Schreiben auf Reisen – Reisetagebücher des 19. Jahrhunderts
Das Tagebuchschreiben im heutigen Sinn setzte in Europa erst mit der Renaissance ein, als sich der Mensch erstmals seiner Individualität bewusst wurde. Damals wurde er auch Zeuge neuer Entwicklungen und Erfahrungen, deren Eindrücke er in Beobachtungs- oder Reisejournalen verarbeitete.
Diese frühen Tagebücher ähnelten einer Chronik, in der die Beobachtung an erster Stelle steht, nicht die Reflexion. Ab dem 18. Jahrhundert wurden Tagebücher subjektiver. Die Aufklärung stärkte die Tendenz des Tagebuches zum persönlichen Rechenschaftsbericht, während im Pietismus vornehmlich auch religiöse Tagebücher entstanden. Seit dem 16. und 17. Jahrhundert verbreitete sich das Stammbuch (album amicorum), das stets mitgeführt wurde, auch bei Reisen. Es enthielt Angaben über die zurückgelegten Wege, eigene Zeichnungen, unterwegs kontaktierte Personen oder Gedichte. Es konnten auch Zitate aus Texten der Region, Dokumente, Bilder, aber auch Blätter und gepresste Pflanzen als Collagen eingefügt sein. In der Regel war es nicht für eine Veröffentlichung bestimmt, sondern ein persönliches Zeugnis und Erinnerungsstück. Das Tagebuch bewährte sich als besonders geeignete Form der Reisebeschreibung und hatte seine Blütezeit im 19. Jahrhunderts. Heute lebt es in virtueller Form in Reiseblogs und Online-Reisejournalen weiter.