Die Kunst als Brücke zwischen den Kulturen
Mir ist zu Ohren gekommen, oh ihr glücklichen, weisen Leser. Möge euch ein langes Leben beschert sein. Eines Tages, als der Tag erwachte und die Sonne lachte, machte sich ein Theatermann aus der Stadt Fès mit einem fliegenden Teppich aus Stahl und Metall auf den Weg in die Ferne. Er wurde von einem Künstler aus seiner Stadt eingeladen, um neue künstlerische Perspektiven zu entdecken und seinen kulturellen Horizont zu erweitern. Er kehrte dem Sonnenaufgang den Rücken und wendete sein Antlitz Richtung Sonnenuntergang, bis er die Stadt im Abendland, Hannover, 1991, erreichte. Es war eine gewaltige Wendung in seiner künstlerischen Vorstellung, wie auch in seinem allgemeinen Leben. Jetzt erst begriff er, dass er sich im Land der großen Dichter, Denker und Künstler befand. Nietzsche, Hegel, Marx, Goethe, Schiller, Brecht, Zuckmayer, Fassbinder, Wim Wenders ... der, der ihre Werke schon in seiner Geburtsstadt gelesen und gesehen hatte.
Die Faszination von den Werken dieser Genies war schon in seiner Heimat groß und doch vergingen einige Jahre, bis er deren Werke in deren Muttersprache lesen konnte. Mit der Zeit und den Fortschritten in der Sprache des neuen Landes, wurde er immer gieriger und durstiger nach mehr Wissen. Er verschlang alles, was er über die alte und neue Heimat und vor allem über seine Geburtsstadt Fès lesen konnte. Durch das Lesen erwachten in ihm Erinnerungen aus der Vergangenheit und Kindheit und so stellten sich viele Fragen in Verbindung mit seinem neuen Leben in der neuen Heimat: „ Wohin mit all diesen Gefühlen, der Sehnsucht, dem Heimweh und der Nostalgie?“ Nach vielen Bemühungen begann er langsam, seine Theateraktivitäten, in der Sprache der neuen Heimat, fortzusetzen und auf der Suche nach einem neuen Horizont, schloss er sich unterschiedlichen Theaterkarawanen an und reiste mit ihnen durch Täler, Flüsse und Berge, segelte auf den Meeren der Bühnen des Landes; von Nord nach Süd und von Ost bis West. Es war ein schönes Gefühl, wieder in seinem Fach, im eigenen künstlerischen Element zu sein.
Es ist schön, Stücke der anderen zu spielen oder zu inszenieren, aber was ist mit seiner eigenen Kultur? Wie kann er diese den anderen Menschen in diesem Land vermitteln und verständlich darstellen? Er fühlte sich gegenüber seiner alten Heimat verpflichtet, deren Kultur, Sitten, Gebräuche und Denkart den Menschen in der neuen Heimat nahezubringen, wie auch die Kultur dieses Landes seinen Landsleuten zu erklären. Nach langem Suchen und Überlegen, fand er die Antwort in dem vielfältigen Garten der Erzählung. Das harmonierte mit seiner Person, denn er stammt selbst aus einer Familie, die die mündliche Kultur der Erzählung pflegt. Und so konnte er, durch Geschichten und Märchen inspiriert, von seiner ursprünglichen Kultur und auch von den Übersetzungen beider Sprachen, eine Brücke zwischen der Kultur des Morgen- und Abendlandes schlagen. Jetzt hat mich die Morgendämmerung erreicht, ich werde schweigen – aber nicht für immer, nur bis zum nächsten Abend, zur nächsten Geschichte.