Direkt zum Inhalt

80 Jahre Kriegsende in Lemgo

Geschichten vom April 1945

Eine virtuelle Ausstellung von

01
Die Situation im März 1945

Solche Ostertage habe ich nie erlebt, hat Deutschland im Lauf seiner Geschichte nicht gesehen. In der Nacht von Karfreitag auf Sonnabend weckte mich ein Gebrumm aus der Luft wie von ganzen Geschwadern Flugzeuge. [...] Die Kette der Militärfahrzeuge riß nicht ab. Die Wagen überholten fortwährend die langen Kolonnen von Ostarbeitern, Kriegsgefangenen in den verschiedensten Uniformen, deutscher zurückgeführter deutscher Soldaten, deutscher flüchtender Zivilisten, ganze Familien, die ein dürftiges Gepäck in Rucksäcken, Koffern, Paketen und Bündeln mit sich schleppten [...]

Zitat aus dem Tagebuch des Lemgoer Bürgerschulrektors und Heimatforschers Friedrich Sauerländer (1874-1967). Er schildert darin seine Eindrücke aus der Kriegszeit und Schicksale aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis. Im Stadtarchiv Lemgo ist lediglich eine maschinenschriftliche Abschrift vorhanden, das Original befindet sich noch in Privatbesitz.

Britischen und US-amerikanischen Truppen war am 23. und 24. März die Überquerung des Rheins gelungen; mit der Schließung des „Ruhrkessels“ bei Lippstadt waren ca. 320.000 deutsche Soldaten kampfunfähig. Die amerikanischen Truppen rückten, trotz teils erbitterter deutscher Gegenwehr in einzelnen Ortschaften, kontinuierlich vor und konnten am 3. April auch letzte Widerstände am Teutoburger Wald durchbrechen.

Bei der gezeigten Karte handelt es sich um eine sogenannte Verteidigungskarte des Gebietes rund um Detmold, die von der US-Armee u.a. dazu genutzt wurde, um Straßenverläufe und -zustände zu dokumentieren und die Routen und Taktiken der Soldaten zu planen.

02
Der 4. April 1945

Wir hatten uns vor dem Schlafengehen in den letzten Nächten der Kleider nicht mehr entledigt. […] das Schießen der Geschütze, aus Maschinengewehren und Karabinern [wurde] so beängstigend, daß wir in den Keller gingen.

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Friedrich Sauerländer, 4. April 1945

Für Lemgo war der Zweite Weltkrieg am 4. April 1945 beendet.

Von Hörstmar kommend, nahm die US-Armee die Stadt ein. Eine kampflose Übergabe war gescheitert, da der fanatische Stadtkommandant Walter Heckmann den noch in Lemgo stationierten Soldaten und Volkssturmmännern, etwa hundert Personen, den Kampf gegen die deutlich überlegenen amerikanischen Truppen befahl.

Das Bild wurde vom Kamerateam der 2. US-Panzerdivision der 9. US-Armee (2nd Armored Division, Ninth U.S. Army) auf dem Weg nach Lemgo aufgenommen. Zu sehen sind deutsche Sanitäter und Krankenschwestern, die nach gefallenen Soldaten am Straßenrand Ausschau halten und diese auf ihren Karren mitnehmen.

In dem Kösterschen Getreidesilo am Langenbrückertor hatte man das Lebensmittellager der Kriegsmarine geöffnet und dieses wurde nun nach allen Regeln der Kunst ausgeplündert. Da sollen Frauen bis zu 3 Fäßchen mit Schmalz weggeschafft haben [...]

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Friedrich Sauerländer, 4. April 1945

03
Erste Tage unter amerikanischer Besatzung

Vor allem zu Beginn der Besatzungszeit erließ die Militärregierung eine Vielzahl von Verordnungen, denen die Bevölkerung unterlag. 

Aber auch für die amerikanischen Soldaten gab es strenge Regeln. Vor allem das Fraternisierungsverbot, das Grundlage der alliierten Besatzungspolitik war und gebot, strikte Distanz zu den Deutschen zu halten. Da es aber schnell zu freundschaftlichen Kontakten zwischen Alliierten und Deutschen kam, wurde das Verbot schließlich aufgehoben.

Es wurde schnell deutlich, dass Hetze und Propaganda der NSDAP gegen die Alliierten nicht der Wahrheit entsprachen. Die Unterschiede zwischen den Durchhalteparolen der letzten Kriegsmonate und der 1. Proklamation des alliierten Oberbefehlshabers und späteren Präsidenten der USA, Dwight D. Eisenhower, die überall dort, wo die NS-Herrschaft beendet war verteilt beziehungsweise öffentlich ausgehängt wurde, waren unverkennbar. „Wir kommen als ein siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker“ ist ein zentraler Satz des Plakates.

Klar wird auch, dass die Militärregierung unverzüglich mit dem Aufbau neuer politischer, demokratischer Strukturen beginnen wollte und die Proklamation der Bevölkerung verdeutlichen sollte, dass jegliche Regierungsbefugnisse nun in den Händen der amerikanischen Truppen lagen. 

Den Ortsgruppenleiter Kohlmann haben die Amerikaner im Auto weggeführt, ebenso den Lehrer Roßmann, wahrscheinlich, weil er Leiter der Lemgoer Ortsgruppe des Vereins für das Deutschtum im Auslande war. Der 2. Ortsgruppenleiter […] hat sich der Festnahme durch die Flucht entzogen.

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Friedrich Sauerländer, 5. April 1945

Viele Polen und Russen haben ihre Arbeitsplätze auf dem Land verlassen [...]

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Friedrich Sauerländer, 12. April 1945

Trotzdem hate eine Abteilung Infanteristen am Bahnhof den Kampf aufgenommen, und darauf sind die Zerstörungen an den verschiedenen Häusern zu erklären, am meisten soll das Hotel Köster gelitten haben, es müßte wohl geräumt werden. [...] 

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Friedrich Sauerländer, 4. April 1945

04
Neugliederung der Verwaltung

Der Kanonendonner ist seit gestern vollständig verstummt; die Kampfhandlungen sind so weit entfernt, daß man nichts mehr davon hört. Die amerikanischen Truppen, die in Lemgo einquartiert waren, sind mit allen hier parkenden Fahrzeugen weitergezogen […]. Es wird erzählt, dass jetzt ein englischer Ortskommandant hier sei, und das Lemgo eine Besatzung englischer Soldaten von 50 Mann bekommen würde.

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Friedrich Sauerländer, 12. April 1945

Im Mai 1945 zogen die US-amerikanischen Truppen endgültig aus Lippe ab. 

Lippe wurde der britischen Besatzungszone zugeteilt.