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Bauhaus-Universität Weimar
Universität Erfurt

Wir sind Teil der Geschichte

Über die Ausstellung "Gefesselte Blicke. Filmplakate der 1920er Jahre" - von Katrin Richter

Die Ausstellung sei »Doppelt vintage«, sagte eine Studentin, nachdem sie ihren Text über ein Filmplakat bei der Vernissage »Gefesselte Blicke. Filmplakate der 1920er Jahre« vorgestellt hatte. Die Ausstellung war am 14. Juni 2023 in der Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar eröffnet worden und wird ab November 2023 auch in der Universitätsbibliothek der Universität Erfurt zu sehen sein. Gezeigt werden Filmplakate aus den Jahren 1919 bis 1932, und damit sind sowohl Staunen und Faszination als auch Widersprüche, Irritationen und Ablehnung vorprogrammiert. Staunen und Faszination, weil der einstige Gebrauchsgegenstand längst zum seltenen Sammlungsobjekt aufgestiegen ist und die großformatigen, teilweise originalen Plakate durch ihre Farbigkeit, Typografie und Themensetzung beeindrucken. Widersprüche, Irritationen bis hin zur Ablehnung, weil die Objekte nicht in jedem Fall mit unseren heutigen demokratischen Wertevorstellungen übereinstimmen und Betrachter*innen und Projektbeteiligte andere Sichtweisen als die damaligen vertreten können und müssen. Grundsätzlich zählen Stummfilme und ihre Plakate zu den herausragenden historischen Quellen, die uns Einblicke in die Kinowelt und damit in die Lebenswelt der Menschen vor 100 Jahren geben. Immerhin handelt es sich um Zeugnisse, die unsere Urgroßeltern sahen, die sie moralisch prägten und damit in gewisser Weise auch uns.

Eine Ausstellung zur Weimarer Stummfilm-Retrospektive »Lob dem Lichtspiel«

Das Leinwandgeschehen Weimars vor 100 Jahren im universitären Kontext zu erforschen, dieses Vorhaben wurde seit den 100-Jahr-Feierlichkeiten der Gründung der Weimarer Republik und der Gründung des Staatlichen Bauhauses im Jahr 2019 verstärkt in Angriff genommen. Gemeinsam mit lokalen Akteur*innen wie dem Lichthaus Kino, dem Stadtarchiv Weimar und dem Stummfilm-Musiker Richard Siedhoff initiierten wir – Simon Frisch, Gerrit Heber und ich von der Bauhaus-Universität – die Weimarer Stummfilm-Retrospektive im Rahmen des Kunstfest Weimar. Die von Expert*innen und Musiker*innen begleiteten Stummfilm-Vorführungen im Lichthaus Kino stießen auf ein reges Interesse, sodass die Veranstaltungsreihe fortgesetzt und um Aufführungen mit der Staatskapelle Weimar und der Thüringen Philharmonie Gera-Eisenach im Deutschen Nationaltheater Weimar erweitert wurde. Darüber hinaus gab es im Lichthaus Kino flankierende Ausstellungen, um die einzelnen Filme mit Texten und reproduzierten Abbildungen darzustellen. Das sollte die Aufmerksamkeit von Kinogänger*innen stärker auf das deutsche Stummfilmerbe lenken, von welchem heute nur etwa zehn Prozent erhalten sind. Nicht selten stellen Filmplakate mittlerweile das einzige materielle Zeugnis eines Filmes dar. Umso folgerichtiger gestaltete sich unsere Intention, einmal originale Filmobjekte aus der Weimarer Republik ausstellen zu wollen. Mit dem Experten des Weimarer Kinos Patrick Rössler, Professor an der Universität Erfurt, konnten wir einen wichtigen Partner ins Boot holen, um das kooperative Projekt von Bauhaus-Universität Weimar und Universität Erfurt zu entwickeln und umzusetzen.

Ausstellungsorte sind die Universitätsbibliotheken Weimar und Erfurt

In der Folge legten wir die Universitätsbibliotheken in Weimar und Erfurt als Ausstellungsorte fest. Sie sind öffentliche Bildungsorte, zu denen alle Menschen kostenfreien Zugang haben. Auch verfügen beide Einrichtungen über besondere filmwissenschaftliche Bestände: das Filmkunstarchiv Heimo Bachstein in Weimar und die Sammlung Filmpublizistik in Erfurt. Diese Sammlungen sind in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Portal »Wissenschaftliche Sammlungen« als »einzigartige Zeugnisse der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte sowie bedeutender Teil des kulturellen Erbes" (Die Zahlen basieren auf einer Statistik des Portals »Wissenschaftliche Sammlungen« vom 3.9.2022. [https://portal.wissenschaftliche-sammlungen.de/kennzahlen; abgerufen 23.8.2023]) nachgewiesen. Derzeit sind 1.132 Sammlungen an 77 deutschen Universitäten registriert, allerdings befinden sich darunter keine Sammlungen des frühen Kinos. Diese sind vor allem in Filmarchiven und Filmmuseen aufzuspüren.
Weiterhin gibt es an beiden Bibliotheken in Weimar und Erfurt vielfältige Ausstellungserfahrungen. Exemplarisch seien Ausstellungen genannt, die sich mit der Film-Thematik befassten: Zunächst die Ausstellung »Filmkunstarchiv Heimo Bachstein. Einblicke in die Sammlung eines Enthusiasten«, die 2015 aus einem Seminar heraus entstand und die in eine Publikation, eine Ausstellungsbeteiligung an der Akademie der Künste Berlin
und weiterführende Seminare zur Kontextualisierung der 50.000 Objekte mündete (Katrin Richter: »Wie kommt eine Sammlung in ein Buch? Die Schenkung Heimo Bachstein der Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar«, in: AKMB-News. Informationen zu Kunst, Museum und Bibliothek 23 (2017) H. 2, Düsseldorf: AKMB, S. 49–53). Ferner wurden in der 2016 in der Universitätsbibliothek Weimar durchgeführten Ausstellung »frame by frame« die Texte von Weimarer Studierenden der Medienkultur und Mediengestaltung typografisch und künstlerisch aufgearbeitet, die auf der Grundlage von Eindrücken der Exkursionen zu den Internationalen Filmfestspielen von Berlin für die studentische Zeitschrift Kinoheft entstanden waren. In der Universitätsbibliothek Erfurt wurden mit den groß angelegten Ausstellungsprojekten »Die Sprache des Stummfilms« (2006) und »Die Bilder des Tonfilms« (2014) – ebenfalls zurückgehend auf jeweils zweisemestrige Forschungsseminare – bereits zahlreiche Ephemera aus der Filmpublizistik des 20. Jahrhunderts präsentiert.

Die Ausstellung ist Teil der universitären Lehre

Von Anfang an war klar, dass die Ausstellung zu den Filmplakaten der 1920er Jahre ebenfalls eine Möglichkeit für die universitäre Lehre bietet, sich anhand cinephiler Objekte mit verschiedenen Aspekten der frühen Filmkultur zu befassen und diesen experimentellen Ansatz weiter zu etablieren.
Bereits vor dem Beginn des Sommersemesters 2023 war der Schwerpunkt bei der Plakatauswahl auf die Thematiken Rollenverhältnisse und Geschlechterdifferenzen durch den Titel »Gefesselte Blicke« fixiert worden, um eine Eingrenzung des Materials vorzunehmen. Diese Entscheidung lag auch in den Erfahrungen mit dem kooperativen Projekt QUEER.LIT begründet, das zwei Semester zuvor von Weimarer Studierenden initiiert worden war, um auf die queer-feministische Literatur der Universitätsbibliothek Weimar hinzuweisen und Denkanstöße anzuregen.
Für die Ausstellung »Gefesselte Blicke« sah das Konzept der Lehrenden aus Weimar und Erfurt nun vor, dass die Studierenden zunächst aus einem Fundus von 80 Plakaten 39 Motive auswählten, mit denen sie sich schließlich intensiver auseinandersetzten und die für die Ausstellung vorgesehen wurden. Weiterhin gab es eine Einteilung in zwei Gruppen, um die Aufgaben des Recherchierens sowie die Aufgaben des Schreibens innerhalb der Textwerkstatt von Kathleen Kühn wahrzunehmen. Auch wurden die Studierenden mit der Praxis des Ausstellens vertraut gemacht, indem sie beim Ausstellungsaufbau mitwirkten.
Zur Eröffnung der Ausstellung am 14. Juni 2023, zur Langen Nacht des wissenschaftlichen Schreibens am 22. Juni 2023 und im Rahmen der summaery-Jahresschau der Bauhaus-Universität Weimar am 14. Juli 2023 präsentierten die Studierenden den Stand ihrer Texte und stellten sich damit einer interessierten Öffentlichkeit. Anschließend ließen sie die Hinweise der Zuhörer*innen in ihre Texte einfließen und formten diese weiter aus, um sie in eine druckreife Version für die nun vorliegende Publikation zu überführen.

Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen

Wird mit der Ausstellung Geschichte vergegenwärtigt? Dürfen Plakate öffentlich gezeigt werden, auf denen stereotype, diskriminierende Begriffe zu sehen sind? Dürfen Plakate gezeigt werden, deren Filme als verschollen gelten? Könnten darin vielleicht Ansichten vertreten werden, die mit unseren heutigen freiheitlichen Vorstellungen nicht übereinstimmen? Zählen diese dann noch zu dem zu bewahrenden, kulturellen Erbe dazu oder sollten sie besser abgehängt werden? Dürfen Objekte überhaupt gezeigt werden, bevor sie wissenschaftlich kontextualisiert sind? – Und was heißt eigentlich »Doppelt vintage«? Ist damit gemeint, dass die teilweise hundertjährigen Plakate heute besonders gefragt sind, weil wir durch sie Geschichte studieren können?
Die Ausstellung »Gefesselte Blicke« gibt uns die Möglichkeit, in gesellschaftliche Diskurse mit Universitätsangehörigen, der Stadtgesellschaft und kulturinteressierten Personen einzutreten, uns über das Gesehene auszutauschen, Narrative aufzubrechen und auch das Heute – gemeinsam mit unterschiedlichen Akteur*innen – zu reflektieren. Diese kollektiven Prozesse sind wichtig, um einerseits neues Wissen zu generieren. Andererseits können wir uns anhand der medienhistorisch interessanten Filmplakate auch als Teil der Geschichte und unserer Geschichten begreifen. Die Filmwissenschaftlerin Prof. Dr. Heide Schlüpmann beschrieb diese Auseinandersetzung der Gegenwart anhand historischen Filmmaterials in ihrer Eröffnungsrede anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung des ersten deutschen Kommunalen Kinos in Frankfurt am Main am 16. Juni 2022 wie folgt:

»Das Kino hat einmal als Massenkino begonnen und hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Ort von Menschen verschiedenster Herkunft, gleich welchen Alters und Geschlechts entfaltet. Von diesem massenkulturellen Phänomen Kino sind wir weit entfernt, weiter denn je, den Trend konnten auch die Multiplexe nicht aufhalten. Doch wir haben Zeugen der Zeit eines solchen Kinos: das sind die Filme, die es geschafft haben, Verschleiß und Zerstörung zu überdauern. Heute auf die Leinwand projiziert, vergegenwärtigen sie auch ein Geschichte-gewordenes Publikum. Filme sind nicht als unser Besitz zu sehen und zu nehmen, sie gehören der Geschichte an, deren Teil wir sind. Statt blind in ihr zu leben, öffnen sich ihr im Kino unsere Augen.«

(Heide Schlüpmann: Das Kino des DFF – 50 Jahre Geschichte. Eröffnungsvortrag anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung des ersten deutschen Kommunalen Kinos in Frankfurt am Main, 16.6.2022. [https:// www.dff.film/50-jahre-koki; abgerufen 8.8.2023]).


Und wie die Filme gehören die in der Ausstellung »Gefesselte Blicke« und in dem vorliegenden Katalog gezeigten Filmplakate zu unserer Geschichte dazu.



Was wir auf alten Filmplakaten sehen können

von Simon Frisch

Was sehen wir auf den Plakaten aus den 1920er Jahren, aus einer Zeit, die hundert Jahre zurückliegt? Wir wissen nicht, wie eine Welt ist, in der es kein Internet gibt, kein Fernsehen, Telefone sind rar, überall fahren – so sehen sie für uns jedenfalls aus – Oldtimer herum, auch Pferdefuhrwerke auf den Straßen sind normal, in den meisten Häusern gibt es kein fließendes Wasser, auch keine Waschmaschinen, keine Kühlschränke und so weiter und so fort. Können wir sicher sein über das, was wir auf den Plakaten sehen, wenn wir sie heute einfach so anschauen? Wir können diese Plakate eigentlich kaum so erleben und sehen, wie sie die Menschen damals erlebt haben. Die Plakate haben sie ins Kino gezogen. Sie haben die Filme gesehen. Wir können heute die meisten von ihnen nicht mehr sehen, rund 90 Prozent der Filme aus der Frühzeit des Kinos sind verloren.
Über diese Plakate aus den 1920er Jahren legen sich Filter und Schleier unseres Wissens und unserer Fantasien über ›diese Zeit‹. Objekte, Bilder und Texte aus der Vergangenheit sind uns oft Belege dafür, was wir über eine Zeit denken. Sie werden zu Komplizen unserer Meinungen. Auf einem sehen wir den Nationalsozialismus sich ankündigen, auf einem anderen eine unterdrückte Frau, woanders Militarismus, wieder auf einem anderen sehen wir Rassismus oder exotistische Projektionen. Wir sind geneigt, in den Plakaten, die hundert Jahre alt sind, Stereotypen und Vorurteile zu finden, vor allem solche, die wir meinen, heute überwunden zu haben.
In Erzählungen verbinden wir Ereignisse zu Geschichten. Und diese erzählten Geschichten haben einen Anfang und ein Ende, von dem her alles Sinn bekommt. Die Geschichten führen wo hin und sie gehen aus. Von dem Ende aus wird Bewertung möglich. Wir haben uns heute daran gewöhnt, einen Weg von Caligari zu Hitler zu zeichnen – selbst wenn wir Siegfried Kracauers Buch nicht kennen (Siegfried Kracauers Studie From Caligari to Hitler, die er im Exil in den USA schrieb, wurde 1947 in englischer Sprache in den USA veröffentlicht. 1958 erschien eine gekürzte deutsche Ausgabe, 1979 die erste vollständige Ausgabe in deutscher Sprache. 2014 brachte Rüdiger Suchsland einen essayistischen Dokumentarfilm über das Kino der Weimarer Republik unter dem Titel »Von Caligari zu Hitler« heraus). Wir bohren unsere Blicke in die Bilder jener Zeit und finden Spuren und Hinweise auf das, von dem wir wissen, dass es kam. Und wir genießen es, schlauer zu sein als die Zeitgenossen, weil wir zu wissen meinen, wie es ausging. Aber Geschichte geht nicht aus, Geschichte verläuft. Sie hat keine Dramaturgie, sie ordnet die Ereignisse nicht an, strukturiert sie nicht. Die historische Zeit geht chaotisch, üppig und verschwenderisch vor sich. Wie die Natur produziert sie von allem zu viel: zu viele Ereignisse, zu viele Akteure, zu viele Aussagen, zu viele Handlungen, zu viele Absichten, andauernd und gleichzeitig, ohne Kontur und ohne Ordnung. Die Ordnung und die Lesbarkeit entstehen durch uns.
Es liegt immer eine gewisse Ambivalenz, in der wir an Universitäten lehren und studieren, dass wir die Blicke in erlernbare Formen und Rahmen einfassen. Wir sehen, was wir zu sehen gelernt haben. So haben wir über die Geschlechterverhältnisse im Film beispielsweise gelernt – seit wir alle den berühmten Text »Visuelle Lust und narratives Kino« von Laura Mulvey gelesen haben –, dass das Kino die Geschlechter ordnet: dass Frauen angeschaut werden im Kino und dass Männer handeln. (Laura Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema, in: Screen, Volume 16, Issue 3, Autumn 1975, S. 6–18. (Deutsche Ausgabe: Visuelle Lust und narratives Kino, in: Liliane Weissberg (Hg.): Weiblichkeit als Maskerade. Frankfurt am Main: Fischer, 1994, S. 48–65)). Dass Frauen in Filmen passiv sind, damit sie angeschaut werden, und dass Männer die Handlung vorantreiben. Laura Mulvey hat uns auch das irritierend deutliche Zitat von dem Westernregisseur Budd Boetticher überliefert:

»›Es zählt das, was die Heldin auslöst, nicht das, was sie repräsentiert. Sie ist der Grund, [...] dessentwegen der Mann das tut, was er tut. Aus sich heraus hat die Frau nicht die geringste Bedeutung‹«.

(»What counts is what the heroine provokes, or rather what she represents. She is the one, or rather the love or fear she inspires in the hero, or else the concern he feels for her, who makes him act the way he does. In herself the woman has not the slightest importance.«, ebd., S. 11)


Der Text gilt heute als ein Manifest der feministischen Filmtheorie. Sie schreibt ihn 1973, aber über klassische Hollywoodfilme der 1930er und 1940er Jahre. Ihre Diagnose ist deutlich: Die Filme der klassischen Traumfabrik artikulieren einen Blick, der erstens genau zwei Geschlechter – Mann und Frau – profiliert und zweitens diese in Schauende und Angeschaute aufteilt. In der Hinwendung zu historischen Gegenständen sagen wir oft: Heute sind wir weiter, und finden dann im Vergangenen überall Rückständigkeit. Aber sind wir heute weiter? Und wo ist hinten, wo ist vorn? Was für ein Gelände ist das? Wie kommen wir darauf, darin Richtungen einzutragen?

Die Filmemacherin Nina Menkes stellte auf der Berlinale 2022 einen Dokumentarfilm über Geschlechterstereotype im Film vor, in dem sie zeigt, dass Mulveys Diagnose noch aktuell ist (»Brainwashed: Sex-Camera-Power« (Nina Menkes, USA 2022)). Der Male Gaze prägt die Filme bis heute, und vor allem nicht nur in Filmen von Männern. Ein Beispiel ist der Film LOST IN TRANSLATION von der feministischen Regisseurin Sofia Coppola aus dem Jahre 2003, der die weibliche Protagonistin (Scarlett Johansson) mit einer Einstellung auf ihren Hintern in einer transparenten Unterhose einführt, während die männliche Hauptfigur (Bill Murray) mit einer Nahaufnahme auf das Gesicht vorgestellt wird. Der Male Gaze scheint selbst feministischen Filmemacherinnen völlig selbstverständlich zu sein. Männer zum Anschauen sind im Kino selten. Schauwerte sind Männer vor allem im Sport oder im Kampf (»Maxi Braun, die fragmentierte Frau«, in: epd Film. [https://www.epd-film.de/tipps/2023/arte-mediathek-brainwashed-sexismus-im-kino; abgerufen 25.8.2023]).

Auf den Plakaten der Ausstellung sehen wir den SCHNEIDIGEN KERL DER JAZZ-ZEIT im Degenduell, Männer in Flugzeugen AM RANDE DES TODES oder einen dynamisch rennenden Charlie Chaplin in THE PILGRIM. Die Frauenfiguren auf den Plakaten posieren überwiegend und sind zum Anschauen da: DIE DAME MIT DER MASKE präsentiert sich im knappen Kostüm, die KLEINE VOM BUMMEL sucht unseren Blick auf sich und ihre Performance mit Saxofon und Zylinder zu ziehen. In MANOLESCU wird die Frau von einem Herrn im Hintergrund lüstern angeschaut; eine Frauenminiatur auf der Hand des HERRN DER NACHT wird das Objekt seines – und auch unseres – Blickes, und in den GEHEIMNISSEN DES ORIENTS ist eine Frauen- figur ein erotisches Ornament. Ambivalenter ist der Blick von KIKI, die uns direkt anschaut und auch die »Schauspielerin« sitzt ihren Liebhabern nicht gerade passiv gegenüber (DIE LIEBSCHAFTEN EINER SCHAUSPIELERIN). Brigitte Helm, die sich selbst gegen passiv-erotische Frauenrollen gewehrt hat, ist auf mehreren Plakaten unterschiedlich dargestellt. Und schließlich zeigen die Plakate der Filme EIN WALZERTRAUM und BOMBEN AUF MONTE CARLO Frauenfiguren, die sich gar nicht um unsere Blicke kümmern. Beim genaueren Hinsehen finden wir aber auch nicht viel virile Agilität auf den Plakaten. Die meisten Herren stehen steif da – selbst der Actionheld Harry Piel sitzt auf dem Plakat in einem Auto.
Es ist denkbar, dass in den 1920er Jahren die Verteilung der Geschlechter und der Blicke nicht so eindeutig war, wie wir heute meinen. Denkbar ist auch, dass sich Weltbilder nicht in eine Richtung entwickeln oder ›fortschrittlicher‹ werden. Denkbar ist weiter, dass Laura Mulvey aus der Empfindung ihrer eigenen Gegenwart der 1970er Jahre heraus die klassischen Filme der 1930er und 1940er Jahre anschaut. Denn die Deutung von historischen Gegenständen steht selbst immer in einem Kontext und hat selbst eine Geschichte.
Für den Ansatz, aus populären Produkten Zeitdiagnosen zu ziehen, bildet die Psychoanalyse eine Basis, und sie tut es bis heute, auch da, wo der Bezug nicht mehr explizit hergestellt wird. Den Ausgangspunkt bildet Siegmund Freuds Traumdeutung, in der es um die Aufdeckung von unterbewussten Wünschen und Begehren geht, die sich im Traum in Geschichten und Bildern äußern. Da der Traum in erster Linie der »Hüter des Schlafs« ist, werden diese Wünsche, so die These Freuds, in der Traumarbeit codiert, verdichtet und verfremdet, damit die Person in Ruhe schlafen kann und nicht von eventuell verbotenen Wünschen erschreckt wird. Wenn eine Person ein psychisches Leiden hat, kann die Traumdeutung ein Teil des psychoanalytischen Therapieansatzes sein, denn bei der Deutung der Träume geht es darum, den verborgenen Sinn der Träume einer Person herauszufinden, um Veränderungen herbeiführen zu können.
Bei dem Ansatz, Filme zur Gesellschaftskritik zu nutzen, wird Freuds Ansatz zunächst einfach skaliert auf größere Gruppen. In den Produkten der Traumfabrik, wie die Filmindustrie ja auch genannt wird, artikulieren sich, so die Annahme, unbewusste Wünsche, Ängste, Begehren ganzer Gesellschaften. Eine alte Hollywoodweisheit lautet: Gebt den Leuten, was sie sehen wollen, dann kommen sie auch. Die Produzenten orientieren sich also an den Wünschen des breiten Publikums. Doch wie der Traum den Schlafenden nicht mit zu deutlicher Darstellung seiner Wünsche erschrecken und wecken darf – denn dann hätte er als »Hüter des Schlafs« versagt – muss auch die Unterhaltung die unterbewussten Wünsche in Dosierungen und verwandelter Gestalt vorbringen.

Wenn wir in den Plakaten der Ausstellung nach Methode der Traumdeutung annehmen, dass ihre Motive und ihre Gestaltung an den Begehrensstrukturen des Publikums orientiert sind, können wir danach suchen, wovon die Leute damals träumten. So gewönnen wir Einsicht in die Denkweise und in die Mentalität der damaligen Zeit.
Wenn wir solchermaßen die Perspektive der Analyse einnehmen, vergessen wir jedoch, dass auch wir träumen. Wir träumen nämlich, dass wir uns an einem Ort befinden, von dem aus wir Diagnosen erstellen können. Wir träumen, dass die Zeiten, die Filme, die Menschen so etwas wie unsere Patienten sind, dass Dinge aus der Kulturgeschichte Objekte sind, die uns zur Betrachtung vorliegen. Diese Perspektive ist so verbreitet, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, dass wir anders mit ihnen umgehen könnten. Unser Traum von der Überlegenheit der Gegenwart hindert uns daran zu merken, dass wir auf Objekte und Bilder aus der Vergangenheit Blicke einrichten, wie Laura Mulvey sie für den Male Gaze beschrieben hat. Während wir sie dort kritisieren und verurteilen, reflektieren wir unsere eigene Perspektive nicht. Wir empfinden diese als genauso natürlich wie die meisten Menschen den Male Gaze im Kino.
Jedoch hat uns niemand um ein Urteil oder eine Diagnose über die Plakate gebeten. Sollten wir nicht versuchen, nach anderen Formen und Verfahren der Kontaktaufnahme zu suchen als der des Richtens? Das Modell des Fragens, des Gespräches, der Beziehung könnte anstelle der Examination, Analyse und Deutung treten. Wenn wir uns auf das Fremde in den Plakaten einstellen und damit zugleich die Haltung einer Fremdenfreundlichkeit verbinden könnten, könnte sich die Chance eröffnen, dass wir nicht nur erkennen, was wir kennen, sondern auch Neues kennenlernen. Kennenlernen erfordert eine andere Haltung als Erkennen oder Beurteilen.
Diese Plakate als populäre Produkte sind dann nicht einfach nur Symptome von etwas anderem, und sie sind auch nicht in einzelnen Aussagen feststellbar. Jedes der Plakate gründet vielmehr selbst einen Ort eines Gespräches, und stellt schon eine komplexe Kommunikationssituation dar. Jedes der Plakate ist schon im Gespräch, und zu jedem dieser Gespräche können wir hinzutreten und daran teilnehmen. Produkte der populären Unterhaltungskultur sind Durchgangsräume, sie implizieren vielstimmige Passagen aus zeitgenössischen Diskursen. Gerade weil sie die Wünsche des Publikums mitdenken, stellen populäre Produkte wie Plakate der Ausstellungen nicht Behauptungen, Forderungen oder Maximen vor, als vielmehr Sequenzen aus Gesprächen‚ die in einer Gesellschaft zu einer Zeit eine Zeit lang in vielen Medienformaten und in unterschiedlichen Artikulationsformen geführt werden. Populäre Produkte sind immer Polyloge, populäre Kultur ist immer polylogisch und prozessual und in Veränderung.
Was wir in den Plakaten sehen können, ist ihre Gegenwart, wenn wir bereit sind, in sie einzutreten. Die Plakate – und die zugehörigen Filme und auch die Filmprogramme, Fotos, Werbeprodukte und so weiter – werden durchquert von gesellschaftlichen Gesprächen ihrer Zeit, und diese Durchquerungen bilden Stränge, die sich verweben zu lebendigen Texten. Die Teilnahme an diesen Texten und Gesprächen in diesen Plakaten hat uns bei der Auswahl der Plakate mehr interessiert als ihre Vivisektion, Analyse, Sortierung und Bewertung. Nicht Meinungen wollten wir uns aus ihnen bilden über die Werte dieser Zeit, sondern wir wollten einladen, dabei zuzuschauen, wie sie Motive aufgreifen, Formulierungen und Figuren ausprobieren, welche Wendungen sie nehmen, wie sie das eine und das andere vorbringen, abwägen, etwas behaupten und Gegenreden halten: ein Rock ist zu lang, ein anderer zu kurz, ein Hund springt aus einem Flugzeug, Männer mit Degen schneiden Hosenträger durch, Männer und auch Frauen mit Zylindern probieren Posen und Blicke aus; wir finden hohe Krägen, Körper als Dekoration, Gesichter und Landschaften als Projektionsflächen für Imaginationen naher und ferner Länder. Wir finden strenge Blicke, bange Blicke, gesenkte und herausfordernde, lüsterne, wahnsinnige und tote Blicke. Posen werden ausprobiert, Verhandlungen über Positionen, Haltungen, Beziehungen werden geführt, und auch über Farben, Formen und Linien. Es wird getestet, probiert, variiert, an die Grenze getrieben und teilweise auch über sie hinaus. Stereotype, Übergriffe, Diskriminierungen werden aufgenommen aus dem Strom
der Zeit und verhandelt und verwandelt. Der Widersprüchlichkeit und den Kontroversen ihrer Zeit beizuwohnen, dazu laden die Plakate ein.
In der Beschäftigung mit diesen Plakaten können wir viel mehr gewinnen als ein Überlegenheitsgefühl unserer Gegenwart, nämlich eine neue Haltung zur Welt. Wir können aus den alten Plakaten Respekt lernen, auch unserer eigenen Zeit, auch uns selbst mit Respekt zu begegnen. Wenn wir versuchen herauszuarbeiten, welche Themen die Plakate beschäftigen, können wir von dort aus in den Gesprächen unserer eigenen Zeit sehen, welche Themen von unserer Gegenwart behandelt werden. Und schließlich werden wir vielleicht auch in uns selbst die vielen Gespräche finden, aus denen wir uns zusammensetzen zu der Person, von der wir meinen, sie sei ein Individuum. Die vielen Polyloge können uns frei machen von den Ängsten des Urteilens und des Beurteiltwerdens und die Sinne schärfen. Vor allem aber laden sie ein zu einer lernenden Teilhabe an den Gesprächen der Vergangenheit und der Gegenwart.



Den Film verkaufen

Kinoreklame in der Weimarer Republik: ein Rundblick - von Patrick Rössler

Seit jeher waren Kinofilme, obwohl von uns heute primär als Kulturgut wahrgenommen, immer auch eine Ware, die produziert, vertrieben und refinanziert werden musste. In den Überlegungen von Verleihfirmen wie Kinobetreibern spielte deswegen die Filmwerbung stets eine zentrale Rolle, schien sie doch der Schlüssel für eine gewinnbringende Vermarktung. »Gute Filme verdienen gute Reklamemittel«, wusste 1927 schon der Parufamet-Verleih, denn »Geld machen ohne Reklame kann nur die Reichsdruckerei!« Gleichzeitig beklagten sich die Fachleute etwa zur selben Zeit, es würden »in keiner anderen Branche [...] an die Propaganda so große Anforderungen gestellt.« Als Grund hierfür wird einerseits die mehrstufige Kommunikationskette genannt, in der zunächst der jeweilige Verleih, dann die Theaterbesitzer und letztlich das Publikum adressiert werden müssen; und zum anderen der hybride Charakter des Filmes als Kulturträger, Bildungs- und Unterhaltungsmittel, dessen Gegenstände – anders als bei eingeführten Markenartikeln – immer wieder erst von Neuem dargelegt werden müssten. So verwundert es nicht, dass die Marketing- und Werbemaßnahmen der Filmbranche ein reichhaltiges Repertoire umfassten: Zunächst das Plakat, Filmbroschüren, Werbeblätter und Zeitungsinserate, Programme und Einladungskarten, wie sie der »Leitfaden für Filmreklame« benannte, ein anlässlich der »Plakatkunstausstellung (Film-Reklame)« im Januar und Februar 1924 aufgelegter Sammelband. Daneben wären zumindest die unabhängig produzierten Filmprogrammserien und Kinozeitschriften zu erwähnen, die Starpostkarten und andere Memorabilia, sowie die von den Verleihen ausgegebenen Aushangfotos und Jahreskataloge. Diese Vielfalt lässt sich sehr schön anhand des Repertoires der Ufa aufzeigen, dem bedeutendsten deutschen Filmkonzern der Zwischenkriegszeit mit seiner vertikal integrierten Struktur, die von Produktion und Verleih über den Besitz von Lichtspieltheatern bis hin zu eigenen Periodika und Druckmedien reichte. In der Ansprache der Kinobesitzer nennt die Ufa neben Plakaten, Handzetteln und Fensterkarten, Fotos und Filmbeschreibungen auch Diafolien für Leuchtkästen, Standfiguren und Brillen, Luxusbroschüren und sogar Ölgemälde – neben spektakulären, 24-teiligen Riesenplakaten für Großproduktionen wie METROPOLIS, von denen sich freilich kein Exemplar bis heute erhalten hat.
Nachfolgend sei nun eine Auswahl dieser Werbemittel kursorisch vorgestellt, die jenseits des Plakatanschlages als flankierende Maßnahmen zum Einsatz kamen und für eine umfassende Bewertung der Reklamestrategien mitgedacht werden müssen: Plakate waren stets in eine differenzierte Vermarktungsstrategie eingebunden und müssen immer auch in diesem weiteren Kontext gesehen werden. Ein Kerninstrument dieser Business-to-Business-Kommunikation zwischen Verleihern und Kinobetrieben stellte für alle Filmproduktionsgesellschaften der saisonbezogene Verleihkatalog dar, der das jeweils im Frühsommer eines Jahres vorgestellte Verleihprogramm präsentierte, auf dessen Grundlage die Filmbuchungen für den kommenden Herbst bis zum nächsten Frühjahr ausgelöst wurden. Die Ufa begann unmittelbar nach der Währungsreform mit der Herausgabe aufwändiger Katalogbücher; das erste für die Saison 1923/24 erschien im Querformat und war mit Filmstandbildern auf Kunstdrucktafeln durchschossen. Es enthielt außerdem ein Porträt des Konzerns und seiner Produktionsstätten sowie Inhaltsangaben aller Filme. Mitte der 1920er Jahre spiegelten die Ufa-Kataloge als zentrales Instrument zur Selbstdarstellung dann den Glanz der Branche: In mehrseitigen, farbig durchgestalteten Reklameanzeigen, die nicht selten den Charakter Kleinplakaten besitzen, werden Schauspieler*innen präsentiert und Filme zur Buchung offeriert. Der Katalog für die Saison 1925/26 beispielsweise bietet mit Golddruck, einem geteilten Vorderumschlag mit Elfenbeinschließen und einem ausfaltbaren Plakat der Ufa-Regisseure eine exquisite Gestaltung; auf zwischengebundenen Goldkartons sind zudem schwarz-weiße Fotoporträts der Ufa-Stars aufgeklebt. In den Folgejahren entstehen stets beeindruckende Sammelwerke, zuweilen als Kollektion von Einzelprospekten, häufig mit raffinierten Auffaltungen und Ausstanzungen, und in den 1930er Jahren schließlich als gebundenes Kompendium veritabler Kleinplakate. Andere Verleihe integrierten sogar kleine Schellackplatten mit Filmschlagern in ihre Kataloge oder stellten diese in einem außergewöhnlichen runden, der Filmspule nachempfundenen Format her.

Plakate: Die Herrscher im Straßenbild

Im Zentrum der eigentlichen Werbemaßnahmen stand allerdings traditionell das Plakat, dem schon die zeitgenössischen Beobachter eine besondere Wirkmacht zusprachen. So heißt es etwa im bereits erwähnten »Leitfaden für Filmreklame« nicht ohne Pathos:

»Das Plakat ist die unmittelbare Reklameform, in der der Film um sein Publikum wirbt. Während Inserat und Broschüre zu überreden und zu überzeugen suchen, also auf den Intellekt des Lesers wirken, und damit auch notgedrungen seinen Zweifel und seinen Widerspruchsgeist wach werden lassen, wirkt das gute Plakat suggestiv und haftet damit fester im Gedächtnis des Beschauers, als es die schönsten und verlockendsten Anpreisungen zu tun vermögen.«

Gleichzeitig bescheinigt das US-amerikanische Standardwerk »Selling the movie« dem Plakat, es sei zwar die simpelste, aber dennoch seit über einhundert Jahren effektivste Form der Filmwerbung. In der internationalen Wahrnehmung deutscher Plakatkunst jener Epoche dominiert das expressionistische Plakat von Fenneker und anderen und die Orientierung an den Produktionen von Fritz Lang, die auch in den Export gelangten. Jenseits dieser prominenten, immer wieder reproduzierten Motive existiert(e) freilich eine Vielzahl weiterer Entwürfe, die nicht nur die Vielfalt des filmischen Mediums, sondern auch die Vielgestalt des Plakatschaffens verdeutlichen; eine konzentrierte, nicht repräsentative Auswahl dokumentiert der vorliegende Katalog.
Plakatmotive in ihrem aufwändigen, meist lithografierten Fünffarbendruck sind dabei in unterschiedlichen Größen anzutreffen – am spektakulärsten sicherlich das für Litfaßsäulen gebräuchliche Berliner Format VI (ca. 142 x 95 cm). Dieselben Darstellungen wurden freilich auch als sogenannte »Fensterkarten« (ca. 24 x 50 cm und kartoniert, für die Werbung etwa in Straßenbahnen) oder als Kleinplakate für die Beilage in der Fach- und Publikumspresse hergestellt. Die besondere Sorgfalt, mit der das Plakat als Lockmittel für die potenziellen Zuschauer*innen behandelt wurde, ist beispielsweise von der Ufa überliefert, wo es im Protokoll einer Direktionssitzung, an höchster Stelle also, ausdrücklich heißt, »hinsichtlich der in der Sitzung aushängenden Plakate ist die Versammlung der Ansicht, daß sie häufig in der Farbgebung nicht wirksam genug sind und die Gesichter jeden Ausdruck vermissen lassen.«
Zu beachten ist, dass die Verleihe schon damals – zumindest bei wichtigeren Filmen – zwei oder gar drei verschiedene Plakatmotive anboten, aus denen die Theaterbesitzer wählen konnten. Darüber hinaus war es bis in die 1930er Jahre hinein für namhafte Kinos durchaus üblich, eigene Plakate in Auftrag zu geben, um ihre lokale Klientel individuell anzusprechen. Paradebeispiele hierfür sind sicherlich die zahlreichen Entwürfe von Josef Fenneker für das »Marmorhaus« am Berliner Kurfürstendamm oder Jan Tschicholds Experimente in der »Neuen Typografie« der 1920er Jahre für den Münchner »Phoebus-Palast«. Wegen ihrer Fragilität, aber auch ihrer letztlich geringen Auflagen und der Verwendung durch Bekleben (und nicht zuletzt die Kriegszerstörungen) sind Plakate aus der Zwischenkriegszeit heute rar, manche inzwischen Unikate und wieder andere sogar in keinem einzigen Exemplar mehr erhalten.
Zu jedem georderten Film stellte der Verleih dem Kinobesitzer über Plakate und Fensterkarten hinaus eine große Bandbreite an Material zur Verfügung, mit dem vor Ort für die jeweilige Aufführung geworben werden konnte. Diese Materialien bündelte in sehr detaillierter Präsentation der jeweilige »Reklameratschlag«: Angeboten wurden meist Inseratenmatern für die Werbung in der Presse, gerastert oder als Strichzeichnung in unterschiedlicher Größe; außerdem ein aufwändiger, vierseitiger Filmprospekt (»Verteiler«), der massenhaft gestreut werden sollte; daneben Starporträts für das Kinofoyer, manchmal spezielle Banner, den unabdingbaren »Vorspannfilm« (heute bekannt als Trailer) und, genauso unverzichtbar, schlichte »Theaterzettel« mit der Besetzung des Filmes und einer kurzen Inhaltsangabe.

Bilder aus dem Film: Standfotografien und Starporträts

Spätestens mit dem zunehmenden Einfluss der amerikanischen Produktionsfirmen auf dem deutschen Verleihmarkt gewann ab Mitte der 1920er Jahre die in Hollywood übliche Bewerbung der Filme mit Standfotos (statt gemalter Filmszenen) eine Schlüsselfunktion für die visuelle Vermarktung des Kinoerlebnisses: Als Aushangfotos im Format von ca. 24 x 30 cm dienten sie dem Kinobesitzer zur Direktwerbung am Point of Sale und bestachen – als Kontaktabzüge vom Original-Negativ ohne weitere Vergrößerung – durch ihre außerordentliche Qualität und Tonalität. Dieselben Motive wurden oft als Pressefotos an die Bildredaktionen weitergegeben und in Postkartenserien für die Filmfans vermarktet. Grundsätzlich können in der Stummfilmära zwei Haupttypen von Filmfotografien unterschieden werden: die Einzelmotive aus der Filmkopie, die einen spezifischen Handlungsausschnitt zeigen und – in Anlehnung an die Praxis der großen Hollywood-Studios – eine Star- und Glamourfotografie, die die männlichen und weiblichen Hauptdarsteller*innen als Identifikations- und Referenzobjekte für das Publikum in Szene setzte.
Filmstandbilder erfüllen eine wichtige Funktion, denn sie übersetzen den Film als ein dynamisches Medium, das in der Zeit abläuft, in die ›stehende‹ Raumkunst der Fotografie.

»Was sich im Film von Moment zu Moment, von Jetzt zu Jetzt szenisch und dramatisch entfaltet, wird bewegungslos, ruhig, statisch: ›still‹.«.

Schlüsselbilder, die Thema, Dramaturgie, Darsteller*innen, sogar deren Gefühle prototypisch einfangen sollen, verdichten die Handlung auf ein paar entscheidende Momente. Sie erlaubten dem Kinobesitzer, seinem Publikum zumindest den Eindruck von einem Gut zu vermitteln, das dieses schließlich erwerben musste, ohne es vorher prüfen zu können. Besonders auffällig waren die für viele Filme angefertigten, kolorierten Durchleuchtfolien auf Diafilm, die, von hinten beleuchtet, in den Schaukästen eine beeindruckende Wirkung entfalteten.
Die Redaktionen der Pressemedien erhielten seltener diese großformatigen Aushangfotos auf stärkerem Karton, sondern meist spezielle Presseabzüge in 13 x 18 cm auf dünnerem Papier. Dieses Bildmaterial wurde von unterschiedlichen Textprodukten der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Verleihe begleitet, die als hektographierte Pressemitteilungen auf Matrizen abgezogen oder als Pressespiegel jeweils filmbezogen vervielfältigt wurden. Die Ufa rief am 18. September 1926 außerdem ihren eigenen Pressedienst der Parufamet (später: Neues von der Parufamet) ins Leben, der einmal wöchentlich an die deutschen Redaktionen verschickt wurde. Wie eng die Kinobranche mit der Presse zuweilen zusammenarbeitete, lässt sich etwa an dem Artikel »Mondflug im Film« aufzeigen, illustriert unter anderem mit Bildern aus dem Fritz-Lang-Film FRAU IM MOND und abgedruckt in Scherl’s Magazin vom Mai 1929. Da der Film selbst seine Premiere erst im Herbst 1929 erlebte, hat wohl der Hugenberg-Konzern, zu dem damals sowohl die Ufa als auch der Scherl-Verlag gehörten, die Vorveröffentlichung dieser Bilder ermöglicht.

Filmpresse: Zeitschriften, Programmhefte und Bücher

Kinogänger*innen wurde von weiteren Marketingmaßnahmen angesprochen, für die die Filmtheater vor Ort wichtige Vertriebspartner darstellten. Als bedeutendste, weil in Massenauflagen hergestellte Publikumsmedien erwiesen sich die preisgünstigen unabhängigen Filmprogrammserien (z.B. ab 1919 der Illustrierte Film-Kurier, Berlin). Die dünnen Bilderheftchen zu einzelnen Filmen, selten teurer als 10 Pfennige, sollten den Zuschauer*innen die Handlung des Filmes durch eine Inhaltsangabe und reichhaltige Abbildungen vermitteln – wohlgemerkt in einer Zeit, in der stumme Kinodramen auf ihren Zwischentiteln nur die gröbsten Wendungen beschreiben konnten und insofern durchaus Aufklärungsbedarf geherrscht haben mag. Ihr wesentliches Kennzeichen ist freilich der umfangreiche Bildanteil; ab Mitte der 1920er Jahre perfektionierten alle Herausgeber das Prinzip der Fotomontage, die sich von simplen Klebebildern hin zur raffinierten Motivcollage fortentwickelte. Kompakte Herstellungsteams, die selten mehr Personal als einen Produktionsleiter, zwei oder drei versierte Grafiker*innen und etwa dieselbe Zahl an Assistent*innen benötigten, verschmolzen Texte und Bilder zu einem attraktiven, schnell konsumierbaren Produkt, das in hoher Auflage relativ preisgünstig angeboten werden konnte. Lucien Mandelik, seit Mitte der 1920er Jahre Mitarbeiter beim Film-Kurier, erinnerte sich später:

»Der lllustrierte Film-Kurier (IFK) war eine Idee meines Stiefvaters [d.i. Alfred Weiner], die er den Filmproduzenten verkaufte. Ich glaube, sie haben damals 1750 Mark bezahlt für die Auflage, die der Tageszeitung [Film-Kurier] beigelegt wurde. Und da wir sehr viele Kinobesitzer als Leser hatten, konnten diese anhand des IFK genau beurteilen, um was für einen Film es sich handelte und ob er sich für ihr Publikum eignete. Und dann hatte Alfred Weiner die Idee, die Beilage, also den IFK, zusätzlich als Souvenir-Programm zu verkaufen.«

Zwischen 1926 und 1928 versuchte auch die Ufa, in diesen lukrativen Markt einzusteigen und die Programme zu ihren eigenen Filmen (sowie zu denen von Paramount und MGM, die unter anderem in den Ufa-eigenen Kinos liefen) selbst zu vermarkten. Von den sogenannten »Parufamet-Programmen« (Marketing-Begriff damals: »Kupfertiefdruck-Beschreibungen«) sind im »österreichischen« Format (15 x 22,5 cm) rund 100 nicht nummerierte, achtseitige Titel entstanden, zu denen es zumeist kein Programm des Illustrierten Film-Kuriers gibt. Darunter finden sich auch wichtige nationale Produktionen wie FAUST oder METROPOLIS, eine vollständige Liste ist nicht überliefert.
Zusätzlich war in der Zwischenkriegszeit eine überbordende Zahl an Filmzeitschriften und Filmtageszeitungen (wie eben der Film-Kurier) an den deutschen Kiosken erhältlich. Ihre Bedeutung als epistemische Orte lässt sich mit dem Konzept der transmedialen »kleinen Archive« theoretisch umreißen und in die Marktsegmente der Fach- & Branchenpresse, der Publikums- & Populärpresse und der Meinungspresse einteilen, für die weit über 30 relevante Periodika nachgewiesen sind.
Als massenattraktives Medienphänomen etablierte sich der Film genauso als Gegenstand eines reichhaltigen Segmentes im Buchmarkt. Neben anderen Typen lassen sich hier insbesondere illustrierte Filmromane, »verromante« Filme und Filmbilderbücher unterscheiden. Früh nutzte wiederum die Ufa die Synergien mit den von ihr verfilmten Stoffen aus, denn schon die Marketingkampagne zu den beiden Teilen von Fritz Langs DIE NIBELUNGEN (1923/24) schloss neben zahlreichen anderen Maßnahmen die Publikation des »Nibelungenbuchs« der Drehbuchautorin Thea von Harbou ein. Im Drei Masken Verlag München erschien diese Prosafassung der klassischen deutschen Heldensaga (Geleitwort: »Dir und Deutschland«!) bereits zum Filmstart 1923 mit 24 Standfotos auf Kupfertiefdrucktafeln. In fünf Auflagen erreichte der Band eine Verbreitung von insgesamt 70.000 Exemplaren.28 Die Scherl-Filmbücher entwickelten sich durch die Medienkooperation mit der Ufa zu einer Erfolgsgeschichte: Zu den Fritz-Lang-Großproduktionen METROPOLIS (1926), FRAU IM MOND (1928) und SPIONE (1929) erschienen Romanabdrucke in unterschiedlichen Ausgaben und mit unterschiedlicher Ausstattung in Auflagen von mehreren 10.000 Exemplaren.

Endlos Epherma: Starpostkarten, Zigarettenbilder und Weiteres

Neben diesen klassischen Presseerzeugnissen richtete die Kinobranche auch eine breite Vielfalt an Ephemera an das Publikum ihrer Filme. Es wurden nicht nur kommerzielle Souvenirprogramme oder Notenhefte mit den Filmschlagern aufgelegt, sondern Starpostkarten und Sammelbilder gedruckt, neben Merchandising-Artikeln wie Brett- und Kartenspielen oder Abreißkalendern, die Spezialanbieter in den 1930er Jahren mit Porträts und Standfotos aus Filmen versahen; zu einzelnen Filmstarts erschienen sogar Gedenkmünzen oder Aufstellfiguren aus unterschiedlichen Materialien. Unter diesen eher objekthaften Filmmemorabilia nehmen sicher die Sammelbilder und -alben der Zigarettenindustrie, ob ihrer massenhaften Verbreitung in der Bevölkerung, einen besonderen publizistischen Rang ein: Vom Tabakverarbeiter Reemtsma verlautete, dass insgesamt über 12 Milliarden Bilder-Schecks ausgestellt worden seien und bei mehreren Alben die Auflage von einer Million erreicht wurde.
Zu den frühesten Beispielen zählen die beiden, 1928 von der Cigarettenfabrik Constantin in Hannover produzierten Alben zu den Filmen DIE NIBELUNGEN bzw. FRIDERICUS REX & WEGE ZU KRAFT UND SCHÖNHEIT. Verwendet wurden im Wesentlichen die Motive der Fotosätze für den Kinoaushang, von denen jeweils 75 als hochwertige Kärtchen in vorgefertigte Passepartouts eingeschoben werden konnten. Prominentestes Beispiel für Zigarettenbilderalben aus dem Filmbereich ist allerdings das zweibändige Werk »Vom Werden deutscher Filmkunst« des Filmhistorikers Dr. Oskar Kalbus, Mitglied des Ufa-Direktoriums, herausgegeben 1935 von Reemtsmas Zigaretten-Bilderdienst in 120.000 bzw. 190.000 Exemplaren.
Im Souvenirhandel etablierte sich die Vermarktung von Filmstars mit möglichst glamourösen Porträts auf Postkarten und in der Massenpresse, als selbstreferenzielles Marketing für das Fotostudio, den Film und die Person selbst – und als Werbeträger für Produkte.
Marktführer war hier die von Heinrich Ross, einem Sudetendeutschen jüdischer Herkunft, gegründete Ross Bromsilber Vertriebs G.m.b.H. in Berlin. Es erschienen vermutlich rund 50.000 verschiedene Karten als Einzelbilder oder in Serien von bis zu 20 Motiven sowie weitere Sonderausgaben und -formate; deren Gesamtauflage dürfte ebenfalls die Milliardengrenze erreichen. Die Karten lassen sich grob unterteilen in Porträtaufnahmen männlicher oder weiblicher Schauspieler*innen und Regisseure, Doppelporträts, Filmszenen und Miszellen. Dementsprechend existieren in diesem Medium Aufnahmen von Leinwandgrößen wie Hans Albers, Lilian Harvey, Marlene Dietrich oder Louise Brooks, aber genauso Szenenfotos aus Kultfilmen wie METROPOLIS oder FRAU IM MOND.

Ein kurzes Fazit

Historische Filmpublizistik bedeutet weit mehr als die Plakate, von denen wir eine kleine Auswahl in unserer Ausstellung zeigen – das sollte dieser kursorische Rundblick vermitteln. Vielmehr stellte das Plakat nur die zwar weithin sichtbare, aber von einer enormen Bandbreite an Sekundärmedien gestützte Spitze des sprichwörtlichen Eisberges dar. Dieses Spektrum an Kinomemorabilia sollte einerseits die potenziellen Zuschauer*innen zum Kinobesuch bewegen, um den ökonomischen Erfolg der Filmunternehmung zu sichern. Aber damit nicht genug: Andererseits waren diese meist gedruckten Sekundärmedien – im Gegensatz zum immobilen und immateriellen, sich mithin so dynamisch wie flüchtig in der Zeit entfaltenden und Filmerlebnis selbst – als statische Repräsentationen manifest verfügbar.
Und so dienten sie eben ihrem Publikum nicht nur zur Information vor dem Kinogang, sondern genauso im Anschluss als Teil einer persönlichen Erinnerungskultur. Wurde man ihrer habhaft, bewahrte man sie oft auf, als Zeugnisse eines Besuches im Filmtheater, an den man sich später
immer wieder gerne erinnerte.





Ssalem Aleikum

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Quelle

https://www.uni-erfurt.de/philosophische-fakultaet/seminare-professuren/medien-und-kommunikationswissenschaft/personen/roessler-patrick

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: SSELAM ALEIKUM
Deutsche Erstaufführung: unbekannt
Plakatgestaltung: P. Hummel
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Sselam Aleikum (1919)

Ein mintgrünes, drachenartiges Monster mit aufgerissenem Maul und Augen. [...] Mitten auf dem Filmplakat ist ein Ruderboot gefüllt mit geheimnisvollen Menschen zu sehen; einer von ihnen liegt am Boden. »SSELAM ALEIKUM DER GROSSE FILM« steht in weißen Druckbuchstaben verzierend oben und unten um diese Szenerie herum. Vermutlich stiegen den deutschsprachigen Betrachter*innen des Filmplakates im Jahre 1919 Fantasien vom sogenannten »Orient« in den Kopf. Unsere eigenen Fantasien und Stereotypen heißen hier Indiana Jones, alte Zigarettenverpackungen, geheimnisvolle Tempel, Musik und Bauchtanz.
Durchgeführt wurde das Projekt auf 1839 Metern Filmrolle von der Produktionsfirma Orient-Film, Linke & Co. in Leipzig unter der Regie von Edmund Linke. Es ist die Rede von einem »groß angelegten historische[n] Film«, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts spielen sollte und damit eine Rückblende für das Publikum der 1920er Jahre darstellte, das sich inmitten der Geburtsstunde der Weimarer Republik befand. Die Landschaften des heutigen Saudi-Arabiens, Iraks und Irans, Städte wie Mekka, Mossul, Basra und Isfahan sind die Bühne für das Projekt. Deutsche Darsteller*innen wie Käthe Wittenberg, Ludwig Christ und Walther Soomer treffen auf die Heimat noch unbekannter Schauspieler*innen.
Die Zeitung Neues Wiener Journal bemerkte am 21. April 1920, dass mit der »wunderbaren orientalischen Ausstattung« Aufsehen erregt werden sollte. In einer PR-Aktion namens »Ein Gruß aus den Lüften« kreiste ein Flugzeug über Wien und warf weiße Flugzettel mit der roten Aufschrift »Sselam-Aleikum den Wienern« ab. Dieser ungewöhnliche und gewiss nicht alltägliche Gruß aus dem Himmel bekam durch eine gesteigerte Nachfrage der Wiener*innen eine schnelle Antwort.
Es scheint so, als hätte sich die PR-Firma viel Mühe gegeben, einen neuen »orientalischen Film« unter die Leute zu bringen. Der Orientalismus des Kinos der 1920er Jahre war nämlich mit kolonialen Praktiken und Verhältnissen verbunden. Das Interesse an »fremden Ländern« hat hier also eine lange Geschichte. Eine Flucht aus der Realität der 1920er Jahre wird durch eine Reise auf der Leinwand ermöglicht und ist somit ein Annäherungsversuch an eine Welt, die durch ihre Fremdartigkeit interessanter denn je gewesen war.

von BEATRIZ WAHLER VAZQUEZ





City Bank (1920)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: CITY BANK
Deutsche Erstaufführung: unbekannt
Plakatgestaltung: "Rockenfeller" (evtl. Pseudonym)
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City Bank (1920)

Es ist Nacht, ein bedrückendes Schweigen liegt in der Luft. Die Dunkelheit umhüllt den Raum, während Kälte und Feuchtigkeit einem einen Schauer über den Rücken jagen. Der Blick fällt auf einen Mann. Was macht er? Seine dunkle Kleidung verschmilzt mit den Schatten. Wer ist er? Es scheint, als ob er beharrlich darauf bedacht sei, keine Spuren zu hinterlassen. Ist er allein?
Plötzlich erscheint ein anderer Mann hinter einer Tür. Das Licht einer Laterne dringt durch das Fenster ins Dunkle und enthüllt seine Silhouette. Seine Schritte sind kaum wahrnehmbar. Er bewegt sich lautlos. Gekleidet in einen eleganten schwarzen Mantel, der ihn wie ein Schatten umhüllt, wird er nahezu eins mit der Dunkelheit. Seine schwarze Hose und die passenden Handschuhe vervollständigen das Outfit und tragen dazu bei, dass er in der Nacht beinahe unsichtbar wird. Auf seinem Kopf thront ein markanter Zylinder. Das macht seine Erscheinung noch mysteriöser. In dieser perfekten Tarnung beherrscht er die Kunst, in der Dunkelheit unentdeckt zu bleiben.
Über der ganzen Szene leuchten vom linken zum rechten Bildrand große rote Buchstaben und enthüllen den Titel des Filmes: CITY BANK. Das ist der Ort, an dem zwei entgegengesetzte Kräfte aufeinandertreffen: Die eine ist darauf aus, die Bank auszurauben; die andere ist entschlossen, die Räuber zur Strecke zu bringen. Das Plakat kontextualisiert den Film im unteren Bereich als ein »Detektiv-Schauspiel«. Wer jedoch welche Rolle einnimmt, bleibt ein Geheimnis.
Die Szene auf dem Plakat offenbart eine gezielte Auswahl von vier Farben: schwarz, weiß, rot und grün. Diese minimalistische Farbpalette verstärkt die düstere Atmosphäre. Das tiefe Schwarz birgt eine Aura der Gefahr und des Unbekannten, während helle Partien Andeutungen von Enthüllung und Wahrheit darstellen. Das in der Dunkelheit verborgene Grün erstarrt förmlich in seiner kühlen Unnahbarkeit. Das kräftige Rot im Titel verleiht dem Plakat eine Intensität und weist auf die Brisanz des Geschehens hin. Die Farben schaffen eine visuelle Spannung, lassen Raum für Interpretation – und leider haben wir nur diese visuellen Reize, denn über die Handlung des Filmes ist nichts weiter bekannt. Das Plakat zum Film CITY BANK aus dem Jahr 1920, verfasst und inszeniert von Siegfried Dessauer, zieht mit seiner eindringlichen Darstellung und raffinierten Inszenierung die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen auf sich. Das Werk stammt von der renommierten Produktionsfirma Elite-Film GmbH (Berlin) und wurde unter der Regie von
Robert Scholz realisiert.

von OLGA KOCHKOZHAROVA



Ein Walzertraum

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: EIN WALZERTRAUM
Deutsche Erstaufführung: 18.12.1925
Plakatgestaltung: Theo Matejko
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Ein Walzertraum (1925)

Eine hingebungsvolle Liebesgeschichte oder die Geschichte einer emanzipierten Frau?
Das Plakat mit dem Titel EIN WALZERTRAUM zeigt auf bräunlichem Papier zwei gezeichnete Frauen. In gleicher Schrift wie der Titel ist der erfolgreiche Regisseur Ludwig Berger aufgeführt. Links unten lässt sich eine Signatur von Theo Matejko entdecken, ein österreichischer und zu seiner Zeit bekannter Pressezeichner und Illustrator, der von der Universum-Film AG diesen Auftrag bekam.
Die zwei Frauen bilden den Fokus des Plakates und teilen es in zwei Hälften. Sie interagieren miteinander. Kennen sie sich? Die rechte größere Frau nimmt aufgrund ihrer Größe die rechte Bildhälfte ein. Etwas zu groß dargestellt, um nur eine Nebenrolle zu spielen, sie muss die Protagonistin sein. Der Pony kurz, die zurückgebundenen, schwarzen Haare fallen über den Stoff des grünblauen Kleides. Es reicht bis zum Boden und gibt farblich passende, hohe Schuhe frei. Ihre Augen schauen abseits der Situation über die sitzende Frau, sie lächelt. Wen oder was lächelt sie an?
Neben ihren Füßen sitzt eine schmunzelnde Frau mit kurzen gelockten, blonden Haaren. Sie sitzt mit nach außen geöffneten und ausgestreckten Beinen in der linken Plakathälfte und trägt ein rot-, weiß- und gelbgestreiftes Kleid mit dazu passenden gelben Absatzschuhen. In ihrer Hand hält sie den Stoff des Kleides der anderen Frau und schneidet den Stoff des Kleides kürzer.
Ja, sie kennen sich.
Oben links fehlt eine Ecke des Plakates, abgetrennt für die zeitgenössische Hängung. Die Handlung von EIN WALZERTRAUM, nach der gleichnamigen, zwischen Juli und Oktober im Jahr 1925 uraufgeführt en Operette, ist fragmentarisch überliefert und gibt Einblicke in die Geschichte hinter dem Plakat. Die Protagonistin ist Alix, eine Prinzessin, die sich aufgrund eines Kusses in einen Prinzen verliebt und ihn heiratet. In der Hochzeitsnacht verschwindet der Prinz und entwickelt Gefühle zu der Geigerin Franzi, die für ihn einen selbstbewussteren Lebensstil als Alix verkörpert. Die Prinzessin ist bestürzt und traurig, weshalb sie den Entschluss fasst, sich zu ändern, um ihren Mann zurückzuerobern. Sie will eine unabhängige Frau werden und lässt sich das Kleid kürzen. Mit der Hilfe der Geigerin, die die Liebe zwischen beiden einsieht, erobert sie ihren Ehemann zurück und wird zu der selbstbewussten und eigenständigen Frau, die sie anstrebte.
Willy Fritsch, der die männliche Hauptrolle spielt, ist nicht auf dem Plakat zu sehen. Das lässt damit Vermutungen offen, dass es hier nicht um die Liebesgeschichte geht, sondern um eine Frau während der Anfänge der Emanzipationsbewegung. Prinzessin Alix, eine Frau, die gebildet, unabhängig und frei sein möchte, erobert ihren Ehemann zurück, für den sie sich ändern wollte.
Hat sie sich nun für jemand anderen oder für sich selbst entschieden?

von NADINE KOUPAOGLOU





Die Kleine vom Bummel (1925)

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Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: DIE KLEINE VOM BUMMEL
Deutsche Erstaufführung: 30.12.1925
Plakatgestaltung: H. Becker
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Die Kleine vom Bummel (1925)

Mich blickt eine selbstbewusste und fröhliche Frau an. Sie scheint bei dem, was sie tut, Spaß zu haben. In ihren Händen hält sie ein Saxofon, das zusammen mit ihrem zurückgelehnten Oberkörper und ihren langen Beinen einen lebhaften Schwung bildet. Ihr Kostüm ist vom Hut bis zum Rock mit Federboas bestückt. Sie scheinen sich ebenfalls zu bewegen. Ihre ganze Erscheinung wirkt wie aus einem Zirkus, beinahe artistisch. Hinter ihr leuchten verschiedene Häuserfenster, Straßenlaternen und die Scheinwerfer fahrender Autos in der Nacht. Dahinter wiederum sind die entfernten Silhouetten markanter Gebäude unterschiedlicher Großstädte zu sehen. Unter anderem Paris, München, London, New York und Berlin. Mittig auf dem Plakat erstreckt sich ein großer roter Kreis. Ich habe den Eindruck, als wäre der Kreis die untergehende Sonne, die grafisch nicht ausgemalt wurde. Der Hintergrund des Plakates ist ansonsten fast leer. Im Vergleich mit anderen Filmplakaten aus jener Zeit wirkt diese minimalistische Gestaltung sehr modern. Die Darstellerin wird von dem Kreis nur zum Teil umrahmt, und es fällt auf, wie der Plakatzeichner H. Becker mit Proportionen spielt. Wie »die Kleine«, gemäß Filmtitel, wirkt die abgebildete Frau nicht, da sie mit ihrer Erscheinung fast das ganze Plakat einnimmt und die Städte hinter ihr wie Spielzeughäuser wirken. Es scheint so, als würde sie mit ihren langen Beinen auf den Dächern der Stadt tanzen. Ich habe das Gefühl, das Saxofon aus dem Plakat herauszuhören.
Fast alle gezeigten Informationen zum Film befinden sich am oberen Rand des Plakates. In verspielter blauer Schrift erstreckt sich der Titel DIE KLEINE VOM BUMMEL über der Abbildung. Direkt unter dem Titel wird Lilian Harvey als Hauptdarstellerin genannt, eine sehr bekannte Schauspielerin der damaligen Zeit.
Es handelt sich um eine Stummfilmkomödie, die unter der Regie von Richard Eichberg im Jahr 1925 erschien. Im Mittelpunkt steht eine namenlose »Kleine«, wobei »die Kleine« eine filminhärente Bezeichnung für die Figur ist. Sie wird von einer erfahrenen Freundin dazu überredet, wie die Freundin selbst als Tänzerin in einer Bar zu arbeiten. Da der konservative Vater »der Kleinen« nichts von ihrer neuen Tätigkeit wissen darf, gibt sie vor, als Telefonistin angestellt zu sein. Im Laufe des Filmes verliebt sie sich in einen Amateur-Rennreiter, allerdings hat der Onkel des Reiters etwas gegen diese Beziehung einzuwenden. Am Ende wird »die Kleine« ihr Glück finden und lebt das Leben einer Tänzerin.

von LIDDY RÜCKERT





Der schneidigste Kerl der Jazz-Zeit (1927)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: DER SCHNEIDIGSTE KERL DER JAZZ-ZEIT
Originaltitel: THE CRACKERJACK
Deutsche Erstaufführung: Herbst 1927
Plakatgestaltung: Lippschitz
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Der schneidigste Kerl der Jazz-Zeit (1927)

Unser Blick schweift über eine actionreiche, komödiantische Szenerie. Ein Mann, der mit der linken Hand an einem Kronleuchter hängt, führt gleichzeitig mit seiner rechten das Schwert gegen vier uniformierte Gegner. Er trägt eine rote Militärjacke, seine weiße Hose wird von einem schwarzen Gürtel getragen, und die kniehohen Stiefel komplettieren die militärische Uniform. Der Blick ist entspannt und er bewegt seinen Mund zu einem leichten Lächeln. Die vier anderen Männer auf der linken Seite des Bildes blicken ernst und erschrocken. Ihre Uniformen sind weiß und die blauen Hosen werden von rosafarbenen Hosenträgern gehalten. Über ihren Köpfen schwebt der Titel DER SCHNEIDIGSTE KERL DER JAZZ-ZEIT (JOHNNY MACHT KARRIERE). Der Mann auf der rechten Seite rückt trotzdem sofort in den Blick des Betrachtenden. Er befindet sich im Goldenen Schnitt des Plakates und hebt sich durch seine rote Uniform vom Rest der Truppe ab. Er lächelt, als würde er die vier feindlich gesinnten Männer mit Leichtigkeit bekämpfen. Ihm gelingt es spielerisch, ihre Hosenträger zu zerschneiden. So sind sie gezwungen, ihre Hosen festzuhalten, um sich nicht unfreiwillig zu entblößen.
Der Plakathintergrund ist ein farbloses Weiß, das keinerlei Orientierung ermöglicht, keine Verortung der Szenerie verspricht. Die gelbliche Färbung und die verschiedenen Gebrauchsspuren lassen auf das hohe Alter des Materials schließen. Denn am rechten Bildrand datiert ein Stempel die Genehmigung durch die Berliner Filmprüfstelle auf das Jahr 1927. Gleiches gilt für die Signatur von Lippschitz, dem Gestalter des Plakates. Am unteren Rand der Szenerie stehen schließlich ein paar wenige Angaben zur Herkunft des Entwurfes: Verleih AFU (Allgemeine Film-Union). Diese wurden nachträglich auf einem Klebestreifen angebracht und überkleben den ursprünglichen Text: Verleih für Deutschland – Arthur Ziehm. Warum diese Angabe getilgt wurde, ist nicht mehr bekannt. Auf dem Plakat finden sich jedoch nicht die üblichen Angaben zu Schauspieler*innen und der Regie – oder sonstige Produktionshinweise. Auch der Titel gibt keine Handlungsstränge oder Intentionen des Filmes preis. Lediglich das Genre der Komödie lässt sich aus dem Bild ableiten. Worum geht es also in DER SCHNEIDIGSTE KERL DER JAZZ-ZEIT?
Bei diesem Film handelt es sich um die deutsche Aufführung des 1925 erschienenen, US-amerikanischen Stummfilmes THE CRACKERJACK (Regie: Charles Hines). In dieser »Groteske« steigt Tommy Perkins, gespielt von dem Komiker Johnny Hines, Bruder des Regisseurs, durch eine Aneinanderreihung von unvorhersehbaren Zufällen vom einfachen Gurkenverkäufer zum Verteidigungsminister eines südamerikanischen Staates auf und macht, wie der Titel vermuten lässt, Karriere. In der von der East Coast Films Inc. produzierten, komödiantischen Parodie auf die populären Zorro-Streifen agieren weitgehend unbekannte B-Chargen – mit Ausnahme von Sigrid Holmquist in ihrer letzten, für sie untypischen Rolle. Das Plakat kommt jedoch ohne diese Informationen aus. Es versucht allein durch seinen Humor in dieser skurrilen Szene, Zuschauer*innen in die Kinos zu locken. Weshalb der deutsche Verleih sich zu einer Anspielung auf das Jazz-Zeitalter genötigt sah, obwohl die Musik in diesem Stummfilm keine besondere Rolle spielt, bleibt wohl sein Geheimnis.

von MIKA HAGEDORN



Die Liebschaften einer Schauspielerin (1928)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: DIE LIEBSCHAFTEN EINER SCHAUSPIELERIN
Originaltitel: LOVES OF AN ACTRESS
Deutsche Erstaufführung: Ende 1928
Plakatgestaltung: Boris Streimann
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Die Liebschaften einer Schauspielerin (1928)

Auf dem Plakat sind vier Menschen zu erkennen, drei Männer und eine Frau. Es wurden nur wenige, aber prägnante Farben benutzt: rot, blau, weiß und schwarz. Durch die kontrastreichen Farben, in der die Personen gekleidet sind, steht jede für sich selbst und grenzt sich von den anderen ab. Mit großer blauer Schrift wird im oberen rechten Bereich die Schauspielerin Pola Negri angepriesen, die sich zu dieser Zeit bereits einen Namen gemacht hatte. Im unteren Plakatbereich ist mit dunkler Schrift der Titel des Paramount-Filmes zu erkennen.
Betrachten wir nun die augenscheinliche Hauptperson des Plakates. Andächtig schaut sie auf den vor ihr knienden Mann, sein Mund auf ihrer Hand ansetzend zum Kuss. Sie wird links vom Plakat durch ihre Größe im Gegensatz zu den Männern hervorgehoben und fällt durch einen weiten, weißen Umhang auf. Ihr Körper ist geschmückt mit Diamanten und Perlen.
Die drei Männer auf der rechten Seite des Plakates könnten nicht unterschiedlicher auf die Betrachter*innen wirken. Hintereinander aufgereiht, scheinen sie alle andere Ziele zu verfolgen. Der Vorderste hat seinen Blick auf die Hand der Frau gerichtet, seine Aufmerksamkeit ganz bei ihr mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Der Mann in der Mitte schaut ebenfalls zu ihr, jedoch mit ernstem Blick und etwas angehobenem Kopf, wodurch er hochnäsig wirkt. Der Hintere hat als Einziger seinen Blick auf die beiden anderen Männer gerichtet.
Das Plakat, das sich vor uns befindet, gehört zum 1928 erschienenen Film DIE LIEBSCHAFTEN EINER SCHAUSPIELERIN, in dem die Schauspielerin Pola Negri die Hauptrolle der Rachel spielt.
Die junge Rachel, die aus einer armen Bauernfamilie stammt, wird durch die Finanzierung dreier einflussreicher Männer zur Hauptdarstellerin an der »Comedie Francaise«. Die drei Männer sind in sie verliebt. Sie selbst verliebt sich jedoch in Raoul Duval, den zukünftigen Botschafter in Russland. Einer der drei Verehrer droht, die Liebesbriefe, die Rachel an Raoul schreibt, zu veröffentlichen. Um ihn zu schützen, wendet sich Rachel von Raoul ab.
Dieser geht nach Russland, und der Film endet mit Rachel, die erschöpft von der Liebe und dem Leben stirbt. Pola Negri war beim Dreh schon 31 Jahre alt. Das war für die damalige Filmbranche ungewöhnlich, gerade für diese Art von Film. Sie bekam trotzdem die weibliche Hauptrolle, die im Film von allen begehrt werden sollte. Das Filmgenre war keine Neuheit für Negri, oftmals handelten ihre Filme von der Männerwelt, die ihr in Scharen verfiel und letztendlich in mörderischen Kämpfen um sie endeten.
An ihrer Seite stand der nicht weniger bekannte Nils Asther, der durch Filme wie LACH, CLOWN, LACH oder HER CARDBOARD LOVER bekannt wurde.
Gerade hinsichtlich der Stereotypisierung des weiblichen Geschlechtes sollte der Film kritisch betrachtet werden. Die Frau ist existenziell auf die Hilfe von Männern angewiesen, denn ohne sie könnte sie der Armut nicht entfliehen. Sie ist damit strukturell der Gunst männlich erlesener Personen ausgeliefert. Um den Ruf des Mannes, den sie liebt, zu schützen, verzichtet sie zuletzt auf ihr eigenes Glück und stirbt. Ihr Geliebter wiederum geht nach Russland und kann wie geplant die Karriereleiter erklimmen.
Das Bild, das zurückbleibt, ist das einer Frau, die existenziell von ihrer Liebe zu einem Mann abhängt, während der Mann sein Leben einfach fortzusetzen scheint. Die weibliche Hauptrolle nimmt ein tragisches Ende, und die männlichen Akteure leben ihr Leben weiter wie zuvor.

von LEA THUNERT





Am Rande des Todes (1929)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: AM RANDE DES TODES
Deutsche Erstaufführung: Frühjahr 1929
Plakatgestaltung: Boris Streimann
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Am Rande des Todes (1929)

Während das trockene Gras der Flugfelder zu riechen ist und sich Gerüche langsam mit denen eines beschäftigten Flugalltages vermischen – Kerosin, Gummi und allerlei Weiteres – schießen blaue Blitze durch den goldenen Himmel des frühen Abends. Bei genauerer Betrachtung entpuppen sie sich als Doppeldeckerflugzeuge, die in waghalsigen Manövern nahezu unmögliche Wenden, Sturzflüge und Loopings vollbringen. Das Plakat von AM RANDE DES TODES möchte die Zuschauer*innen dazu einladen, sich eine solche Szene vorzustellen. Wie der Titel schon vermuten lässt, ist die dargestellte Momentaufnahme eine, die sich zwischen Tapferkeit und Leichtsinn bewegt. Es fällt auf, dass sich die Produktionsfirma sicher ist, dass die dargestellte Szene allein – ohne die Hilfe von großen Namen der Filmstars zu nutzen – die Zuschauer*innen anlocken soll. Keine Verweise auf Regie oder Darsteller*innen sind zu finden, was durchaus unüblich für ein Filmplakat ist.
Vor dem angesprochenen goldenen, nahezu wolkenfreien Himmel sind zwei sattblaue Doppeldecker abgebildet, von denen einer aus dem rechten oberen und einer nach links aus dem Plakat hinausfliegt. In beiden sitzt ein Pilot mit derselben braun-ledernen Montur, inklusive Fliegerbrille und Kappe. Beide Flieger haben, beziehungsweise hatten jedoch einen weiteren Passagier dabei. Vom rechten Flugzeug, genauer gesagt seinem Flügel, ist ein Hund mit schwarz-grauem Fell mit dem Ziel abgesprungen, auf dem anderen Flugzeug zu landen. Sein Maul ist leicht geöffnet, und er scheint sehr sicher zu sein, dass er auf dem Flugzeug unter ihm landen wird. Im anderen Flieger bekommt der Pilot dies gar nicht mit, sein Passagier allerdings schon. Er blickt voller Schrecken nach vorne auf den Hund und trägt weder Kappe noch Brille, während er sich halb aus dem Flugzeug lehnt. Im unteren Teil des Plakates befindet sich in knallig roten Buchstaben der Titel des Filmes. Durch die nach rechts gezogenen Linien wird Geschwindigkeit angedeutet, womit es so wirkt, als ob die Buchstaben aus dem rechten Bildrand ins Plakat geflogen seien.
Selbst in der heutigen Zeit weckt das Plakat den Wunsch nach zusätzlichen Informationen. Handelt es sich hier um eine Kampfszene, obwohl die Bewaffnung der Flieger weggelassen wurde? Soll die Abwesenheit der Bewaffnung ein Zeichen dafür sein, dass es sich dabei um eine Flugshow handelt, bei der Mensch und Tier ihr Leben riskieren, um zu unterhalten? Ist hier gar der Hund der eigentliche Star und eine frühe Form von LASSIE oder RINTINTIN zu betrachten?
Leider wird keine dieser Fragen beantwortet. AM RANDE DES TODES gilt als verschollen und selbst die Spur zum englischen Film THE AVIATOR aus demselben Jahr, die nur durch die Ähnlichkeiten der vermuteten Haupt- darsteller (Edward Everett Horton) sowie die Fokussierung auf Flugzeuge in den Sinn kommt, führt ins Leere, denn auch THE AVIATOR gilt als verschollen.
So endet man beim Plakat des Filmes AM RANDE DES TODES zwar dort, wo man anfing. Aber vielleicht bindet das Plakat genau deshalb den Blick so effizient. Mit den hypnotisch starken Farben, der waghalsigen Szene und allem drumherum lässt das Plakat einen zum Betrachtenden vom Boden aus werden. Unwissend darüber, was genau zu beobachten ist, aber gefesselt von den Bildern selbst. Es ist, als ob man nicht mehr vor einem Plakat stünde, sondern sich plötzlich auf einem Flugfeld wiederfinden würde, den Blick gen Himmel gerichtet und verharrend in einem kurzen Augenblick. Ein Augenblick, der in seinen Details und mit seiner Geschichte an die Zeit verloren ist, aufbewahrt durch das Plakat. Am Ende hat AM RANDE DES TODES damit seinen eigenen Tod überdauert.

von TOBIAS M. HERSCHEID





The Pilgrim (1929)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: DER PILGER
Originaltitel: THE PILGRIM
Deutsche Erstaufführung: Ende 1929
Plakatgestaltung: Konrad Neubauer (Conny)
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The Pilgrim (1929)

Das helle Gelb des Hintergrundes trifft das Schwarz seiner Kleidung. Wie ein greller Lichtschein, der ihn zu entlarven versucht. Mit weitem Schritt und argwöhnischem Gesichtsausdruck läuft er auf mich zu. Sein Schuh trifft mich plump. Grauer Hautton, flüchtige Bewegungen. Die schwarze Kleidung lässt ihn elegant aussehen. Hut und geknöpfter Mantel trägt gewöhnlich niemand auf der Flucht. Seine Mimik und Gestik wirken ruhelos und hektisch. Mein Blick richtet sich auf ihn. Sein Blick wendet sich ab. Heimlich schleicht er vorbei, meinem Auge aber entkommt er nicht. Seine Augen blicken aufgerissen auf eine Hand über ihm. An ihr hängt ein Holzknüppel, der ihn anscheinend bedroht.

Wovor fliehst du, Charlie?

Das Filmplakat illustriert den bizarren Plot des Filmes. Schriftzüge verstreuen sich über das Plakat, Schriftform und -farbe weichen in ihrer Ausführung voneinander ab. In geschwungener Schreibschrift: »Charles Chaplin« und der deutsche Titel DER PILGER. Der Originaltitel sticht zwar in Druckschrift hervor, die rote Farbe der Schreibschrift zieht die Aufmerksamkeit aber auf sich. Diese verspielte Schrift steht konträr zur gehetzten Stimmung. Das Gelb des Hintergrundes stellt ein Gegenpol zum düsteren, negativ assoziierten Schwarz dar. In seiner Gestaltung ist das Filmplakat so kontrastreich wie die Handlung des Filmes selbst. DER PILGER ist eine satirische Komödie über Religion.
Als Häftling eines Zuchthauses flieht Chaplin und täuscht die Bewohner*innen eines Dorfes, verkleidet als Pfarrer. Er hält einen Gottesdienst, in dem er die Legende von David und Goliath pantomimisch darstellt. Die wahre Identität Charlies wird allerdings vom ansässigen Sheriff enthüllt. Trotz einiger Vorbehalte möchte er Charlie zur Freiheit verhelfen. Der aber versteht nicht, was der Sheriff vorhat. Seine Verwirrung und Stumpfsinnigkeit nerven den Sheriff, weshalb er Charlie mit einem Fußtritt über die Grenze nach Mexiko schleudert. In Mexiko ist Charlie von ziellos herumschießenden Banditen umgeben. Sein freies Leben ist nicht sicherer. Er spaziert mit einem Fuß in Mexiko, mit dem anderen in den USA. Zwischen Ganoven und dem Sheriff. Wieder flüchtend, ohne frei zu sein. Oder doch frei und flüchtend zugleich?
Trotz zunehmender Freiheit in Kunst und Kultur in den 1920er Jahren stößt Chaplins DER PILGER auf Ablehnung. Im US-Bundesstaat Pennsylvania wird der Film verboten. Er mache das Priesteramt lächerlich. Für Chaplins Filme war die parodierende Darstellung politischer Stellungnahmen typisch. Seine avantgardistische Kunst steht in Diskrepanz zum Konservatismus in den USA. Auch die künstlerische Arbeit des Plakatgestalters Conrad Neubauer wird anscheinend kritisch betrachtet: Der Gestalter des Plakates gerät 1933 ins Visier der Gestapo und nach ihm wird gefahndet.

von CLARA EBELING



Das alte Lied

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: DAS ALTE LIED
Deutsche Erstaufführung: 16.10.1930
Plakatgestaltung: Paul Döri
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Das alte Lied (1930)

»Ein Melodrama par excellance!«, hieß es in Berlin, als Erich Waschnek die Uraufführung des Tonfilmes DAS ALTE LIED am 16. Oktober 1930 vorstellte. Bei der Betrachtung des Plakates sind wir dem durchdringenden Blick der verführerischen Baronin Eggedy (Lil Dagover) ausgesetzt: Sie trägt selbstbewusst roten Lippenstift und hat dünne schwarze Augenbrauen, die ihre geschminkten Augen umranden. Eine rosa Federstola schmückt außerdem ihr Gesicht. Ein mysteriös erscheinendes Gesicht. Der tiefe Schatten darauf bekräftigt diese Wirkung.
Die Geschichte dieses Filmes handelt aber von einem jungen Mann namens Hans von Langen (Igo Sym), der eine junge blonde Verkäuferin namens Annerl Haslinger (Lien Deyers) kennenlernt und sich verliebt. Seiner Mutter gefällt das bürgerliche Mauerblümchen nicht. Deshalb schickt sie ihren Sohn auf eine Reise nach Budapest. Dort verführt die geheimnisvolle Baronin Eggedy den jungen Hans. Bald wird ihm jedoch klar, dass er Annerl liebt, was er der Baronin erzählt. Sein Plan ist es, zurück nach Wien zu fahren, um Annerl seine Liebe zu gestehen. Eggedy kommt ihm aber zuvor, reist auch nach Wien und gibt sich vor Annerl als Hans’ Verlobte aus, um sie zu täuschen. Das junge Mädchen bricht zusammen und wird daraufhin von einem Auto erfasst. Sie stirbt im Krankenhaus mit der glücklichen Halluzination, dass Hans sie doch liebt und bei ihr ist. Nach einer Auseinandersetzung wird Hans von der Baronin erschossen.
Erscheint dies immer noch wie ein romantisches Melodrama erster Klasse?
Die Baronin Eggedy ist kaltherzig und brutal. Dennoch ist sie in dieser Geschichte die überlegene Frau. Überlegen gegenüber Hans, seiner Mutter und Annerl sowieso. Sie scheint das völlige Gegenteil von Annerl zu sein: dunkelhaarig, adelig und skrupellos. Eine Dame, die sich nimmt, was sie will, ohne Rücksicht auf andere. Wieso zerstört die Baronin das Liebesleben der Figur der Annerl? Die dramatische Erfindung des Liebesdramas verschiedener Klassen, à la Reich gegen Arm (oder andersherum), ist ein Klassiker. Ein Klassiker, der laut der Zeitung Film-Kurier besonders viele weibliche Personen angelockt haben soll. Von einem »vor Freude glucksenden, tränenbreiten, beifallsfrohen Frauenpublikum« war die Rede.
Wieso waren diese Frauen im Jahr 1930 so gerührt? Gerührt von Annerl, die bis in ihren Tod an die Liebe glaubt? Oder ist es die Figur der Eggedy, die für ihren Triumph gefeiert wird? Egal wie, es scheint ein Publikum der »Nebenstraßen, des zweiten Stocks« gewesen zu sein. Kino für Frauen war zunächst etwas Lächerliches, wohin Frauen gingen, um zu weinen. Sie wurden zu diesem Zeitpunkt als keine ernstzunehmende Zielgruppe angesehen. Erst Anfang der 1970er Jahre verwandelte sich das Frauenkino in etwas Positives.
Das Kontrastieren zweier weiblicher Archetypen ist längst überholt. Die »dunkle Verführerin« und das süße »Girl-Next- Door« stehen sich hier gegenüber. Vermutlich bot es eine Ebene der Identifikation für das junge weibliche Publikum der 1930er Jahre: Bin ich Eggedy oder Annerl? Wer bekommt die Liebe? Wer bekommt den Mann? Laut Verleihtitel heißt die Antwort darauf: Zu jedem kommt einmal die Liebe. Zu jeder gewiss auch.

von BEATRIZ WAHLER VAZQUEZ





Schatten der Unterwelt (1931)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: SCHATTEN DER UNTERWELT
Deutsche Erstaufführung: 27.04.1931
Plakatgestaltung: unbekannt
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Schatten der Unterwelt (1931)

James Bond: eine Erfindung aus Hollywood. Ein Frauenheld, der Bösewichte bis ans Ende der Welt verfolgt, dabei eine schöne Frau an seinem Arm. Eine Filmfigur, die von Klischees nur so durchtränkt ist: Ein starker Mann rettet die Welt, während die Dame nur dabei zusehen kann und schön aussieht. Die Figur des James Bond entspringt allerdings einer Idee, die bereits in früheren Filmproduktionen umgesetzt wurde. In der Weimarer Republik verkörperte der beliebte Abenteurer Harry Piel sein Pendant. Dieser spielte den Draufgänger Harry West, der (ähnlich wie Bond) immer wieder in prekäre Situationen gerät, aus denen er sich befreien muss.
Piels Abenteuerdrama SCHATTEN DER NACHT (UNTERWELT) wurde in Deutschland im April 1931 uraufgeführt und folgt in seinem Aufbau einer typischen Action-Geschichte: Der Erfinder West wird fälschlicherweise eines Bankraubes bezichtigt, kann der Polizei aber immer wieder entfliehen.
Die Verfolgungsjagd führt von Deutschland in die Schweiz und dort schließlich nach St. Moritz. An seiner Seite ist die reiche Erbin Irene von Sheridan (Dary Holm). Die beiden finden gemeinsam heraus, dass der Bankdirektor der eigentliche Dieb ist und die Schuld auf West abwälzen will. Der rettet die schöne Frau vor dem aufdringlichen Bankdirektor, muss nach einem großen Showdown zwischen den beiden allerdings ein letztes Mal vor der Polizei flüchten, die ihn noch immer verdächtigt. Er verspricht Irene ein baldiges Wiedersehen und verschwindet endgültig.
95 Minuten lang dürfen die Zuschauer*innen Piel also dabei zuschauen, wie er den gefahrenliebenden Verführer und Helden gibt. Der Film, bei dem er ebenfalls Regie führte, folgt dabei weit verbreiteten Klischees: Der Mann ist der Held, die Frau hingegen nur begehrenswert und muss von ihm schlussendlich gerettet werden. Ein starker Mann trifft auf eine schwache Frau, die nichts zur Handlung beiträgt – außer ihrer Schönheit und dem Charakterzug, dass sie dem Held direkt und vollständig verfällt. Wie eine Requisite ist die Frau zwar anwesend und erhält etwas Leinwandzeit, aber immer nur im Zusammenhang mit der männlichen Hauptfigur.
Piel ist der Prototyp dieses starken Mannes. Er verkörpert das Erstrebenswerte, die zuschauenden Geschlechtsgenossen sollen ihn beneiden, die Frauen ihn begehren. Dies unterstreicht das Filmplakat, auf dem nur Harry West abgebildet ist. Keine Spur von einer weiblichen Hauptrolle, die in diesem Film sogar bei der Lösung des Falles hilft. Der nächtliche Hintergrund und der dunkle Untergrund treffen auf das kräftige Rot des schnellen Wagens. Ebenso wie in der Handlung dominiert Harry Piel auch das Plakat. Dessen Farbverlauf weckt Aufmerksamkeit und wirft bei den Betrachter*innen Fragen auf: Was passiert in dem verlassen aussehenden Haus im Hintergrund? Wer stiehlt sich dort auf der Leiter davon? Gelingt Wests gewagtes Unterfangen? Und welches Ziel sieht dieser vor sich, wie er so selbstbewusst hinter dem Steuer seines Wagens sitzt? Der Ausgang des Filmes scheint freilich bereits auf dem Plakat festgelegt: Harry Piel kann niemand anderes sein als der Held.
Das Plakat wirbt explizit damit, dass Harry Piel den Film auch selbst vertont hat. Lange hatte er noch an den Stummfilmen festgehalten, doch 1930 gelang ihm erfolgreich der Übergang zum Tonfilm, von dem SCHATTEN DER NACHT (UNTERWELT) einer seiner ersten war. Das reißerische Plakat vermittelt darüber hinaus eine einzige Gewissheit: Langeweile wird nicht aufkommen. Das sollen bereits die schillernden Farben vermitteln, die direkt die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen. Bunt, laut, stark, mächtig, männlich: Das ist Harry West. James Bond ist als Idealbild also keine neuzeitliche Erfindung, sondern reflektiert ein in der Filmlandschaft weit verbreitetes Geschlechterbild – damals wie heute.

von IRA SCHWINHORST



Bomben auf Monte Carlo (1931)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: BOMBEN AUF MONTE CARLO
Deutsche Erstaufführung: 31.08.1931
Plakatgestaltung: Boris Streimann
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Bomben auf Monte Carlo (1931)

Auf dem Plakat von BOMBEN AUF MONTE CARLO dominieren im Vordergrund Hans Albers als Kapitän Craddock und die geheimnisvolle Königin von Pontenero Yola I., gespielt von Anna Sten. Sie stehen gemeinsam auf dem Deck des Schiffes und scheinen sich in intensiven Blicken zu verlieren. Die Aufmachung des Plakates erweckt sofort die Aufmerksamkeit und Neugier der Betrachtenden.
Im Hintergrund des Plakates sind die mächtigen Kanonen des Schiffes zu sehen, die nach links ausgerichtet sind. Dies deutet auf die bevorstehende Konfrontation und die dramatische Wendung der Handlung hin. Die Kanonen symbolisieren das drohende Chaos, das der rebellische Kapitän Craddock anrichten könnte, um seinen Forderungen Gehör zu verschaffen.
Eingerahmt von den Kanonen sehen wir eine Gruppe von Männern, die in geordneter Reihe stehen. Sie wirken wie loyal ergebene Crewmitglieder, die auf den entscheidenden Befehl ihres Kapitäns warten. Diese Darstellung vermittelt den Eindruck von Spannung und einer bevorstehenden Auseinandersetzung.
Die Kombination der Elemente auf dem Plakat spiegelt die zentrale Handlung des Filmes wider. Kapitän Craddock, der sich weigert, die Königin von Pontenero an Bord zu nehmen, navigiert sein Schiff nach Monte Carlo, um mit dem Konsul zu sprechen. Dabei begegnet er der Königin inkognito im Casino. Die Begegnung führt zu einem unerwarteten Gefühlschaos, als der Kapitän sein gesamtes Vermögen verspielt und daraufhin mit der Drohung, das Casino zu bombardieren, für Aufsehen sorgt.
Während sich die Königin in den Kapitän verliebt, bleibt dieser seinem abenteuerlustigen Wesen treu. Er springt von Bord des Schiffes und sucht auf einem anderen vorbeifahrenden Schiff Zuflucht, während er nach Freiheit strebt. Das Plakat vermittelt die Spannung und den Konflikt zwischen den Hauptcharakteren sowie das Streben des Kapitäns nach Freiheit und Unabhängigkeit.
Hans Albers als Kapitän Craddock eroberte die Herzen der Zuschauer*innen auf der Kinoleinwand. Sein markanter Blick, der Abenteuerlust und Entschlossenheit ausstrahlt, verkörpert den kühnen Seefahrer, der allein durch sein Auftreten fasziniert.
Das Plakat von BOMBEN AUF MONTE CARLO fängt sowohl die Dynamik als auch die romantische Verwicklung der Handlung ein und verspricht dem Publikum ein aufregendes und unterhaltsames Filmerlebnis. Auf dem Plakat zeigt sich die Liebe zum Detail in den kunstvollen Illustrationen und der Farbwahl. Jeder Pinselstrich verleiht dem Plakat eine Lebendigkeit und lässt die Figuren beinahe aus dem Bild herausspringen.

von OLGA KOCHKOZHAROVA



Kiki (1932)

Aus der Sammlung von

Archiv der Massenpresse Patrick Rössler

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Kurzbeschreibung
Filmtitel: KIKI
Deutsche Erstaufführung: 22.09.1932
Plakatgestaltung: Willi Engelhardt
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Kiki (1932)

Eine ehrgeizige junge Frau steht selbstbewusst im Licht der Scheinwerfer. Blonder Bob, Polka Dots und Schleife. Mit ihren Händen in den Hüften und einem frechen Lächeln auf den Lippen beansprucht sie den Moment für sich.
Kiki ist kess, unbekümmert und einfallsreich. Ihr Blick ist fest auf das ambitionierte Ziel gerichtet, in einem Pariser Revuepalast als Star der Show aufzutreten. Um sich auf die Bühne zu schummeln, tanzt sie sowohl auf dem Parkett als auch im Wortsinn aus der Reihe und angelt sich ganz nebenbei noch den überrumpelten Theaterdirektor.
Anny Ondra – seit den späten 1920er Jahren ein Star des europäischen Kinos – steht hier für eine ihrer Lieblingsrollen vor der Kamera. Mit ihrem Auftritt in Hitchcocks BLACKMAIL als seine erste blonde Mörderin, im ersten englischsprachigen Tonfilm und als erste fremdsprachig synchronisierte Schauspielerin der Filmgeschichte etablierte sich die gebührte Tschechin
1929 als internationale Ikone. Als Mitbegründerin der Ondra-Lamac-Film-Gesellschaft sollte sie künftig über vierzig Filme produzieren. »Neben Anny Ondra haben es die anderen nicht leicht«, schreibt Annemarie Schmidt 1932 in ihrer Rezension zu KIKI in der Filmwoche, »Diese sprühende, quicklebendige Komikerin macht aus dem kleinsten Wort eine Pointe, alles, was sie sagt und tut, kommt mit einer Leichtigkeit heraus, überraschend und erschütternd komisch. Von Anfang an reißt sie ihr Publikum mit sich, mit der unerhörten Wandlungsfähigkeit ihrer Mimik, mit ihrem unbändigen Temperament, ihrer natürlichen Dreistigkeit, ihrer komischen Körperakrobatik, die niemals ungraziös wirkt.« Auch heute können wir uns ihrem überlebensgroßen Abbild nur schwer entziehen und schauen zu ihr hinauf.

von BEN WAIBEL

Eine virtuelle Ausstellung von

Team

Herausgegeben von Simon Frisch, Katrin Richter und Patrick Rössler.

Realisiert durch Jonas Rieger

Erschienen im LUCIA Verlag Weimar
Marienstraße 18
99423 Weimar
www.luciaverlag.de

Der LUCIA Verlag ist ein unabhängiger Non-Profit-Verlag, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Arbeiten aus dem studentischen Umfeld der Bauhaus-Universität Weimar zu veröffentlichen.

Erstellt mit :
DDB Studio
Ein Service von:
DDB Studio

Diese Ausstellung wurde am 29.11.2023 veröffentlicht.



Impressum

Die virtuelle Ausstellung Gefesselte Blicke wird veröffentlicht von:

Bauhaus-Universität Weimar & Universität Erfurt
i.A. von Simon Frisch, Katrin Richter und Patrick Rössler.


Universität Erfurt
Nordhäuser Str. 63
99089 Erfurt

Bauhaus-Universität Weimar
Geschwister-Scholl-Straße 15
99423 Weimar


gesetzlich vertreten durch

Patrick Rössler
E-Mail: patrick.roessler@uni-erfurt.de
Tel.: +493617374181

Telefon:
Fax:
E-Mail:  

Inhaltlich verantwortlich:

Simon Frisch, Katrin Richter, Patrick Rössler

Kurator*innen:

Mit Beiträgen von Simon Frisch, Kathleen Kühn, Katrin Richter, Patrick Rössler, Philip Bunk, Lea Creutz, Clara Ebeling, Mika Hagedorn, Tobias Herrscheid, Olga Kochkozharova, Nadine Koupaoglou, Kathleen Kühn, Liddy Rückert, Leonie Schäfer, Alina Schumann, Ira Schwinhorst, Lea Thunert, Beatriz Wahler Vasquez, Ben Waibel, Mareike Zank

Bei dieser digitalen Ausstellung handelt es sich um einen Ausschnitt der eigentlichen Ausstellung und des dazugehörigen Katalogs.

 

Rechtliche Hinweise:
Die Deutsche Digitale Bibliothek verlinkt die virtuelle Ausstellung auf ihrer Internetseite https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/content/virtuelle-ausstellungen. Dabei wurde auf die Vertrauenswürdigkeit der Institution, welche die Ausstellung veröffentlich hat sowie die Fehlerfreiheit und Rechtmäßigkeit der virtuellen Ausstellung besonders geachtet. Der auf dieser Internetseite vorhandene Link vermittelt lediglich den Zugang zur virtuellen Ausstellung. Die Deutsche Digitale Bibliothek übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte der virtuellen Ausstellung und distanziert sich ausdrücklich von allen Inhalten der virtuellen Ausstellung, die möglicherweise straf- oder haftungsrechtlich relevant sind oder gegen die guten Sitten verstoßen. 

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Stephan Bartholmei, Deutsche Digitale Bibliothek
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Design: 
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Technische Umsetzung:
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Hosting und Betrieb:  
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