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Süßer die Glocken nie klingen ...

Kirchenglocken erzählen

Landeskirchliches Archiv Kassel


Frère Jacques in dem Kinderbuch Vieilles Chansons les Petits Enfants 1910

Aus der Sammlung von

Wikimedia Commons

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Quelle

Widor, Charles Marie, 1844-1937 (book text), Louis-Maurice Boutet de Monvel,1855-1913 (illustration) - Library of Congress

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Frère Jacques in dem Kinderbuch Vieilles Chansons pour les Petits Enfants von 1910 (Ausschnitt)


Das Glocken-Universum

Glocken, Kirchenglocken eröffnen ein Universum. Der Klang der Glocken verbindet Himmel und Erde, begleitet das Leben, läutet bei Taufe und Beerdigung. Glocken strukturierten früher den Tagesablauf. Und Glocken berühren. 

Es gibt unzählige Gedichte und Lieder über Glocken, in vielen Sprachen - etwa Schillers "Lied von der Glocke", Goethes "wandelnde Glocke" von dem Kind, das nie zur Kirche sich bequemen wollte, oder Christian Morgensterns "Bim Bam Bum" vom Glockenton BAM, der durch die Nacht fliegt auf der Suche nach der Glockentönin BIM.

"Frère Jacques" ist ein weit verbreitetes französisches Kinderlied, aus dem 18. Jahrhundert, hierzulande besser bekannt als "Bruder Jakob". Es handelt von einem Mönch, der Nachtwache hat und zum Gebet hätte läuten müssen, aber eingeschlafen ist und nun geweckt wird.

Die Glocken-Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Kassel umfasst rund tausend Jahre und spannt den Bogen von der Lullusglocke zu Hersfeld (11. Jahrhundert) bis zum Carillon der Karlskirche in Kassel. Erzählt wird von Glocken mit Pilgerzeichen aus dem 15. Jahrhundert, von einer Spendenaktion für eine neue Glocke aus dem 18. Jahrhundert, eine Trauergeläut-Geschichte aus dem 19. Jahrhundert, von einer Adolf Hitler Glocke und einem Glocken-Ringtausch während des Zweiten Weltkriegs.    

   



Lullusglocke zu Hersfeld 11. Jahrhundert

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, H Nachlass Friedrich Ernst Hoffmann, Nr. 238

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Friedrich Ernst Hoffmann, Zeichnung der Lullusglocke zu Hersfeld aus dem 11. Jahrhundert, um 1900

Lullusglocke zu Hersfeld, 11. Jahrhundert

Im Katharinenturm der Stiftsruine von Bad Hersfeld, ehemals die Kirche der Reichsabtei, hängt eine Bienenkorbglocke. Wegen ihrer Form werden so Bronzeglocken genannt, die bis ins späte 12. Jahrhundert entstanden. Wenn eine Lesart der stark abgekürzten Inschrift stimmt, wurde die Hersfelder Glocke am 24. Juni 1038 von Gwenon unter Abt Meginhar gegossen. Damit wäre sie die älteste genau datierbare Glocke in Deutschland.

Ihren Name erhielt sie, weil sie lange nur zum Volksfest erklang, das in Hersfeld um den Tag des Lokalheiligen Lullus (16. Oktober) herum stattfindet, und zwar durch Anschlagen. 2002 wurde sie saniert und kann seither wieder von Hand geläutet werden. Seit 2007 erklingt sie an Weihnachten, zum Jahreswechsel, an Ostern und Pfingsten.

Die maßstabsgerechte Zeichnung der Lullusglocke fertigte Friedrich Ernst Hoffmann für die großformatige Publikation „Beiträge zur Glockenkunde des Hessenlandes“, die er 1906 mit Bernhard Zölffel veröffentlichte.

Der preußische Baubeamte Friedrich Ernst Hoffmann (1824 – 1912) hatte seit seiner Jugend hessische Baudenkmale und auch Glocken gezeichnet. Nach dem Eintritt in den Ruhestand 1898 widmete er sich verstärkt der Campanologie, also der Glockenkunde.





Zuckerhutglocken um 1200 Niederthalhausen
Gutachten des Glockensachverständigen Dr. Lauer vom 27. April 1955

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Quelle

Landeskirchliches Archiv Kassel, C 3.5.2.1 Landeskirchenamt Spezialakten römisch, Nr. 6031 Kirche Niederthalhausen, 1948 – 1963

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Gutachten des Glockensachverständigen Dr. Lauer vom 27. April 1955 (Ausschnitt)


Zwei Zuckerhutglocken Niederthalhausen, um 1200

Im späten 12. Jahrhundert entwickelte sich der Glockenguss von den eher herb klingenden Bienenkorbglocken zu einer neuen Form, die einem Zuckerhut ähnelt. Sie ermöglichte einen lieblicheren Klang.

Zwei um 1200 entstandene Zuckerhutglocken sind im osthessischen Dorf Niederthalhausen erhalten. Der Kirchenbau ist auch in seinen ältesten Teilen wohl etwas jünger, so dass unklar bleibt, ob das seltene Geläut für einen Vorgängerbau oder einen anderen Ort gegossene wurde.

Der für den Kreis Rotenburg zuständige Glockensachverständige Pfarrer Dr. Erich Lauer erkannte bei einem Besuch 1954 den Wert der beiden Zuckerhutglocken und beschrieb sie in seinem Gutachten vom 27. April 1955. Darin schlug er auch vor, das Geläut um eine dritte Glocke zu ergänzen. Dazu kam es jedoch nicht.



Pilgerzeichen "Maria mit dem Jesuskind", Glocke Elgershausen 1452

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Quelle

Landeskirchliches Archiv Kassel, E 1 Pfarrarchiv Elgershausen, Nr. 2169 Glockenkunde, Baudenkmäler, 1910 – 2018

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Pilgerzeichen "Maria mit dem Jesuskind", Glocke Elgershausen 1452


Glocke mit Pilgerzeichen Elgershausen 1452

Das Geläut der Kirche von Elgershausen südwestlich von Kassel besteht aus zwei spätmittelalterliche Glocken, die Abgüssen von Pilgerzeichen tragen.

Die kleinen Metallmarken, meist mit einem Heiligenbild oder anderen Kennzeichen für den Wallfahrtsort, wurden dort verkauft und an Mäntel oder Hüte der Pilgernden genäht. Ob sie von Gemeindegliedern oder vom Glockengießer mitgebracht und warum sie in die Gussform gedrückt wurden, ist unklar. Vielleicht sollte der Segen der Heiligen so den Guss gelingen lassen und später durch das Läuten verbreitet werden. Jedenfalls sind Abgüsse auf Glocken wichtige und verbreitete Belege für Pilgerzeichen. Näheres dazu findet sich in der Datenbank www.pilgerzeichen.de, die im Mai 2022 in neuer Form online ging.



Skizzen und beschreibende Texte Glocke Elgershausen 1452, in: Heinrich Wenzel, Hessische Glockenkunde 1932, handschriftlich

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Quelle

Landeskirchliches Archiv Kassel, E 1 Pfarrarchiv Elgershausen, Nr. 2169 Glockenkunde, Baudenkmäler, 1910 – 2018

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Heinrich Wenzel, Hessische Glockenkunde 1932: Skizzen und beschreibende Texte zur Glocke in Elgershausen 1452


Die ältere Glocke von Elgershausen entstand laut Inschrift 1452 zu Ehren der Heiligen Maria und Georg. Da Georg auch unter den Heiligen auf der jüngeren Glocke von 1518 genannt ist, war die Kirche von Elgershausen vor der Reformation vielleicht ihm geweiht.

Ähnlichkeiten zu einer im Ersten Weltkrieg eingeschmolzenen Glocke in Frommershausen bei Kassel, die laut Inschrift 1459 „gebelen de homberg“ schuf, lassen vermuten, dass dieser Meister Göbel aus Homberg an der Efze auch die Elgershäuser Glocke von 1452 gegossen hat. Sie trägt Abgüsse von Pilgerzeichen aus Wilsnack, vom Michaelsberg bei Ovenhausen, aus der Heiligkreuzkapelle an St. Martin zu Kassel, aus Maastricht, Einsiedeln und aus dem oberhessischen Wehrshausen bei Marburg.

Vom Pilgerzeichen aus Wehrshausen ließ die Gemeinde Elgershausen 2006 Abgüsse anfertigen und zum Dank für Spenden verteilen, die das Restaurieren der beiden beschädigten spätmittelalterlichen Glocken ermöglichten. (Bild)

Im Pfarrarchiv Elgershausen, das seit 2015 im Landeskirchlichen Archiv Kassel deponiert ist, befinden sich Skizzen und beschreibenden Texte zu den beiden Glocken von dem Architekten und Campanologen Heinrich Wenzel aus Kassel-Wilhelmshöhe. Er dokumentierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Geläute in Nieder- und Oberhessen.



Zeichnung Glocke Hachborn 1715, in: Heinrich Wenzel, Hessische Glockenkunde 1931

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, E 1 Pfarrarchiv Ebsdorf, Nr. 211 Glockenangelegenheiten, 1931 – 1957

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Heinrich Wenzel, Hessische Glockenkunde 1931, Zeichnung Glocke Hachborn 1715

"Hachbornische freywillige Steuer zu einer Glocke" - Spendenaktion für einen Glockenguß 1715

Die Reformation bescherte den Gemeinden in der Landgrafschaft Hessen mit der Kastenordnung von 1530 ein Regelwerk für den Umgang mit ihren Finanzen. Es sah vor, dass auch die Kirchengebäude aus dem sogenannten Gotteskasten unterhalten werden sollten. Gerade die kirchlichen Kassen kleinerer Gemeinden waren aber oft chronisch unterfinanziert und konnten die Bauausgaben nicht oder nur zum Teil aufbringen.

Als in Hachborn südlich von Marburg 1715 die größere der beiden Glocken neu gegossen werden musste, startete daher eine Spendenaktion. Der Pfarrer und der Schultheiß als landgräflicher Ortsbeamter luden die Gemeindeglieder aus Hachborn und dem kleinen, eingepfarrten Nachbarort Ilschhausen für den 17. Januar 1715 in das geräumige Haus von Johann Heinrich Schnabel (heute Hachborner Straße 16), um sich in eine Spendenliste einzutragen.

Mit dem Erlös goss Jacobus Rincker die Glocke, die über zwei Jahrhunderte in Hachborn erklang. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie abgegeben. Dokumentiert ist sie in einer Zeichnung des Campanologen Heinrich Wenzel von 1931.





"Hachbornische freywillige Steuer zu einer Glocke" - Spendenaktion für einen Glockenguss 1715

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Quelle

Landeskirchliches Archiv Kassel, E 1 Pfarrarchiv Ebsdorf, Nr. 209 Kirchengebäude und Kirchhöfe, 1715 – 1902

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Abschrift der Spendenliste vom 17. Januar 1715 (Ausschnitt)


(Abschrift)

Den 17ten Januarii 1715, sindt die beydte Gemeinen Hagborn u. Ilshaußen, in Beyseyn des Pfarrern u. H[errn] Schuldheißen, in Johann Henrich Schnabels Hauß zusammen kommen, undt hat auff deren freündlichen Vorstellung, ein jeder nach seinem eigenen belieben zu der baufälligen Klocken, um eine größere, in die Kirche zu Hagborn, zu bekommen, gesteüert wie folget:

6 fl. [Gulden] der Hauptmann Haußmann. [Pächter des Vorwerks Haus Hachborn]
1 fl. 15 alb.[us] der Pfarr H[err] Heüßer.
1 fl. der H[err] Schuldheiß Müller.
3 fl. Philipps Fischer Gerichtsschöpf u. Kastenmeister
1 fl. 15 alb. Conradt Bodtenbender zeitiger Burgemeister zu Hagb:[orn]
1 fl. Gotthardt Neb zeitiger Burgemeister, zu Hagborn.
1 fl. 15 alb. Andreaß Dielln Burgemeister zu Ilshaußen.
1 fl. 15 alb. Georg schmidt.
1 fl. 15 alb. Johannes Krafft.
1 fl. 15 alb. Caspar Bendern.
1 fl. 15 alb. Conradt Müllern.
22 alb. 4 h[eller] Conradt Heüßer.
15 alb. Tobias Döringer.
1 fl. Johannes Müller.
15 alb. Andreaß schmidt.
15 [?] alb. Joh: Conradt Bienhaußen.
22 alb. 4 h. Reiz Spörer.
15 [?] alb. Johannes Heüßer jun.
1 fl. 15 alb. Hanß Henrich Schnabell.
[Keine Angabe] Philipps Funck.

Glockenschaden beim Trauergeläut in Lippoldsberg 1843

Das Begräbnis von Queen Elizabeth II. im September 2022 hat einen Eindruck davon vermittelt, wie sich die Kirchen in früheren Zeiten von Adligen verabschiedeten, die Einfluss auf sie hatten.

Nach kurhessischem Kirchenrecht (Ledderhose, 1785, S. 288) stand es den Familien mit Patronatsrechten an einer Kirche zu, dass dort „beym Absterben des adelichen Patrons, dessen Ehegattin, und Kinder […] so lange der Leichnam über der Erde steht, täglich, jedoch nicht über eine halbe, oder ganze Stunde“ geläutet wurde.

Umso mehr genossen entsprechende Rechte die Landesherren als Oberhäupter der protestantischen Kirchen in ihren Herrschaftsbereichen.

Das halb- oder ganzstündige Läuten an mehreren aufeinander folgenden Tagen ermüdete nicht nur die Glöckner, sondern auch das Material. So wuchsen die bereits vorhandenen Schäden an der großen Glocke von Lippoldsberg beim Trauerläuten für Kurfürstin Auguste von Hessen, geb. Prinzessin von Preußen (1780 – 1841). Zwei Jahre später brach die Glocke dann endgültig auseinander.

Glück im Unglück für die Gemeinde war, dass ihre romanische Kirche zu einem säkularisierten Benediktinerinnenkloster gehörte. Mit dessen Gütern hatte der fürstliche Staat in der Reformation die Pflicht übernommen, die kirchlichen Gebäude in Lippoldsberg zu unterhalten. Sie setzt sich in der weiterhin bestehenden Patronatsbaulast der Landeskirche fort. Pfarrer Krapf konnte sich also an die kurfürstliche Kirchenbehörde, das Konsistorium in Kassel, wenden und um Ersatz für die gesprungene Glocke bitten.





Umguss einer gesprungenen Kirchenglocke zu Lippoldsberg 1843

Aus der Sammlung von

Landskirchliches Archiv Kassel

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Quelle

Landeskirchliches Archiv Kassel, C 1.2 Gesamtkonsistorium Kassel Spezialakten, Nr. 1586 Umguss einer gesprungenen Kirchenglocke in Lippoldsberg, 1843 – 1885

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Glocke Lippoldsberg_1843_Trauergeläut Umguss-Gesamtkonsistorium Kassel Spezialakte 1586 a+b.jpg
Schreiben von Pfarrer Krapf an das Konsistorium, 4. Januar 1843

 (Abschrift)

Kurfürstliches Konsistorium!

Der Pfarrer Krapf zu Lippoldsberg berichtet wegen einer gesprungenen Glocke bezw. Anschaffung einer neuen für die dasige Kirche.

Vor etwa 15 bis 20 Jahren ist von den zwei Glocken der hiesigen Kirche die größere, ungefähr 15 Centner wiegend, gesprungen und schon damals ein Stück von einer Hand breit herausgefallen. Dieser Fehler hatte auf den Ton der Glocke keinen nachtheiligen Einfluß, bis vor beinah 2 Jahren der Sprung, in Folge des nach dem Ableben der höchstseligen Frau Kurfürstin angestellten Trauerläuten sich vergrößerte, und seitdem der reine Ton der Glocke sich gänzlich verlor.
Es wurde dem Landbaumeister Schnackenberg zu Hofgeismar alsbald eine Anzeige gemacht, und derselbe um Erwirkung eines Verlages zur Anschaffung einer neuen Glocke ersucht. Ueber den Erfolg habe ich bisher nichts vernommen. Da aber gestern Abend die Glocke, die schon seit 6 Monaten nicht mehr geläutet werden konnte, sondern nur angeschlagen wurde – beim Anschlagen des Betglockenläutens, in 4 große Stücke zertheilt, vom Thurm herabgefallen ist, und hiebei die zwei Läuter sehr leicht das Leben hätten verlieren können; so beeile ich mich, diese Angelegenheit zur Kenntniß Kurfürstlichen Konsistoriums zu bringen und gehorsamst zu bitten:

„Hochdasselbe wolle geneigtest dafür Sorge tragen, daß die hiesige Kirche – deren Baulichkeiten dem Staate obliegen – baldmöglichst wieder eine zweite Glocke erhalte.“

Lippoldsberg, am 4ten Januar 1843.

Der Pfarrer Krapf





Adolf Hitler Glocke Friedrichsbrück 1938, in: Heinrich Wenzel, Hessische Glockenkunde 1943

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, D 2.2 Dekanatsarchiv Kaufungen, Nr. 194 Heinrich Wenzel: Hessische Glockenkunde, Kirchenkreis Kaufungen, 1943

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AdolfHitlerGlocke_1938_Friedrichsbrück-Heinrich Wenzel 1943 Kaufungen 194.jpg
Heinrich Wenzel, Hessische Glockenkunde 1943, Zeichnung Glocke Friedrichsbrück 1938


Adolf Hitler Glocke, Friedrichsbrück 1938

Auch in der nationalsozialistischen Diktatur entstanden Glocken, zumindest vor dem Zweiten Weltkrieg, für dessen Zwecke zahllose Glocken eingeschmolzen wurden. Wie Gebäude aus dieser Zeit, so wurden auch die Glocken oft mit nationalsozialistischen Emblemen oder Inschriften ausgestattet. Eine Umfrage unter den evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern in Deutschland ergab 2018, dass mindestens 23 entsprechend gekennzeichnete Glocken weiter in Dienst waren.

Nicht erhalten ist die Adolf Hitler-Glocke in Friedrichsbrück. Sie war ein Sonderfall, weil sie für eine Schule entstand, aber auch kirchlich genutzt wurde.

Friedrichsbrück war 1777 von der nahen Stadt Hessisch Lichtenau auf ihrem Land als Kolonie angelegt worden. Eine Kirche fehlte, aber eine Schule wurde gebaut. In ihrem Dachreiter hing eine kleine Glocke von 1882. Sie läutete auch für die Gottesdienste, zu denen die Pfarrer von Hessisch Lichtenau ins Schulhaus kamen. 1938 wurde eine zweite, etwas größere Glocke aus der Gießerei Ulrich in Apolda angeschafft. Sie trug „die mit Hakenkreuzen versehene Aufschrift ‚Adolf Hitler‘ und gegenüber ein ‚Deutschland erwache‘ “, wie der zuständige Glockensachverstände Pfarrer Dr. Erich Lauer in seinem Gutachten vom 15. Juni 1955 feststellte. Er schlug vor, die beiden Glocken wegen ihres mangelhaften Klangs einzuschmelzen und das Material für das Geläut der neuen Kirche zu nutzen, die sich damals im Bau befand.

Das Angebot der Gießerei Rincker in Sinn vom 29. August 1955 berücksichtigte dementsprechend 115 kg und 221 kg Bronze vom vorhandenen Geläut für den Guss einer d‘‘- und einer f‘‘-Glocke. Die neue Kirche mit Geläut wurde im Dezember 1955 in Dienst genommen.

1943 hatte der Campanologe Heinrich Wenzel im Manuskript der Hessischen Glockenkunde, Kirchenkreis Kaufungen, auch die Adolf Hitler-Glocke in Friedrichsbrück aufgenommen.



Ausleihe der Johannesglocke aus Marburg 1942 - Glocke für die Kirche in Dreihausen 1951,
Schreiben des Ev.-Luth. Pfarramts Dreihausen an das Landeskirchenamt vom 26. Januar 1951

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, C 3.5.2.1 Landeskirchenamt Spezialakten römisch, Nr. 1306 Kirche Dreihausen, 1948 – 1967

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Glocke_Pfarrkirche Marburg_Ausleihe Gemeinde Dreihausen im Zweiten Weltkrieg zum Schutz vor Abgabe Ringtausch 1951-C3521Nr1306.png
Schreiben des Ev.-Luth. Pfarramts Dreihausen an das Landeskirchenamt vom 26. Januar 1951

Glocken-Ringtausch, Johannesglocke Marburg - Dreihausen 1942

In beiden Weltkriegen wurden Glocken aus den Kirchtürmen geholt, um für Rüstungszwecke eingeschmolzen zu werden. Manche davon waren bei der zweiten Abgabewelle noch recht neu, da sie erst in der Zwischenkriegszeit als Ersatz für Verluste aus dem Ersten Weltkrieg angeschafft worden waren. Es traf aber auch wertvolle alte Glocken.

So sollte in Marburg 1942 die Johannesglocke von 1362 den Turm der Lutherischen Pfarrkirche für immer verlassen. Stattdessen ging sie nur ins Exil wenige Kilometer entfernt. Sie wurde an die Gemeinde Dreihausen im Ebsdorfer Grund ausgeliehen, die zum Ausgleich ihr gesamtes dreistimmiges Geläut von 1893 und 1925 ablieferte.

1951 kehrte die Johannesglocke zurück in die Lutherische Pfarrkirche der Stadt Marburg, die dafür eine der drei neuen Klanggussglocken für Dreihausen finanzierte.





Carillon Karlskirche Kassel 1956 - Angebot der Gießerei Friedrich Wilhelm Schilling für ein Glockenspiel vom 24. Februar 1956

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, C 3.5.2.1 Landeskirchenamt Spezialakten römisch, Nr. 4217 Kassel Karlskirche, 1949 – 1959

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Glockenspiel_Angebot 1956_Karlskirche Kassel-C3521Nr4217a+b.png
Angebot der Gießerei Friedrich Wilhelm Schilling vom 24. Februar 1956 für ein Glockenspiel


Carillon der Karlskirche Kassel 1956/57

In der Bombennacht vom 22.Oktober 1943 wurde Kassel stark zerstört. Betroffen war neben den dicht bebauten Wohnvierteln der Altstadt und der Unterneustadt auch die großzügig angelegte Oberneustadt, die unter Landgraf Carl von Hessen-Kassel im späten 17. Jahrhundert für französische Glaubensflüchtlinge entstanden war. Sie feierten ihre Gottesdienste in der 1710 fertiggestellten Karlskirche, dem Zentrum der Oberneustadt. Das achtseitige Gebäude, von dem seit 1943 nur noch die Außenmauern standen, wurde nach Entwürfen des Kasseler Architekten Walter Seidel von 1953 in veränderter Form wiederaufgebaut.

In der Planphase schlug ihm der Kasseler Magistrat am 5. Juni 1954 vor, den entworfenen Dachreiter schlanker zu gestalten, dafür auf ein großes Geläut zu verzichten und stattdessen ein Glockenspiel einzubauen. Damit war die Idee in der Welt, in Kassel erstmals ein Carillon erklingen zu lassen.

Am 24. Februar 1956 bot die Gießerei Friedrich Wilhelm Schilling aus Heidelberg ein Carillon mit 25 Glocken an, von denen vier auch als Geläut einsetzbar waren. Das Angebot wurde auf 35 Glocken erweitert, wobei die Gießerei fünf stiftetet. Die landeskirchlichen Bedenken, weil der Gießer katholisch war, wurden aufgegeben, anders als die Vorbehalte gegen die Annahme kommunaler Mittel. Das Landeskirchenamt hatte davon 1955 abgeraten, „um ein Verfügungsrecht der Stadt auf das Glockenspiel auszuschließen“.

Es sollte stattdessen je hälftig aus landeskirchlichen Mitteln und Spenden bezahlt werden. Um sie einzuwerben, startete im Frühjahr 1956 eine besondere Aktion. Einzelglocken konnten „zum Gedächtnis an Verstorbene und Gefallene“ gestiftet werden und trugen dann deren Namen und die der Stiftenden. Auch die Stadt stiftete eine Glocke mit der Aufschrift: „Die Stadt Kassel ihren Toten“.

Anfang 1957 wurde das Carillon in der Gießerei in Heidelberg eingespielt. Dafür war Leen ’t Hart verpflichtet worden, der Direktor der Niederländischen Glockenspielerschule in Delft. Er kam auch nach Kassel, um dort am Ostersonntag, dem 21. April 1957 das erste Glockenspielkonzert zu geben. Eine Woche vorher war die neu aufgebaute Karlskirche in Dienst genommen worden.

1989 und 1995 wurde das Carillon der Karlskirche auf nunmehr 47 Glocken erweitert.



"Christ ist erstanden" (EG 99), Wilhelm Ritter spielt das Carillon der Karlskirche (April 2017)

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Youtube

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"handlaeuter", Kassel Karlskirche Carillon und Läuteglocken (Auszug Tonspur), Carilloneur Wilhelm Ritter spielt den Osterchoral "Christ ist erstanden" (23.04.2017)

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Kurzbeschreibung
Karlskirche Kassel, Glockenspiel (Foto: Wischhöfer 2022)
Glockenspiel Karlskirche Foto Wischhöfer 2022.jpg
"Christ ist erstanden", Wilhelm Ritter spielt das Carillon der Karlskirche (2017)


Stadtcarilloneur Wilhelm Ritter spielt das Carillon der Karlskirche. Es erklingt das Osterlied "Christ ist erstanden". Die ältesten Hinweise auf diesen liturgischen Gesang in deutscher Sprache finden sich im 12. Jahrhundert - damals läutete die Lullusglocke zu Hersfeld schon.

Wilhelm Ritter (1950 - 2018) war leidenschaftlicher Carilloneur. "Über den Dingen", im Turmreiter der Karlskirche, spielte er mit festen Faustschlägen das Instrument, das über Drähte mit den Klöppeln der Glocken verbunden ist ... und alle Welt hörte zu. Er beschrieb das Glockenspielen als Musik im Vorübergehen, die eine Wirkung auf alle hatte, die innehielten und zuhörten.  



Glockenblume - Campanula (Foto: Wischhöfer 2022)

Aus der Sammlung von

Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Fotosammlung

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Glockenblume Foto Wischhöfer 2022.jpg
Glockenblume (Campanula)

Epilog

"Süßer die Glocken nie klingen", ein bekanntes Weihnachtslied, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht. Der Text stammt von dem Theologen und Pädagogen Friedrich Wilhelm Kritzinger (1816 - 1890). Der Glockenklang symbolisiert Friede und Freude - "Glocken mit heiligem Klang, Klingt doch die Erde entlang", so der Refrain.

Goethes "wandelnde Glocke" erzählt von einer wuchtigen Glocke, die ein Kind bedrohlich und angsteinflößend in den sonntäglichen Gottesdienst treibt. Eigentlich zieht das Kind den Weg ins Feld vor - und letztlich läßt es sich durch den Glockenschlag "in Person" nicht laden.   

Ob Kritzinger oder Goethe ... Glocken begleiten uns seit tausend Jahren bis heute. Ob Glockengeläut oder Carillon, für alle, die zuhören und innehalten, immer ein bewegender Moment.        



Eine virtuelle Ausstellung von

Team

Peter Heidtmann-Unglaube, Bettina Wischhöfer, Ralf Gerstheimer (Fotobearbeitung)

Erstellt mit :
DDB Studio
Ein Service von:
DDB Studio

Diese Ausstellung wurde am 07.11.2022 veröffentlicht.



Impressum

Die virtuelle Ausstellung Süßer die Glocken nie klingen ... wird veröffentlicht von:

Landeskirchliches Archiv der
Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck


Lessingstraße 15A
34119 Kassel


gesetzlich vertreten durch

die Vizepräsidentin der Landeskirche,
Dr. Katharina Apel

Telefon:

(0561) 78876 – 0


Fax:

(0561) 78876 – 11


E-Mail:  

archiv@ekkw.de

Inhaltlich verantwortlich:

Christian Fischer, Öffentlichkeitsarbeit, Landeskirchenamt, Wilhelmshöher Allee 330, 34131 Kassel

Kurator*innen:

Dr. Bettina Wischhöfer

 

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