Einführung
Schrift und Bild – also Schrift als eigenständiger künstlerischer Bildgegenstand – haben eine Tradition, die mindestens bis ins Mittelalter zurückgeht.
Schon im Mittelalter wurden handschriftliche Texte zur Figur angeordnet. In den 1920er Jahren war es dann zum Beispiel Kurt Schwitters, der Schriftfetzen collagierte und mit DaDa und MERZ zu neuen Ufern aufbrach. Spätere kunstgeschichtliche Einordnungen wie »visuelle« oder »konkrete Poesie« sind einige mögliche Bezeichnungen für die Kunst, die Schrift zum Bild werden lässt.
Unter dem Titel »Schrift und Bild« fand 1959 eine Ausstellung in der Kunsthalle Baden Baden und im Stedelijk Museum Amsterdam statt. Deren Katalogtitel zeigte das von Grafiker Wolfgang Schmidt (1929-1995) gestaltete Signet, welches heute Logo der Stiftung Schrift und Bild ist. Herausgegeben wurde der Katalog von Franz Mon (1926-2022) in seinem Typos Verlag. Mon war gleichsam Teilnehmer der Ausstellung und sollte später als einer der weltweit wichtigsten Vertreter der visuellen Poesie gelten. Mons Assistent an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach am Main war Jörg Schmitz, der heute Kurator der Sammlung Schrift und Bild ist.
»wir haben sprache
und sie hat uns.«
(Franz Mon)
Seit 2011 wächst die von Schmitz aufgebaute Sammlung stetig. Basis der Sammlung sind Franz-Mon-Editionen, die privat finanziert herausgegeben wurden, bis heute Teil der Sammlung sind und deren teilweiser Verkauf Aktivitäten der Stiftung finanziert. Die Stiftung Schrift und Bild vergibt seit 2021 jährlich ein Deutschlandstipendium an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach am Main. Damit wird auf die neuere Entstehungsgeschichte von »Schrift und Bild« Bezug genommen, deren Geburtsstätte die Kunsthochschule in Offenbach war.
Die hier gezeigte Online-Ausstellung zeigt einen kleinen Ausschnitt der Sammlung Schrift und Bild. Der Titel »VON LESARTEN UND SCHREIBWAISEN« ist bewusst humorvoll-kokett gewählt. Bei den allermeisten Arbeiten der Sammlung kann von einer »Lesbarkeit« im herkömmlichen Sinne keine Rede sein, weil das visuelle Experiment mit der Schrift eine ganz eigene Motivation bei deren Entstehung war. So entstanden Schreibwaisen – Werke also, deren zum Schönschreiben erzogene »Eltern« ihre experimentellen Kinder staunend über sich selbst zurücklassen…