Recycling mittelalterlicher Handschriften im 16. und 17. Jahrhundert
Der Handel mit Pergamenthandschriften als Material für Bindungen nahm seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts einen starken Aufschwung. Die Entwicklung des Buchdrucks steigerte den Bedarf enorm. Im Zuge der Reformation verloren viele liturgische Handschriften ihre Funktion. Klöster wurden aufgelöst und Kirchengemeinden traten zum evangelischen Glauben über.
Nach Auflösung der Klöster wurden die scheinbar wertlosen Pergamente, auch ganze Pergamentcodices, zweckentfremdet. Buchbinder lösten aus den Holzdecken Bogen für Bogen und verwendeten das Material zur Heftung von Kirchenrechnungen oder als schützenden Einband für Kirchenbücher.
Der wichtigste Einbandwerkstoff war das beschriebene Pergament. Papier als Werkstoff findet sich eher als Stärkung in Einbänden, selten als äußerer Einband.
Heute gelten die damals recycelten Handschriften als hohe Zeugnisse kultureller Tradition. Anders im 16. Jahrhundert, als sich der Buchdruck ausbreitete. Viele bisher nur als Handschrift vorliegende Texte waren nun in „modernen“ Ausgaben verfügbar. Wer die Mittel hatte, ersetzte das Manuskript durch einen Druck. Die nun häufig als Einband verwandten Schriften waren durch die Liturgiereformen des Konzils von Trient unzeitgemäß geworden. Die Festlegung auf ein Einheitsbrevier 1568 (Brevier = Gebetsbuch) und ein Einheitsmissale 1570 (Missale = Texte der Messe für das liturgische Jahr) führten dazu, dass die Handschriften ihre eigentliche Funktion verloren. Als Folge der Reformation wurde die Bedeutung des Lateinischen als Sprache der Kirche zudem zurückgedrängt.