind überzeugt, hätte er es getan, er wäre zu sich selbst gekommen und hätte seine Irrtümer eingesehen. [...]

Aber er ist dauernd ungehorsam gewesen, hat jede Einladung in den Wind geschlagen, verachtet, zu kommen [...],

ja er hat in seiner Frechheit zu einer Appellation an ein künftiges Konzil sich
fortreißen lassen, entegen den Verordnungen Pius II. und Julis II., wonach solche
Appellanten als Ketzer gestraft werden sollen. (Vergebens ruft doch auch der das
Konzil an, der öffentlich erklärt, einem solchen keinen Glauben schenken zu
wollen!) Mithin könnten wir wider ihn, der wahrlich genügsam verdächtig, ja ganz
eigentlich ein Ketzer ist, ohne weiteren Verzug mit aller Strenge verfahren.

Nichtsdestoweniger haben wir, in Nachahmung der Güte Gottes, die nicht will
den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, und unter Nichtachtung aller Beleidigungen des päpstlichen Stuhles, beschlossen, noch einmal Güte walten zu lassen und so viel an uns ist, daranzusetzen, daß jener von seinen Irrtümern lasse und wir so ihn wie jenen verlorenen Sohn im Gleichnis wieder in den Schoß der Kirche aufnehmen können.

Mithin vermahnen und beschwören wir bei der Barmherzigkeit Gottes und bei dem
Blute Jesu Christi Martinus und alle seine Anhänger, daß sie aufhören möchten, der Kirche Frieden, Einigkeit und Wahrheit zu stören, um welche der Heiland so fleißig den Vater gebeten hat, und sich von den verderblichen Irrtümern gänzlich zu trennen. So sie wirklich Gehorsam leisten und solches Gehorsams uns durch sichere Beweise versichern, so sollen sie wahrhaftig bei uns väterliche Güte und einen offenen Born der Milde und Freundlichkeit finden.

Wir befehlen Martin auch von nun ab, dass er von jeglicher Predigt und seinem
Predigtamt Abstand nimmt. Falls ihn nicht die Gerechtigkeits- und Tugendliebe von der Sünde befreit, die Hoffnung auf Gnade zur Buße führt und die Furcht vor Strafe zum Gehorsam, so befehlen wir mit aller Strenge und unter Androhung der oben aufgeführten Strafen, dass sich Martin und seine Anhänger innerhalb von 60 Tagen (20 für einen ersten, 20 für einen zweiten und 20 für einen letzten Termin),
gerechnet vom Aushang dieser Urkunde an den oben genannten Orten, von ihren
Irrtümern abwenden, auf deren Predigt, Veröffentlichung, Verteidigung und
Drucklegung verzichten und alle Bücher und Schriften, die oben genannte Irrtümer enthalten, verbrennen oder verbrennen lassen. Martin muss darüber hinaus alle seine Irrtümer widerrufen, über den Widerruf ein offizielles, von zwei hohen Kirchenfunktionären beglaubigtes Dokument ausstellen und uns dieses
innerhalb einer Frist von weiteren 60 Tagen übersenden oder uns unter freiem
Geleit, das wir hiermit aussprechen, persönlich überbringen (was wir bevorzugen würden), damit über seinen wahren Gehorsam keinerlei Zweifel verbleibt.

Wenn er aber, was Gott verhüten wolle, Martinus und seine Anhänger anders
handeln oder auch nur den genannten Termin nicht innehalten, so erklären wir, in
Nachfolge der Lehre des Apostels [Tit 3, 10], der gebietet, einen ketzerischen Menschen nach ein- oder zweimaliger Zurechtweisung zu meiden: Martins und seine Anhänger sind dürre Reben, die am Weinstock Christi nicht bleiben, sie, die eine dem christkatholischen Glauben feindliche und verdammte Lehre predigen, zu nicht geringer Beleidigung der göttlichen Majestät und zum Nachteil der
gesamten Kirche und des christkatholischen Glaubens, und die Schlüsselgewalt der Kirche gering achten; sie, die hartnäckige Ketzer gewesen und geblieben sind; und demgemäß verdammen wir sie und wollen sie von allen Christgläubigen beiderlei Geschlechts also als Verdammte angesehen wissen, und unterstellen sie all den Strafen, die das Recht in diesem Fall verhängt.

Weiter verbieten wir allen Christgläubigen, auch solche Schriften des Martinus, die
obige Irrtümer nicht enthalten, als dennoch stark verdächtige, und damit sein Gedächtnis gänzlich ausgetilgt werde, zu lesen, zu verkündigen, zu loben oder doch in Schutz zu nehmen, zu veröffentlichen und zu drucken, oder sie unter irgendeinem Vorwand im Hause aufzubewahren; vielmehr soll man auch sie verbrennen.

Wir ermahnen weiter die Christgläubigen, einzeln wie insgesamt, bei Strafe des
gleichen Bannes, diese obengenannten Ketzer, wenn sie nicht unseren Geboten sich noch unterwerfen, nach Ablauf obiger Frist gänzlich zu meiden, von jeglichem Handel, ja von jedem Gespräch mit ihnen, überhaupt von jeder Berührung mit ihnen sich fernzuhalten, auch des Leibes Nahrung und Notdurft ihnen zu weigern.

Und damit der genannte Martin und alle, die von dieser Urkunde betroffen sind,
keine Unwissenheit vorschützen können, soll diese Urkunde an der Peterskirche und der päpstlichen Kanzlei in Rom sowie an den Toren der Domkirchen von
Brandenburg, Meißen und Merseburg ausgehängt und veröffentlicht werden.

Dabei ordnen wir an, dass, wenn die Veröffentlichung wie beschrieben
vollzogen wurde, der genannte Martin und alle anderen, die von der Bulle betroffen sind, in der Weise angegangen werden sollen, als sei ihnen diese Urkunde am Tag ihrer Publikation persönlich vorgelesen und zugestellt worden, denn es kaum anzunehmen, dass ein so offenes Verfahren von ihnen nicht zur Kenntnis genommen würde.





Druck der Bannandrohungsbulle mit Publikationsmandat des Merseburger Bischofs Adolf von Anhalt (1458 – 1526) vom 10. Januar 1521

Drucker: Melchior Lotter d. Ä., Leipzig

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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Kurzbeschreibung
Wir bitten Sie, folgende Zitiervorschrift zu verwenden: "SächsStA-D, 10024, Geheimer Rat, Loc. 10299/08, Bl. 6 "
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SächsStA-D, 10024, Geheimer Rat, Loc. 10299/08, Bl. 6

Druck der Bannandrohungsbulle mit Publikationsmandat des Merseburger Bischofs Adolf von Anhalt (1458 – 1526) vom 10. Januar 1521, (Drucker: Melchior Lotter d. Ä., Leipzig)

Nachdem Johannes Eck im September 1520 den Text der Bulle in Mitteldeutschland bekannt gemacht hatte, hielten sich die sächsischen Bischöfe zunächst zurück. Erst nach der Verbrennung der Urkunde durch Luther ergriffen sie Vollstreckungsmaßnahmen. Bischof Adolf von Merseburg gab einen Plakatdruck in Auftrag, den er unter anderem in Leipzig öffentlich aushängen ließ.



Hintergrund

Selbst die Luthergegner unter den deutschen Fürsten waren zunächst wenig geneigt, die Vollstreckung der Bannandrohungsbulle zu unterstützen. Sie sahen ihre Autorität durch das Auftreten der päpstlichen Nuntien Aleander und Eck in Frage gestellt und fürchteten Unruhen in der lutherfreundlich gesinnten Bevölkerung. Vielerorts kam es erst im Frühjahr 1521, nach der Verbrennung der Bannandrohungsbulle durch den Reformator, zu entschlosseneren Maßnahmen der Obrigkeit.

Nach dem Vorbild des römischen Originaldrucks erschienen damals auch in Deutschland eine Reihe von Nachdrucken und Übersetzungen der Urkunde. Einige stammten von Anhängern Luthers, andere waren von Bischöfen in Auftrag gegeben worden, um die Strafmaßnahmen gegen Luther publik zu machen.

Während diese alle in Heftform gestaltet waren, ließen Bischof Johann VII. von Meißen und Bischof Adolf von Merseburg für ihre Diözesen zu Beginn des Jahres 1521 Plakatdrucke herstellen, die für den Aushang an den Kirchentüren bestimmt waren. Sie wurden am 23. Januar 1521 in einer abgestimmten Aktion veröffentlicht, unter anderem in Leipzig (Bistum Merseburg), Torgau, Döbeln und Görlitz (Bistum Meißen). Zeitgenössischen Berichten zufolge haben Anhänger Luthers die bischöflichen Drucke vielerorts heruntergerissen.

In Leipzig begann man am gleichen Tag mit der Verbrennung von Veröffentlichungen Luthers. Da der Reformator inzwischen als exkommuniziert galt, mussten nicht nur die Werke, die in der Bannandrohungsbulle als häretisch erklärt wurden, sondern alle seine Schriften vernichtet werden.

Johann von Meißen und Adolf von Merseburg haben den Plakatdruck wohl gemeinsam bei Melchior Lotter d. Ä. in Auftrag gegeben. Der Drucker fertigte zwei unterschiedliche Versionen. Eine trägt die Beglaubigung des Meißner Bischofs vom 7. Januar 1521, die andere die des Merseburger Bischofs vom 10. Januar 1521. Der Satz des Urkundentexts ist jeweils identisch. Das Plakat besteht jeweils aus vier bedruckten Blättern, die zusammengeleimt werden mussten. Das hier ausgestellte Merseburger Exemplar weist ein Gesamtformat von 42,0 x 76,5 cm auf.

Das bisher einzige bekannte Exemplar des Meißner Plakatdrucks liegt im Ratsarchiv Görlitz. Es wurde am 23. Januar 1521 an die Tür der Görlitzer Petrikirche geheftet. Der bisher unbekannte Merseburger Plakatdruck gehört zum Bestand des Hauptstaatsarchivs Dresden.



05

Luthers Persönlichkeit im Hauptstaatsarchiv

Archive verwahren die Schriftzeugnisse Luthers und seiner Gegner in ihrem ursprünglichen Kontext. Hierhin gelangten sie mit den Akten fürstlicher Kanzleien wie der Herzog Georgs von Sachsen.

Mit der Konzentration seiner Akten- und Urkundenbestände in der Residenz Dresden hatte Herzog Georg schon um 1505 eine wichtige Grundlage für die dauerhafte Sicherung schriftlicher Verwaltungsüberlieferung geschaffen. Die Unterlagen der landesherrlichen Behörden kamen nach 1574 in das Geheime Archiv, einem Vorläufer des heutigen Hauptstaatsarchivs Dresden.

Als der Reformator zur monumentalen Gestalt wurde, begannen Archivare, die persönlichen Zeugnisse seines Wirkens auch aus historischem Interesse zu sammeln. So könnte zum Beispiel die eigenhändige Hausrechnung Luthers in den Bestand des Hauptstaatsarchivs Dresden gelangt sein.





Martin Luthers eigenhändige "Hausrechnung" mit Einträgen aus den Jahren 1535 bis 1542

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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Kurzbeschreibung
Wir bitten Sie, folgende Zitiervorschrift zu verwenden: "SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 08703/07"
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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 08703/07

Martin Luthers eigenhändige „Hausrechnung“ mit Einträgen aus den Jahren 1535 bis 1542

In diesem als „Hausrechnung“ bekannten Dokument stellt Luther einige seiner Ausgaben zusammen. Sie ist erstmals in einem zwischen 1702 und 1718 entstandenen Archivinventar des Geheimen Archivs in Dresden nachweisbar. Beiliegende Abschriften aus dem 18. Jahrhundert lassen darauf schließen, dass es ursprünglich zur Berechnung der vom Reformator zu zahlenden Türkensteuer an den kurfürstlichen Hof in Torgau gesendet worden war. Vermutlich wurden sie dem Geheimen Archiv in Dresden beigefügt, als man sich dort um 1723 aus historischem Interesse mit Luther befasste. Beim Einband der „Hausrechnung“ handelt sich um die Reste eines mittelalterlichen Pergamentkodex. Durch die Reformation überholte theologische und liturgische Handschriften wurden häufig als
Umschlagmaterial von Akten „recycelt“.

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Hintergrund

Die eingeführte Bezeichnung als „Hausrechnung“ verdankt das Dokument seinem ersten Herausgeber, dem verdienten Lutherforscher Johann Karl Seidemann. Seidemann war sich zwar sicher, „daß wir kein bloßes Fragment vor uns haben“, dennoch aber ist der Charakter der eigenhändigen Niederschrift Luthers eher notizenhaft. So fällt eine Zweckbestimmung schwer. Da die „Hausrechnung“ Angaben aus den Jahren 1535 bis 1542 enthält, wird vermutet, dass Luther die Aufstellung im Kontext der Abfassung seines Testaments vom 6. Januar 1542 vornahm.


Konkrete Angaben macht die „Hausrechnung“ vor allem zum Immobilienbesitz Luthers. Danach ist auch denkbar, dass sie im Zusammenhang mit einer Grund- und Vermögenssteuerschatzung des Reformators entstand. Tatsächlich hatte Luther von Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen im Frühjahr 1542 das Angebot erhalten, von der Zahlung der Türkensteuer befreit zu werden. Deren Höhe wurde nach dem Mobiliar- und Immobiliarvermögen des Steuerpflichtigen veranschlagt, über das dieser selbst Rechenschaft abzulegen hatte.



Edition



[B l . 3 r ] Die Leute sind grob, Die Welt ist vndanckbar.
Darumb sollen nach meinem tod Mejn kethe oder meine kinder Dem Rat vnd stad (wo ein Pharao auff keme, der von Joseph nichts wissen wollte) furhalten
Erstlich, das sie von mir haben ein grossen raüm auff der gassen fur meiner thur, Der des klosters gewest ist, so weit als des Rymers Heuslin an dem thor heraus reicht vnd herauff bis zu Ende Braunens haus,
[ B l . 3 v ] Zum Andern, das sie den gantzen raüm dieses Hauses nach meinem tode Vnd Braünen Hauses zuvor vnter das Bürgerrecht kriegt haben, Welchs alles vorhin gantz frey gewest ist,
Zum dritten, das ich nu bey dreissig iaren prediger gewest, nichts von yhnen genomen zu lohn vnd wenig geschenckt, als ettlich tausend zigel oder kalck, Vnd also von dem meinen yhnen gedienet, offt ynn der pestilentz bey yhn blieben.“
Darumb sie sich hüten mugen fur Vndanckbarkeit, Oder sie werden wenig gluck haben.
Meine Hand
[ B l . 4 r ] Ob nach meinem tode gefragt wurde, Wo des klosters hausgerete hin komen sey, Sol man also Antworten:
Erstlich,
Das zinenen gefesse vnd kuchen gerete mit anderm hausrat haben mir die Visitatores geschenckt. Aber es ist ym Anfang des Evangelij also zu wustet, das ich fur das obrige, mir geschenkt, nicht hette xx fl geben wollen, Wolts auch dafur wol besser gezeugt haben, Ist auch bis aüff diesen tag nicht auff gehoret wegzuschleiffen kannen, Schusseln, bratspies, groppen vnd was yderman hat ergrappen konnen, das Meine mit zu.
[ B l . 4 v ] Dofür mir ierlich abgebrochen vnd ynn den gemeinen kasten geschlagen sind ix alt ß vnd was mehr einem prediger geburt. Hab also bis daher wol bey 15 iaren vmb Gottes willen vnd vmbsonst gedienet der kirchen, Stad vnd vniversitet, mit predigen, lesen, schreiben etc., Das mein auch wol zu gesetzt, Wir lassen genugen, das mir m. g. herr auch vmbsonst aus gnaden, Ja vmb Gottes willen hat gegeben. Denn S. k. f. g. nicht ist Schuldig gewest der kirchen vnd stad einen solchen kost auff yhren prediger zu wenden.
Das mus ich also rhumen vmb boser vndanckbar leute willen. Denn wie man mir dancken wird nach meinem tode, sehe ich bey meinem leben wol, Da ettlichen leid ist, das sie nicht haben, das mir Gott gegeben, vnd sie nichts dazu gegeben haben, Damit man solchen bosen vndanckbarn leuten das maul stopffe vnd sie schamrot machen konne, Sonst haben mir das mehrer teil bürger vnd der vniversitet alle thugent vnd ehre erzeigent, Des ich yhn hertzlich dancke vnd Gott sie wol belohnen wird.
[ B l . 5 r ] Züm andern,
Der kirchen schmück vnd gerete, wie wol auch viel vnd das beste daüon komen war, Hab ich zuletzt die besten Cafeln, so fur handen gewest, verkaufft, nicht viel uber funffzig gulden dafur kriegt, Damit ich die Nonnen vnd Munche (Diebe vnd Schelcke mit unter) gekleidet, gespeiset vnd versorget, mit solchem grossen nutz, das ich das meine vnd 100 fl, so mir M. g. h. Hertzog Hans zus haushaltung schenkt, gar weidlich habe zu gesetzt.
[ B l . 5 v ] Darumb sol man hierin niemand nichts zu oder nach rechnen. Sonderlich meiner kethen nicht. Sie hat nichts davon, denn den grossesten Schaden. Was sie aber itzt hat, das hat sie selbs gezeuget neben mir. Wird daruber yemand einen zanck gegen sie fur nemen, der wirds nicht thun als ein from man, Sondern als ein Heintz von Wolffenbuttel, Vnd Gott wird wol yhn zu finden wissen, Amen.
Meine hand
[ B l . 6 r ] Der Rat hat mir ettlich mal stein vnd kalck gelihen.
Als ich nu offt vmb rechnung gebeten vnd zu bezalen erbotten, haben sie es ymer sagen lassen, Es durffe keiner rechnung, bis das der Burgermeister Herr Krappe vnd der Stad Schreiber Urban mir mundlich angezeigt, Es sollt alles schlecht sein. So hab ich auch dazu mal vnd wil hie mit freundlich gedanck haben. Wo sie es aber mit der zeit vergessen vnd bezalung fordern wurden, So mus Mein kethe oder kinder herhalten vnd meinen Danck wider zü sich nemen. Hec autem 1542. Post et alia mutuo dedit.
[ B l . 6 v ] Anno 1536.
Halff ich Greger Tyschen sein Heüflin keüffen vmb hundert gülden. Die erste angifft gab ich fur yhn, Nemlich 40 fl, der selbigen xx von meinem solde, vnd xx von Moritz geborget, Die ich yhm desselben iars widergab. Mit den andern xx weiset ich Gregor Tyscher an den gemeinen kasten, dem ich xx fl schuldig war vnd damit bezalet habe, Die andern xx solt er mir abarbeiten. Folgende fl hernach hat Moritz fur mich dargestreckt, Nemlich
xx fl anno 1538
x fl anno 1539
x fl anno 1540
x fl anno 1541
x fl anno 1542 ich selbs
50. Die haben sie mir geschenckt, Moritz cum sotiis.
[ B l . 7 r ] Gebawet ym hause:
130. Braw haüs
Braw gerete
20 Stall pferde
kue
Sew
5 Thorbuden
Badstublin mit Wanne
Stande doneben
Fesslin
130 Der grosse keller, sampt dem schaden
50 Der Newe keller vnd brechelohn
100 Die ober stube vnd kamer
40 Die unter stube
20 Die Treppe zwey mal
5 Mühm Lehn stüblin mit kamern, Schorsten
5 Craffts Stüblin
5 Johannes Stublin
5 Platon Stublin
400 Garten am Hause vnd brun vnd
100 Gedielet breter
10 Der wein keller
130 Das Dach
400 Das new haus
250 Braunen haus geflickt 70 fl kaufft vnd Greger
leicht gerechent
[ B l . 7 v ] 17. 44.
Gekaüfft
Garte Claus Wildenhawers
900 fl mit haus vnd allem gebew, brun, zaün, saffran vnd ander unkost
20. fl Wolffs garten
90. fl Hufe
100 fl pferd, geschirr, Viehe
100 fl Linwat, flachs
[300 Sind noch zu bezalen an Braunen haus]
[ B l . 8 r ] Nota
Wunderliche rechnung gehalten zwischen Doc. Martin vnd Kethen
Anno 1535
1536
Das waren zwey halb iar
90 fl beiden pfarrher zu Rokit vnd Dobrun fur getreide, da sie weg zogen,
90 fl fur die hufen
20 fl fur Linwat
30 fl fur schwein
28 fl Mume Lehne gen Bernaw
29 fl C Kockeritz fur ochsen
10 fl Valt Mollerstet bezalet
10 fl geleidsman bezalet
8 taler M Philip bezalet
40 fl fur Greger Tisscher
26 Universitet bezalet
389 fl.
Rat: Wo kompt dis geld her? Solt das nicht stincken vnd schuld machen?
praeter alia victualia.
[ B l . 8 v ] In hoc mundo Solus Maritus est Vir & Heros,
Sola Vxor est Mulier & Herois.
Caeteri & Caeterae sunt peppen, tantum suos ventres alendo,
Et vt casus aliquando fert, furentes potius quam heroibus similes.
Igitur
Maritus Audiat et Audeat istud psal. 26. Expecta dominum, viriliter age, Confortetur Cor
tuum & sustine dominum.
Nam Oeconomia Est Altrix politiae & Ecclesię. Cato dicit Agricolas esse fortissimos viros.
[ B l . 9 r ] Es gehort gar viel ynn ein haus,
Wiltu es aber rechen aus,
So mus noch viel mehr gehn heraus.
Des nim ein Exempel mein haus.
Gib geld
korn kraut Saltz
gersten, hopffen kol holtz
hauer Moren kolen
hew ruben Stroe
Weitzen Zippel fisch durr
Mehl Mon fisch grun
Wein petersilien Fleisch ynn Schernn
bier karbey Brod
Erbeis kumel Semel
hanff, flachs Ochsen Nagel
grutz Schwein hocken
graupen gense Eisenkram
Reis huner Honig
hirsen Endten Talck
zücker Vogel garn
Würtz tauben wachs
saffran Eyer öle
Obs butter
[ B l . 9 v ] Gib geld
Fleischer zu Schlachten Topffer Bettlern
Schuster Muller Dieben
Schneider Tisscher Breüten, Hochzeit
Kursner Linweber gevatter,
Buttiger gurtler Geschenck
Schmid grob Beütler Gastung
Schmid klein Apoteker Buchfurern
Balbirer Artzt Buchbindern
Bader preceptor Jarmarck
Glaser Maurern S Niclas
Messerschmid Zimerleuten knechten
Seyler Taglonern Megden
Riemer Zigel Jungfern
Satler kalck Knaben
Tuchmacher Dachzigel Hirten
Gewandschneider Bawholtz Sewschneider
Tuchscherer Latten
Brawer Bret
[ B l . 1 0 r ] Gib geld
Linwat Becken gabbeln
Wette kessel grabscheit
feddern pfannen Fass lere
zinen kannen schauffeln Haus fesser, gelten
Schussel Schupen Eymer
Teller Mulden Brawgerete
Leuchter Radbarn Geschirr, wagen
Grobe stuck;
Hochzeit machen Son
Tochter
Freundin
seyden ecum suis
Kremer Sammet
Wurtz
[ B l . 1 1 r ] Ich armer man so halt ich haus:
Wo ich mein gelt sol geben aus,
Da durfft ichs wol an sieben ort,
Vnd fehlet mir allweg hie vnd dort.
Thu, wie dein Vater hat gethan:
Wo der wolt einen pfennig han,
Da fand er drey ym beütel bar,
Damit bezalet er alles gar,
kein heller wolt er schuldig sein,
So hielt der haüs vnd lebet fein.
Thu, wie dein Vater hat gethan:
Wo der solt einen pfennig han,
Da Must er borgen drey dazu,
Bleib ymer schuldig Rock vnd Schu.
Das heist denn haüsgehalten auch,
Das ym haüfe bleibt kein feur noch raüch.
[ B l . 1 1 v ] Zum besten tünget der mist das feld,
Der von des Herren fussen felt.
Das pferd wol fein gefuttert wird,
Wo yhm sein herr die augen gibt.
Der frawen augen kochen wol,
Wol mehr, denn magd, knecht, feur vnd koln.



„Newe tzeitung“

Aus der Sammlung von

Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

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Kurzbeschreibung
Wir bitten Sie, folgende Zitiervorschrift zu verwenden: "SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10297/16"
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SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10297/16


„Newe tzeitung“ – Nachricht eines Unbekannten an Herzog Georg aus den ersten Tagen des Jahres 1522

Es ist wohl der erste Bericht über Luthers Auftreten in weltlichen Kleidern als „Junker Jörg“. Unter anderem heißt es darin, der Augustinermönch habe sich „die platt verwachssen lassen“ (seine Tonsur zuwachsen lassen) und trüge inzwischen einen langen Bart.

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Hintergrund

Herzog Georg hielt sich Anfang 1522 in Nürnberg auf. Seine Räte informierten ihn dort schriftlich über neue Ereignisse („newe tzeitung“) in der Heimat. Der vorliegende Bericht wurde vor dem Hintergrund von Unruhen verfasst, die Ende 1521 in Wittenberg entstanden („Wittenberger Bewegung“). Dort zogen damals zahlreiche Kleriker ihre Konsequenzen aus Luthers Reformschriften und brachen ihre Ehelosigkeits- und Ordensgelübde. Zum äußeren Zeichen ließen sie sich ihre Tonsur – eine kahlrasierte Stelle auf dem Kopf, die sie als Angehörige des geistlichen Stands auswies – zuwachsen. Auch der Wittenberger Theologe Andreas Karlstadt plante in diesen Tagen zu heiraten. Weihnachten 1521 feierte er mit angeblich 2000 Gläubigen den ersten evangelischen Gottesdienst, in dem das Abendmahl in beiderlei Gestalt – mit Brot und Wein – gereicht wurde.


Unter dem Decknamen „Junker Jörg“ befand sich Luther damals auf der Wartburg. Anfang Dezember 1521 besuchte er heimlich Wittenberg und hieß die Entwicklung in seiner Heimatstadt zunächst gut. Nach dem vorliegenden Bericht soll er auch in Leipzig gewesen sein. Der anonyme Verfasser erwähnt ausdrücklich, dass Luther ebenfalls mit vollem Haar und Bart umhergehe – so wie es die zeitgenössischen Porträts des „Junker Jörg“ aus der Hand von Lucas Cranach zeigen.


Nach Erhalt der „tzeitung“ ließ Herzog Georg umgehend Ermittlungen darüber anstellen, ob Luther tatsächlich in Leipzig gewesen war. Als es im Februar 1522 in Wittenberg sogar zu Bilderstürmen kam, hielt der Reformator im Folgemonat in der Stadt seine bekannten Invokavitpredigten, mit denen er die aus seiner Sicht ausufernde Wittenberger Bewegung zu bremsen suchte. Damals trug er wieder die sauber rasierte Tonsur. Aus seinem eigenen Orden, dem Augustinereremitenorden, ist Luther erst 1524 ausgetreten.


Zur gleichen Zeit teilte Herzog Georg seinen Amtleuten in einem gedruckten Mandat zur Verfolgung der Anhänger Luthers die Erkennungsmerkmale der evangelischen Bewegung mit: Dazu gehörten die Verheiratung der Priester, der Empfang des Kelches durch Laien und die Tatsache, dass Mönche wie Luther selbst in weltlicher Kleidung umhergingen.



Edition (Auszug)



Newe tzeitung. Martin Lutter hat die kappe außgetzogen, die platt vorwachssen lassen, eyn langen bart getzogen, gehet in gantz wertlichen kleydern, reyt mit dreyen pferden im harnisch, ist kurtzlich alßo zu Wittenbergk gewesen. Solhes haben mir glaubhafft edel- vnd andre leut, die yn alßo geßehn, fur gantze
warheit angesaget.


Er soll auch am tag Thome appostoli [21. Dezember 1521] heimlich zu Leiptzk
gewesen ßein.

Doctor Karlstat hat am Cristage [25. Dezember 1521] zu Wittenbergk in der pfarkirchen eyn messe, die ßie ewangelisch nennen, in wertlichen kleydern, ane alle ornat, auch ßunder cerimonien gehalten, da biß in IIM mentzschen vnder beyderley gestalt bericht. Ist yme auch eyn partickel an die erde gefallen, des er gar nicht geacht vnd gesaget hat: Es liege, wo es wolle, ßey es eben gleich, das man nuhr mit fuessen nit darvff trete.


Karlstatt, dem ist an Sant Steffans [26. Dezember 1521] tage eyne erbare junckfraw, doch nit fast hubsch vnd arm, des geschlechts von Mochaw, Cristoffn von Mochaw zu Segraen [Seegrehna, Ortsteil von Wittenberg], eyn meyl von Wittenbergk, gesessen, muheme, zu der ehe vortrawet; wirdet suntags nach Prisce virginis schirsth [19. Januar 1522] seyn ehelich beylager haben.


Er hat auch die platt vorwachssen lassen vnd lest ßich horen: Wo das furnhemen mit der ewangelischen messe nit furgang haben wirdt. woll er keyn andre messe mehr halten vnd zu Wittenbergk eyn hauß kauffen, ßich da mit brawen vnd schenken gleich ein ander pawer ernehren.

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Diese Ausstellung wurde am 01.06.2021 veröffentlicht.



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