Schulen und Ausbildungsstätten
Anna-Schmidt-Schule
Adresse: Blittersdorffplatz 39 (heute: François-Mitterrand-Platz)
1886 gründete die Pädagogin Anna Schmidt das private „Lyzeum Schmidt“, das insbesondere „Töchtern aus gutem Hause“ eine höhere Bildung ermöglichen sollte. Ab 1900 erhielt die Einrichtung die Anerkennung als höhere Lehranstalt für Mädchen. Während der Zeit des Nationalsozialismus gelang es unter der Leiterin Käthe Heisterbergk, jüdische Schülerinnen länger als an anderen Schulen in Frankfurt zu halten – noch 1938 legte hier eine Jüdin ihr Abitur ab. Während eines Luftangriffs im Zweiten Weltkrieg wurde das Schulgebäude am Blittersdorffplatz zerstört und bezog nach dem Krieg das heutige Gebäude im Gärtnerweg.
Die Anna Schmidt-Schule besuchte: Elisabeth Calvelli-Adorno
Holzhausenschule
Adresse: Bremer Straße 25
Die Holzhausenschule wurde 1929 als „simultane Bürgerschule für Knaben und Mädchen“ in der Eschersheimer Landstraße/Ecke Bremer Straße eröffnet. 1935 richtete die Schulleitung zwei Eingangsklassen ein, in die ausschließlich jüdische Kinder gingen - sie sollten von den anderen Kindern separiert werden. Insgesamt gingen 87 Kinder in diese Eingangsklassen.
Auf die Holzhausenschule gingen Manfred und Herbert Rosenthal, Felix Weil, Lisa Moos und Ruth Wellhöfer.
Israelitische Volksschule
Adresse: Röderbergweg 29
Die Israelitische Volksschule wurde 1882 gegründet und war der neo-orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft verbunden. Die Schule richtete sich an ärmere Familien, es musste kein bzw. nur ein geringes Schulgeld gezahlt werden. Nach der Gründung stiegen die Schüler*innen-Zahlen schnell an, 1891 konnte die Schule in ein neues Gebäude im Röderbergweg 29 ziehen. In der unmittelbaren Umgebung befanden sich zahlreiche jüdische Wohlfahrts- und Sozialeinrichtungen. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde das Schulgebäude für die Jüdische Wohlfahrt benötigt, die Volksschule zog zunächst in das Gebäude der Samson-Raphael-Hirsch-Schule und nach deren Schließung ins Philanthropin. Dort konnte sie bis Juni 1942 den Unterricht fortsetzen.
Auf die Israelitische Volksschule gingen: Leopold Bergmann, Lisa Baer, Mina und Hedy Schächter, Werner Dreifuss, Nora Bergmann, Cilly und Jutta Levitus, Ruth und Miriam Schames, Esther Edith Kleinberger, Manfred Hess, Hans und Ruth Selig
Israelitische Waisenanstalt
Adresse: Röderbergweg 87
Das Waisenhaus der Israelitischen Religionsgesellschaft wurde 1874, finanziert durch jüdische Sozial- und Wohlfahrtseinrichtungen, gegründet. Waren zu Beginn nur Waisenkinder aus Frankfurt zugelassen, nahm die Einrichtung ab 1935 auch Kinder von außerhalb Frankfurts auf, um ihnen Schutz vor der antisemitischen Atmosphäre in den umliegenden Dörfern und Kleinstädten zu bieten.
Geleitet wurde das Waisenhaus bereits seit 1918 vom Ehepaar Isidor und Rosa Marx. Das Ehepaar organisierte zwischen 1939 und 1940 erfolgreich Kindertransporte nach Palästina und Großbritannien. Isidor Marx begleitet dabei zahlreiche Kinder ins Ausland, so auch Anfang September 1939 nach England. Der Kriegsbeginn macht ihm die Rückkehr nach Deutschland unmöglich – das rettet ihm das Leben. Rosa Marx und die in Frankfurt verbliebenen Waisenkinder wurden 1942 in Konzentrationslager deportiert und ermordet.
Die Israelitische Waisenanstalt besuchten: Hannelore Adler, Werner Dreifuss, Josef Einhorn, Ruth Junker, Esther Edith Kleinberger, Jutta Levitus, Cilly Levitus, Hanna Levitus, Elfriede Meyer, Heinz Schuster
Jüdische Haushaltungsschule
Adresse: Quinckestr. 18-20 (heute: Königswarterstr.)
Die 1897 auf Initiative von Mitglieder*innen der Frankfurter Loge B‘nai B’rith gegründete Jüdische Haushaltungsschule bot in halb- bis ganzjährigen Lehrgängen Mädchen eine Ausbildung in Küche und Hauswirtschaft. Der Einrichtung war ein Mädchenwohnheim mit 60 Plätzen und ein Internat angeschlossen. Ab 1933 war es durch die vermehrten antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes vielen Jüdinnen und Juden nicht mehr möglich, ihren erlernten Beruf auszuüben oder eine Ausbildung zu erhalten. Die Einrichtung diente daher auch der Vorbereitung der Auswanderung: Mädchen aus dem Deutschen Reich sollten praktische Fähigkeiten erlernen, die in Aufnahmeländern wie Palästina dringend benötigt wurden. Der genaue Schließungszeitpunkt ist wegen Aktenverlusts nicht mehr feststellbar.
Die Jüdische Haushaltungsschule besuchte: Edith Stern
Jüdische Anlernwerkstätte
Adresse: Fischerfeldstraße 13
In der Jüdischen Anlernwerkstätte in der Fischerfeldstraße legten zeitweilig bis zu 130 Jungen ihre Grundausbildung ab. Das angebundene Wohnheim bot Raum für etwa 70 Auszubildende. Ziel der Anlernwerkstätte war es, Jugendlichen den Erwerb von praktischen Fähigkeiten zu ermöglichen, mit denen sie bessere Chancen hatten, ins Ausland zu emigrieren. Ab 1936 erhielt die Einrichtung den Status einer Berufsfachschule und ermöglichte so staatlich anerkannte Ausbildungen, u.a. zum Schreiner, Schweißer und Schuhmacher. Diese Kenntnisse waren gefordert, wenn eine Auswanderung über die Jugend-Alijah nach Palästina erfolgen sollte. Die Einrichtung wurde 1942 geschlossen, in Frankfurt verbliebene Auszubildende wurden in Zwangsarbeitslager deportiert.
Die Einrichtung besuchten: Leopold Bergmann und Walter Rosenthal
Kinderheim der Flersheim-Sichel-Stiftung
Adresse: Ebersheimer Straße 5
Das Kinderheim wurde 1863 mit den Mitteln der Julius und Amalie Flersheim’schen Stiftung gegründet, von 1930 bis 1941 befand es sich in der Ebersheimer Straße. Das Heim diente zur Erziehung und Ausbildung von Jungen aus der Israelitischen Gemeinde, ab 1933 suchten zunehmend auch Kinder aus dem Frankfurter Umland Schutz vor der antisemitischen Ausgrenzung. Im März 1938 konnten 28 Jungen durch die Hilfe von James Armand de Rothschild nach England ausreisen. Im September 1939 wohnten wieder 48 Kinder in dem Heim. Der Versuch, für sie eine Ausreise nach Ecuador auszuhandeln, scheiterte. Die Kinder und das Heimpersonal wurden ab 1941 deportiert und ermordet. In der Ebersheimer Straße erinnert seit 2019 ein Gedenkstein an das Kinderheim.
Das Kinderheim der Flersheim-Sichel-Stiftung besuchte Felix Weil.
Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge
Adresse: Hans Thoma-Str. 24
Das Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge wurde 1911 eröffnet. Hervorgegangen ist es aus dem von Bertha Pappenheim und Henriette Fürth im Jahr 1901 gegründeten Verein der Weiblichen Fürsorge. Das Kinderhaus bot bedürftigen jüdischen Kindern Unterkunft, Verpflegung und Erziehung. Das Haus verfügte über 50 Plätze für Kinder vom Säuglingsalter bis zum sechsten Lebensjahr. Ab 1942 veränderte sich die Zusammensetzung des Kinderhauses grundlegend, weil Kinder aus anderen Unterkünften, die von den Nationalsozialisten geschlossen wurden, dort einziehen mussten. Im September 1942 lebten im Kinderhaus 74 Kinder und Erwachsene. Am 15. September 1942 räumte die Gestapo das Haus. Der überwiegende Teil der Bewohner*innen wurde deportiert und ermordet.
In dem Kinderhaus lebte Josef Einhorn.
Philanthropin
Adresse: Hebelstraße 15-19
Das 1804 gegründete Philanthropin, seit 1810 koedukativ angelegt und seit 1908 in der Hebelstraße angesiedelt, war eine überregional renommierte Bildungsanstalt mit einem Volks- und Realschulzweig sowie einem Gymnasium. Die Schule wurde von der Israelitischen Gemeinde getragen, war aber konfessionell offen. Mit dem Ausschluss jüdischer Schüler*innen aus den staatlichen Frankfurter Schulen und dem Zuzug jüdischer Kinder aus dem Umland stieg die Zahl der Schüler*innen am Philanthropin zunächst stark an, reduzierte sich aufgrund der Emigration von Familien bis 1938 wieder etwas. 1939 konnten am Philanthropin zum letzten Mal Schüler*innen das Abitur machen. Im Juli 1942 wurde die Schule geschlossen. 1966 wurde mit der I.E. Lichtigfeld-Schule die erste jüdische Schule in Deutschland nach der Shoah eröffnet, 2006 zog die Schule in das Gebäude in der Hebelstraße. 2021 absolvierte der erste Jahrgang seit 1939 dort wieder das Abitur.
Das Philanthropin besuchten: Ellen Adler, Manfred Rosenthal, Herbert Rosenthal, Felix Weil, Karl Robert Würzburger, Karl Kleinberger, Edith Levi, Ruth Eckhaus, Erika Jaffe, Walter Rosenthal, Edith Stern, Ruth und Margot Bauer, Anne Grünbaum, Hans und Ruth Marx, Marion Lore Stern, Ruth Wellhöfer, Lili Fürst, Renate Adler
Rabbinische Lehranstalt Jeschiwa (Hoffmann’sche Jeschiwa)
Adresse: Theobald-Christ-Straße 6
Die Rabbinische Lehranstalt war 1892 vom Rabbiner Dr. Markus Horovitz gegründet worden. Unter ihrem späteren Leiter Dr. Jakob Hoffmann machte sie einen tiefgreifenden Wandel durch, weshalb sie auch Hoffmann’sche Jeschiwa genannt wurde. Deren Besonderheit bestand darin, dass neben der religiösen Ausbildung auch Lehrinhalte der höheren Schulen vermittelt wurden. Auf diese Weise sollten die Zöglinge auch auf das Abitur, ein Studium bzw. ihr späteres Berufsleben vorbereitet werden. Hoffmann, der zionistisch orientiert war, bemühte sich auch um Auswanderungsmöglichkeiten für die Studierenden, einige von ihnen gelangten mit der Kinder- und Jugend-Alijah nach Palästina. Die Lehranstalt wurde am 10. November 1938 geschlossen.
Radiloschule
Adresse: Assenheimer Str. 38-40
Über die Radiloschule in Frankfurt-Rödelheim ist wenig bekannt. Die Radiloschule wurde 1904 als Mädchenschule erbaut. Auf dem gleichen Gelände wurde 1907 das Gebäude der Rödelheimer Knabenschule (ab 1914 Körnerschule) errichtet. Im Gebäude der Radiloschule wurden die Mädchen, in der Körnerschule die Jungen unterrichtet. Zeitweise besuchten mehr als 1.000 Kinder die beiden Schulen.
Die Radiloschule besuchte Edith Stern.
Samson-Raphael-Hirsch-Schule
Adresse: Am Tiergarten 8 (heute: Bernhard-Grzimek-Allee 6)
Die neo-orthodox ausgerichtete „Realschule der Israelitischen Religionsgesellschaft“ wurde 1853 gegründet und stand Jungen wie Mädchen offen. Sie finanzierte sich durch Schulgeld und Spenden. 1881 bezog die Schule das Gebäude gegenüber dem Zoo. In den Jahren nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten veränderte die Schule ihren Lehrplan, um die Schüler*innen auf eine mögliche Auswanderung vorzubereiten. Nach den Novemberpogromen konnte der Schulbetrieb aufgrund unterschiedlicher antisemitischer Maßnahmen kaum noch aufrechterhalten werden. Im März 1939 wurde die Schule aufgelöst. Die verbliebenen 84 Schüler*innen ging in Klassen der Israelitischen Volksschule und des Philanthropins über, ein kleiner Teil wurde durch Kindertransporte gerettet.
Die Samson-Raphael-Hirsch-Schule besuchten: Lisa Baer, Mina und Hedy Schächter, Lisa und Walter Schnerb, Leo und Felix Weiss, Anselm Hirsch, Elfriede Meyer, Heinz Schuster, Dorothy Griesheimer, Cilly und Jutta Levitus, Ruth und Miriam Schames, Esther Edith Kleinberger, Hanna Levitus, Manfred Hess, Dina Mainzer, Hans und Ruth Selig, Lina Liese Carlebach, Josef Einhorn, Karola Ruth Siegel
Schwarzburgschule
Adresse: Lenaustraße 81
Die Schwarzburgschule im Nordend erhielt 1921 den Status einer Reformvolksschule. Der Unterricht fand in altershomogenen Klassen statt, Jungen und Mädchen wurden getrennt voneinander unterrichtet. Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten richtete sich die Schwarzburgschule streng nationalpädagogisch und nationalsozialistisch aus. Die Schüler*innen wurden gedrängt, in nationalsozialistische Jugendverbände einzutreten. Jüdische Eltern nahmen ihre Kinder in dieser Zeit von der Schule. Bereits zwei Jahre später gab es an der Schule keine jüdischen Kinder mehr. Flora Pick, die einzige jüdische Lehrerin, wurde 1934 entlassen.
Die Schwarzburgschule besuchte Karl Robert Würzburger.
Tora-Lehranstalt Jeschiwa (Breuer‘sche Jeschiwa)
Adresse: Friedberger Anlage 4
Die Tora-Lehranstalt Jeschiwa wurde 1892 vom Rabbiner Dr. Salomon Breuer gegründet. Die Breuer‘sche Jeschiwa, wie sie auch genannt wurde, sollte das intensive Studium der Tora und der rabbinischen Literatur ermöglichen. Neben Kursen für Erwachsene wurden auch Kurse für Schüler*innen angeboten. Bereits 1933, nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, versuchte die Leitung, die Jeschiwa nach Fiume in Italien zu verlegen, was jedoch scheiterte. Zahlreiche Schüler*innen der Jeschiwa konnten jedoch in die USA emigrieren. Am 1. April 1939 mussten alle Tora-Lehranstalten geschlossen werden.
Toralehranstalt Thauras Mausche
Adresse: Ostendstraße 18
Gegründet und geleitet wurde die Lehranstalt von Rabbiner Moses Schneider, der 1917 aus Litauen nach Frankfurt gekommen war, sie wurde daher auch Schneider’sche Lehranstalt genannt. Die Lernenden waren in erster Linie osteuropäische Jüdinnen und Juden, die zum Studium nach Frankfurt gekommen waren, aber auch Kinder von Eingewanderten, die begleitend zu ihrer Arbeit oder Schule abends dort lernten. Etwa 50 Personen besuchten den dortigen Unterricht. Während der Novemberpogrome wurden die Räumlichkeiten der Jeschiwa von Nationalsozialisten zerstört. Moses Schneider konnte in der Folge mit vielen seiner Schüler*innen nach London entkommen, dort führte er die Jeschiwa weiter.
Varrentrappschule
Adresse: Bismarckallee (heute: Theodor-Heuss-Allee 25)
Die Varrentrappschule, eine Volksschule, wurde 1898 als „simultane Bürgerschule für Knaben und Mädchen“ errichtet. Wie an der Holzhausenschule wurden auch an der Varrentrappschule eigene Klassen für die jüdischen Kinder vorgesehen, „um die arischen Kinder dem jüdischen Einfluss vollständig zu entziehen“, wie der Oberbürgermeister Friedrich Krebs dem Regierungspräsidium am 24. Juni 1935 mitteilte. Daraufhin verließen die jüdischen Kinder nach und nach die Schule und wechselten unter anderem auf das Philanthropin.
Die Varrentrappschule wurde von Lili Fürst besucht.
Wöhlerschule
Adresse: Lessingstraße 1
Die Wöhlerschule wurde 1870 von der Polytechnischen Gesellschaft als Gymnasium für Jungen gegründet und befand sich in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg in der Lessingstraße. Aufgrund ihrer Lage im Frankfurter Westend, wo viele Jüdinnen und Juden wohnten, war der Anteil jüdischer Schüler*innen auch an der Wöhlerschule hoch. Dennoch wurden ab 1933 die jüdischen Jungen systematisch vertrieben und wechselten häufig auf das jüdische Gymnasium im Philanthropin. 27 ehemalige Wöhlerschüler*innen sind Opfer von Deportationen in Vernichtungslager geworden, daran erinnert heute eine Gedenktafel vor der Schule. Wenige Schüler konnten mit Kindertransporten aus Deutschland entkommen.
Die Schule besuchte: Karl Robert Würzburger