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Sozialdisziplinierung und Widerstand

Die Zweite Reformation in Hessen-Kassel 1605

Landeskirchliches Archiv Kassel


Landgraf Moritz, Holzschnitt von Wilhelm Wessel 1623

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung, Foto: Dorothee Heidtmann 2025

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Kurzbeschreibung
Holzschnitt in: Hessisches Wapenbuch, Darinnen auch Die Fürsten zu Hessen / so in 593. Jahren Von Ludovico Barbarto Biß auff unsere itzt löblich Regierende Fürsten und Herren L. Moritzen I L. Ludwigen IV. Das löbice Fürstenthumb Hessen regieret / beschrieben und Abgebildet seind […]. In solche Form geschnitten und publiciret Durch Wilhelm Wessel / I. F. G. bestalten Buchtrucker und Formschneider zu Cassel / im Jahr Christ M.DC.XXIII.
Landgraf Moritz 1.jpg
Landgraf Moritz, Holzschnitt von 1623 (Leihgabe von Peter Heidtmann-Unglaube)


Die drei Verbesserungspunkte von 1605

Nach dem Tod von Landgraf Philipp 1567 vereinbarten die vier Söhne aus erster Ehe, dass sein Land geteilt wurde, einige Institutionen aber in gemeinsamer Zuständigkeit blieben. Dazu gehörte die protestantische Landeskirche, die sich durch Synoden selbst leitete. 1582 trat das Gremium letztmals zusammen. Ein Konsens war danach nicht mehr möglich, weil sich die nun noch drei Landgrafschaften theologisch auseinander entwickelten.

Der Konflikt spitzte sich zu, als 1604 eine weitere Linie des Fürstenhauses erlosch. Ludwig IV. von Hessen-Marburg war Lutheraner und verfügte testamentarisch den Erhalt dieser Konfession in seinem oberhessischen Territorium, das zwischen den verbleibenden Linien geteilt werden sollte. Für Hessen-Darmstadt, das den Südteil von Oberhessen erhielt, entsprach das dem eigenen Bekenntnis. In Hessen-Kassel, das den Nordteil mit der Residenz- und Universitätsstadt Marburg übernahm, war die Lage schwieriger.

Der Landadel vor allem an der Werra und die Herrschaft Schmalkalden waren ebenfalls lutherisch geprägt. Im niederhessischen Kernland dagegen vertraten viele Pfarrer und Gemeinden die theologische Linie des Kasseler Fürstenhauses, die sich zum reformierten Bekenntnis entwickelte.



Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Die drei Verbesserungspunkte von 1605
(nach Wilhelm Dilich, Hessische Chronica 1605)

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Archivbibliothek Z Fa 9

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Kurzbeschreibung
Wilhelm Dilich, Hessische Chronica 1605, Originalgetreuer Faksimiledruck hg. von Wilhelm Niemeyer, Kassel 1961, S. 353.
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Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Verbesserungspunkte 1605 (nach Wilhelm Dilich, Hessische Chronica)

Als sich diese Mischlage durch die Übernahme des Marburger Erbes zugunsten der Lutheraner verschob, versuchte Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, die konfessionellen Verhältnisse in seinem Territorium zu vereinheitlichen. Dazu erließ er 1605 drei sogenannte Verbesserungspunkte:

  • Wer über Jesus sprach, sollte sich an den konkreten Wortlaut der Bibel halten, dem zufolge sein verklärter Körper in den Himmel gefahren war. Die lutherische Lehre von der leiblichen Allgegenwart Jesu in der Welt ließ sich danach nur abstrakt ableiten und sollte unterbleiben.
  • Der biblische Wortlaut galt auch für die Zehn Gebote, aus denen Martin Luther das Bilderverbot entfernt hatte. Daher waren Bildwerke in Kirchen nun unzulässig.
  • Auch für das Abendmahl war davon auszugehen, dass Jesus nicht leiblich, sondern nur geistlich anwesend ist. Um das zu zeigen, sollte statt der Hostien alltägliches Brot gereicht, gebrochen und den Gläubigen in die Hände gegeben werden.

Diese Vorschriften verletzten die Ansichten, Gefühle und Gebräuche der lutherischen Gläubigen so stark, dass es zu erheblichem Widerstand kam.





Neuer Abendmahlsritus - Kassel Freiheiter Gemeinde 1605

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Kassel Freiheiter Gemeinde 1600 - 1634, Microfiche

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Kurzbeschreibung
Anno 1605. Cum fractio panis Dominici Introduceretur etiam cum integritate Decalogi [Als das Brechen des Abendmahls¬brotes auch mit den vollstän¬digen 10 Geboten eingeführt wurde], sindt von mir uff pfingsten in praesentia Christiani principis Anhaltini eiusque coniugis et totius ecclesiae [in Gegenwart des Fürsten Christian von Anhalt und seiner Gemahlin sowie der ganzen Gemeinde] confirmirt worden.
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Das neue Abendmahl in der Freiheiter Gemeinde zu Kassel 1605


Neuer Abendmahlsritus

Die Freiheiter Gemeinde zu Kassel führte in ihrer größten Kirche der Stadt zu Pfingsten 1605 das Brotbrechen zum Abendmahl ein, verbunden mit der Konfirmation. So wurden die Jugendlichen als nächste Generation der Gemeinde mit dem neuen Ritus vertraut gemacht.



Neuer Abendmahlsritus Wenigenhasungen 1605

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Wenigenhasungen 1604 - 1635, Mikrofiche

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Kurzbeschreibung
Auff Pfingsten [1605] ist zum ersten mal das brot des H. Abendmals gebrochen, und das brot und der wein den communicanten in die hände gegeben worden.
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Neues Abendmahl in Wenigenhasungen 1605

Ebenfalls an Pfingsten 1605 wurde den Abendmahlsgästen in Wenigenhasungen nordwestlich von Kassel erstmals das gebrochene Brot in die Hände gegeben.





Neuer Abendmahlsritus Wohra 1606 / 1607

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Pfarrarchiv Wohra, Kastenrechnungen 1606 und 1607

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Kurzbeschreibung
2 albs. [Albus] für ostien, so damals noch gebraucht [1606]
2 albs. [Albus] Weck auf ostern zur communion [1607]
2 Kastenrechnung Wohra 1606 und 1607.png
Alter und neuer Abendmahlsritus in Wohra 1606 / 1607


Im oberhessischen Wohra wurde das Abendmahl 1606 noch mit Hostien gefeiert. Erst 1607 lösten „weck“, vermutlich Weißbrotstücke, die vorher üblichen Hostien ab.



Anschaffung des neuen Gesangbuchs von Ambrosius Lobwasser

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Pfarrarchiv Wohra, Kastenrechnung 1606

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Kurzbeschreibung
2 f. [Gulden] vor vier lobwaßer psalmen, so vnser pfarher in vnser kirche gekauft
Lobwasser Kastenrechnung Wohra 1606.jpg
Vier Lobwasser-Gesangbücher für die Gemeinde in Wohra 1606

Neue Lieder

Der selbst komponierende und musizierende Landgraf Moritz setzte auch auf die Musik, um reformierte Sichtweisen gleichmäßig zu verbreiten. Dazu diente das Gesangbuch von Ambrosius Lobwasser, der nach 1550 den Genfer Psalter in eine schwerfällige deutsche Form gebracht hatte. Es musste auch von Gemeinden angeschafft werden, die bislang vermutlich vor allem die einprägsameren Lieder von Martin Luther und seinem Umkreis kannten.





Schulmeister und Opfermann als Vorsänger, Wandmalerei in der Stadtkirche Witzenhausen Ende 16. Jahrhundert

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung, Foto: Thorsten Albrecht 2005

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Vorsänger, Wandmalerei in Witzenhausen Ende des 16. Jahrhunderts


Gesungen wurde meist aus dem Gedächtnis und ohne Instrument, denn Orgeln gab es nur in Stadt- und wenigen Dorfkirchen, und private Gesangbücher kamen erst im 18. Jahrhundert auf. So reichte in vielen Gemeinden ein Exemplar für den Vorsänger, meist ein Vertreter der „niederen Kirchendienste“ Schulmeister (Lehrer) und Opfermann (Kastenmeister).

Die Zuständigkeit der Lehrer für die Kirchenmusik, später dann als Organisten, blieb bis zum Ende der kirchlichen Schulaufsicht nach dem Ersten Weltkrieg erhalten.



Neuer Kasseler Katechismus, Kastenrechnung Mosheim 1607

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Pfarrarchiv Sipperhausen Nr. 28, Kastenrechnung Mosheim 1607

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Kurzbeschreibung
iiii albs. [Albus] für den Newen kasselschen Catechismum zue Hombergk vffs kalte marck gekaufftt
Tafel 07 - Kastenrechnung Mosheim (Sipperhsn)1607-ausschnitt.jpg
Neuer Kasseler Katechismus, Kastenrechnung Mosheim 1607


Neuer Katechismus

Der heftige lutherische Widerstand gegen die Verbesserungspunkte und die harte Reaktion des Landgrafen prägen das negative Bild dieser Reform und lassen vergessen, dass sie durchaus versöhnende Ansätze hatte. So wurde das wichtigste lutherische Unterrichtsbuch, der Kleine Katechismus von 1529, nicht verdrängt, sondern angepasst. Als „Kasseler Katechismus“ enthielt er nun die Zehn Gebote nach biblischem Wortlaut, einschließlich des Bilderverbots, das Martin Luther aus Sorge vor Unruhen gestrichen hatte.



Neuer Tisch für die Taufe, Fambach 1623

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Fambach 1559 - 1703, Mikrofiche

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Kurzbeschreibung
Am 8t. May [1623] ist Caspar Zeisten ein sohn gebohren vndt am 9t. May geteufft war gevatter Christoffel Dietz Schultheiß. Ist das erste kindt so vff dem Newen Tisch geteufft.
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Neuer Tisch für die Taufe, Fambach 1623

Neue liturgische Orte

Für lutherische Gläubige zeigte sich die leibliche Gegenwart Jesu in der Welt auch durch die Orte, an denen er in den beiden Sakramenten erfahrbar war. Altäre für die Abendmahlsfeier und Taufsteine oder Becken waren daher Hindernisse für die Reform des Landgrafen Moritz.

Gemäß ihrem grundsätzlich versöhnenden Charakter erlaubte sie zwar das Beibehalten von je einem Steinaltar pro Kirche, bei Gelegenheit wurde er aber durch einen Holztisch für beide Sakramente ersetzt. Zum Vollzug der Taufe wurde eine Schale auf ihn gestellt.





Anschaffung eines schwarzen Tuchs zur Verhüllung des Altars, Grüsen 1609

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Pfarrarchiv Grüsen, Kastenrechnung Grüsen 1609

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Kurzbeschreibung
1 f. [Gulden] 22 alb. [Albus] for ein schwartz wullen duch geben vfn altar
Tafel 6+9 - Kastenrechnung Grüsen 1609-ausschnitt.jpg
Ein schwarzes Tuch zur Verhüllung des Altars, Grüsen 1609

Verhüllte Altäre

Wenn ein Steinaltar in der Kirche blieb, verschwand er unter einem schwarzen Wolltuch. Damit wurde er einerseits optisch zurückgenommen, andererseits in ein Raumkonzept eingebunden, das dem vereinheitlichenden Charakter der Verbesserungspunkte entsprach.





Schwarz verhüllter Altar, Kirche Mardorf (vor 1970)

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, J 17 Fotosammlung Maurer

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Schwarz verhüllter Altar in der Kirche von Mardorf (vor 1970)


Alle Kirchenräume in der Landgrafschaft Hessen-Kassel sahen nun zumindest ähnlich aus.

Das heute als eher trist empfundene Schwarz war seit dem Siegeszug der spanischen Hoftracht in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Modefarbe.



Dörnberger Teufel (Secco-Technik um 1509), nach 1605 übertüncht. in den 1930er Jahren freigelegt, Kirche Dörnberg

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung, Foto: Thorsten Albrecht 2005

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Dörnberger Teufel, Wandmalerei um 1509 Kirche Dörnberg, nach 1605 übertüncht


Übermalte Wandbilder

Der zweite Verbesserungspunkt sah vor, dass die Zehn Gebote samt Bilderverbot zu lehren waren und daher „die noch vom Babsthumb uberbliebene bilder abgethan“ werden sollten.

Wenn es sich dabei im Wandbilder handelte, wurden sie spätestens beim nächsten Innenanstrich der Kirche übertüncht. Zahlreiche mittelalterliche Fresken fanden sich in den letzten Jahrzehnten unter den späteren Farbschichten, die sie eher konserviert als zerstört haben.



Zerstörtes Relief, Altstädter Kirche Hofgeismar

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung, Foto: Thorsten Albrecht 2005

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Zerstörtes Relief, Altstädter Kirche Hofgeismar

Zerstörte Skulpturen

Endgültiger war dagegen das reformierte Vorgehen gegen dreidimensionale Werke. Kruzifixe und Altaraufsätze wurden entfernt. Im oberhessischen Langenstein ließ der Pfarrer eine Heiligenfigur offenbar auf dem Kirchhof begraben. Andere Skulpturen blieben zwar an ihrem Ort, wurden aber verstümmelt. Sie verloren Köpfe und Hände und damit die Körperteile, die sie als Menschen erscheinen ließen und damit aus biblischer Sicht als Gottes Ebenbild.





Ehemaliger Taufstein vor der Kirche in Ersen

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung, Foto: Thorsten Albrecht 2005

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Ehemaliger Taufstein vor der Kirche in Ersen


Entwidmete Taufsteine

Wie bei Skulpturen zeigte auch bei Taufsteinen ein veränderter Verbleib am Ort deutlicher als das völlige Verschwinden den Bruch mit der kirchlichen Tradition. Für die Taufe im Auftrag des allein geistlich anwesenden Jesus schien eine bewegliche Schüssel angemessener als ein fest installierter Stein. Als deutliches Bekenntnis dazu wurden die alten Becken vor die Kirchentür gestellt...



Altarplatte auf dem ehemaligen Taufstein, Kirche Dankerode

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung, Foto: Thorsten Albrecht 2005

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Altarplatte auf dem ehemaligen Taufstein, Kirche Dankerode

... oder als Unterbau von Altar oder Kanzel zweitverwendet.





Widerstand - entlassene Pfarrer

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung

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Kurzbeschreibung
Karte basierend auf: Ernst Hofsommer, Die "kirchlichen Verbesserungspunkte" des Landgrafen Moritz des Gelehrten von Hessen, Marburg 1910 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Archivbibliothek Gba 23)
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Entlassene Pfarrer 1605 - 1607


Widerstand - entlassene Pfarrer

Der Versuch, ein einheitliches Bekenntnis herbeizuführen, traf auf eine vielfältige Situation in Gemeinden und Pfarrerschaft. Im Idealfall für den Landgrafen stimmten die Gläubigen samt ihrem Geistlichen den Verbesserungspunkten zu. Während dies im schon länger reformiert beeinflussten Niederhessen offenbar häufig vorkam, war es in bislang lutherisch geprägten Gebieten eher die Ausnahme.

Weite Teile der oberhessischen Pfarrerschaft verweigerte die Annahme der Verbesserungspunkte, in zwei Fällen gegen die Kompromissbereitschaft ihrer Gemeinden, ansonsten offenbar im Einklang mit ihnen. Ähnlich war die Situation in der Herrschaft Schmalkalden. Patronatsherren aus dem Landadel waren oft Lutheraner, vor allem an der Werra. Sie stärkten ihre Pfarrer im Widerstand gegen die Verbesserungspunkte oder drängten sie dazu.

Der Landgraf reagierte zunächst mit dem Angebot von Gesprächen, die aber nicht ergebnisoffen waren. Die Pfarrer und Marburger Professoren, die sich weiterhin den Verbesserungspunkten verweigerten, wurden entlassen. Viele von ihnen fanden neue Stellen in lutherischen Territorien, auch in Hessen-Darmstadt.



Verweigerung des Abendmahls Bischhausen 1607

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Pfarrarchiv Witzenhausen Nr. 17, Kastenrechnung Bischhausen 1607

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Kurzbeschreibung
1 alb .[Albus] vor brodt den Communicanten, Sindt aber nit erschienen
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Ausgaben für Abendmahlsbrot Bischhausen 1607

Boykott von Abendmahl und Konfirmation

Der Widerstand von Gemeinden gegen die Verbesserungspunkte war vermutlich größer als sein Niederschlag in erhaltenen Schriftquellen. Vielfach ist er nur durch kurze Vermerke zu erschließen, etwa zum Kauf von Abendmahlsbrot, das durch das Fernbleiben der Gläubigen nicht verbraucht wurde.





Verweigerung des Abendmahls Eschwege um 1608

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Eschwege 1583 - 1680, Mikrofiche

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Kurzbeschreibung
Inngleichen dieweil seit der Reformation vom Jahr Christi 1605 sich das Volck mehrentheils der communion drey Jahr lang geweigert, hat unter desen, so ettliche communicanten sich auf die Sonnabende eingestellet, welches gar langsam geschehen
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Verweigerung des Abendmahls Eschwege um 1608


Verweigerung der Konfirmation Dillich 1606

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Dillich 1579 - 1654, Mikrofiche

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Kurzbeschreibung
Dieses Jar [1606] sindt keinne Kinder Confirmiret worden von deßwegen, das sie die verbesserungs Puncten, vnnd vornemblich das ander eingefuhrette Gebott De non colendis imaginibus et fractionem panis [vom Verbot, Bilder zu verehren und vom Brechen des Brotes] nicht ahnnemen wollen.
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Verweigerung der Konfirmation Dillich 1606


Manche Gemeinden boykottierten wegen der neuen konfessionellen Form auch über Jahre hin die Konfirmation mit dem vorausgehenden Unterricht.



Forderung nach Rückkehr zum gewohnten Ritus Ellershausen 1607

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Sooden 1574 - 1638, Mikrofiche

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Kurzbeschreibung
Item den 25. Martii [1607] haben mir die bauren zu Ellershausen meinen Pfardienst ufgekundiget, und die Besoldung nicht mehr geben wollen, so ich’s nicht will das nachtmahl halten wie vorhin beschehen. Darumb ich den 31ten huius bey Superintendent Magister Christoffeln Raths gepflogen, das sie es haben bleiben müssen lassen.
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Forderung der Gemeinde Ellershausen nach Rückkehr zum gewohnten Ritus 1607

Forderung nach Rückkehr zum gewohnten Ritus

Die veränderte Feier des Abendmahls war für viele Lutheraner der Verbesserungspunkt, den sie am wenigsten hinnehmen konnten. Nach ihrem Verständnis wurde damit nicht nur in Gewohnheiten, sondern in heilige Vorgänge eingegriffen. Die dadurch empfundene Gefahr für das Seelenheil erklärt vielleicht, dass einfach Leute den Mut zu zivilem Ungehorsam fanden. Die Gemeinde Ellershausen verlangte von ihrem Pfarrer die Rückkehr zur bisherigen Form des Abendmahls und drohte, ihm widrigenfalls den Dienst aufzukündigen, womit sie sich ein Recht anmaßte, das dem Landgrafen als Patron der Pfarrei zustand.





Zorn gegen Vertreter der neuen Lehre

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Kirchenbuch Fambach 1559 - 1703, Mikrofiche

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Kurzbeschreibung
Dieweil ich mich tempore reformationis illustrissimi Principis nostri Mauritii Landgraven Hassia anno 1609 naher Schmalkalden gewendet, auch wegen gefahr von meinem Schuldienst zu Schönnaw welches ich 3 Jar Verwaltet weichen müssen. Die Weil ich ihr dogma ubiquisticum nicht hab billigen können destwegen mich fur einen Calvinisten ausgerüffen, bin ich Von Ern Joanne Boysio quastore Schmalkal. auffgenommen worden
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Zorn gegen Vertreter der neuen Lehre Schmalkalden 1609


Zorn gegen Vertreter der neuen Lehre

Die Verbesserungspunkte griffen in die Schicksale von Gegnern wie Befürwortern ein. Der aus Schmalkalden stammende und dort tätige Schulmeister und Pfarrer Kilian Semler gehörte zu den Anhängern. So belegte er die lutherische Ansicht vom leiblich allgegenwärtigen Jesus mit ihrem verbreiteten Spottnamen Ubiquitätslehre („dogma ubiquisticum“). Seine Entschiedenheit zeigte er im Verstümmeln eines kirchlichen Bildwerkes, das die Gemeinde vor seinem Amtsantritt versteckt hatte. Dass er daher als Calvinist beschimpft wurde, war gefährlicher als es sich anhört. Calvinisten standen bis 1648 nicht unter dem Schutz des Augsburger Religionsfriedens von 1555, gehörten also zu keiner anerkannten Glaubensgemeinschaft.

Nach mehrfachem Stellenwechsel infolge seiner Ansichten wurde Semler 1609 Pfarrer von Fambach, wo er nur zwei Jahre später starb und in der Kirche bestattet wurde.



Marburger Kirchensiegel 19. Jahrhundert - lutherisch und reformiert

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, J 4 Sammlung Dienstsiegel Nr. 55 und Nr. 62

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Kurzbeschreibung
Ecclesiae Reformatiae Marburgensis Sigillum (reformierte Universitätskirche)
S.D. Luth. Pfarrkirche Marburg (lutherische Pfarrkirche)
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Abdrücke Marburger Kirchensiegel - reformierte Universitätskirche und lutherische Pfarrkirche

Lutherische und reformierte Konfession im 19. Jahrhundert

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 erhielt Hessen-Kassel seine lutherisch geprägten Landesteile zurück. Sie waren zwischenzeitlich von Hessen-Darmstadt vereinnahmt worden, das die Verbesserungspunkte kassiert und das Luthertum wiederhergestellt hatte.

Daran war nun nichts mehr zu ändern, doch es stand den Kasseler Landgrafen frei, reformierte Gemeinden neben den lutherischen zu gründen, etwa durch das Entsenden von Beamten dieser Konfession nach Oberhessen.

Die seit 1527 bestehende Landesuniversität Marburg war nach mehrjährigem Stillstand 1653 als reformierte Hochschule nur noch für Hessen-Kassel neu eröffnet worden, mitten in einer Stadt, die sich als lutherische Hochburg verstand.

Erst im 19. Jahrhundert wurden die konfessionellen Grenzen überschritten. 1822 öffnete sich die Marburger Universität auch lutherischen Gelehrten. Die beiden Konfessionsgemeinden der Stadt mit der reformierten Universitätskirche und der lutherischen Pfarrkirche bestanden fort. Erst 1946 schlossen sie sich zu einer evangelischen Kirchengemeinde zusammen.





"Dritte Reformation" 1818 - Die Hanauer Union

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Landeskirchliches Archiv Kassel

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Landeskirchliches Archiv Kassel, Digitale Sammlung

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Konsistorium Kassel um 1900 - Bekenntnisstand


"Dritte Reformation" - Die Hanauer Union 1818

Das gemeinsame Gedenken an den Thesenanschlag vor 300 Jahren brachte Lutheraner und Reformierte 1817 näher zusammen. Die Stimmen nach einer geeinten evangelischen Konfession wurden lauten und führten in zahlreichen deutschen Staaten zu Unionen, etwa im Großherzogtum Baden 1821. In Hessen-Kassel, das 1803 zum Kurfürstentum aufgestiegen war, gelang das nur für ein Teilgebiet.

Die Grafschaft Hanau-Münzenberg, die seit 1736 von Kassel aus beherrscht wurde, war zuvor durch konfessionsverschiedene Linien der Hanauer Grafen geprägt worden. So gab es an besonders vielen Orten lutherische und reformierte Gemeinden nebeneinander, mit jeweils eigenen Kirchen und zeitweise zwei kirchlichen Behörden (Konsistorien).

Die Synode zu Hanau beschloss 1818 die Vereinigung zu einer einzigen Kirche. Kurfürst Wilhelm I. bestätigte die von der Synode beschlossene Union  ("Verordnung vom 4ten Juli 1818, die Vereinigung der beiden evangelischen Glaubensparteien betreffend").

Der Streit des 17. Jahrhunderts etwa um die Gegenwart von Jesus sollte dabei unentschieden bleiben. So wurden das wichtigste Lehrmaterial, Luthers Kleiner Katechismus und der reformierte Heidelberger Katechismus, in einem Buch herausgegeben, was zum Spottnamen „Buchbinderunion“ führte.

Eine virtuelle Ausstellung von

Team

Peter Heidtmann-Unglaube, Bettina Wischhöfer, Ralf Gerstheimer (Bildbearbeitung)

Erstellt mit :
DDB Studio
Ein Service von:
DDB Studio

Diese Ausstellung wurde am 10.02.2025 veröffentlicht.



Impressum

Die virtuelle Ausstellung Sozialdisziplinierung und Widerstand wird veröffentlicht von:

Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Kurhesse-Waldeck


Lessingstraße 15A, 34119 Kassel


gesetzlich vertreten durch

die Vizepräsidentin der Landeskirche, Dr. Katharina Apel

Telefon:

(0561) 9378-1520


Fax:

-


E-Mail:  

archiv@ekkw.de

Inhaltlich verantwortlich:

Christian Fischer, Öffentlichkeitsarbeit, Landeskirchenamt, Wilhelmshöher Allee 330, 34131 Kassel

Kurator*innen:

Dr. Bettina Wischhöfer

 

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