Grabrelief eines unbekannten Mannes
Ein durchtrainierter Mann, dessen Oberkörper nur in Teilen von einem Manteltuch bedeckt ist, greift mit seiner rechten Hand nach dem Halsband des vor ihm stehenden Hundes. Will er ihn zur Jagd losbinden? Dazu würde passen, dass er in seiner linken Hand einen erlegten Hasen, die Jagdbeute, hält.
Doch ist der Hase nicht nur Jagdbeute. Hasen galten auch als Liebesgeschenke, die im Rahmen der Päderastie von älteren an jüngere Männer überreicht wurden. Szenen dieser Art sind in der antiken Bilderwelt des 6. Jahrhunderts v. Chr., in welches auch das Relief gehört, durchaus verbreitet. Die Päderastie diente der Erziehung und der Einführung aristokratischer Knaben in die Welt der Erwachsenen. Obgleich Sex dabei eine gewichtige Rolle spielte, war Analverkehr zwischen freien Männern der Oberschicht gesetzlich untersagt.
Der Körper des auf dem Relief dargestellten Mannes entspricht dem Schönheitsideal, das die Oberschicht für sich in Anspruch nahm, und kennzeichnet ihn als vortrefflichen Menschen. Zum Wertekanon und Lebensstil der Aristokratie gehörte auch die Jagd. Wer der Dargestellte war, ist unbekannt. Doch dürfen wir mit Fug und Recht annehmen, dass er der Aristokratie angehörte. Das belegt auch das materiell wertvolle Relief, welches ihm über seinen Tod hinaus ein dauerhaftes Andenken bewahrte.