Neun Stadien einer Leiche
Beschreibung
Die Vergänglichkeit alles irdischen Seins ist eine der Grundlehren des buddhistischen Glaubens und wurde seit der Kamakura-Zeit (1185 – 1333) in der bildenden Kunst anhand des Verfallprozesses einer menschlichen Leiche verdeutlicht. Klassischerweise wird dabei in neun Bildern die Verwesung eines Leichnams dargestellt, bis im letzten Bild nur noch ein Skelett übrigbleibt. Auf dieser Hängerolle hat Kyōsai den Verfall des menschlichen Körpers jedoch auf zwei Stadien reduziert, die von unten nach oben zu lesen sind. Der Leichnam, dessen Geschlecht nicht mehr eindeutig erkennbar ist, liegt am Ufer eines kleinen Wasserlaufes. Im ersten Stadium, das dem klassischen vierten der neun Verfallsstadien entspricht, ist der Körper von Gasen aufgebläht und verfärbt. Darüber ist das eigentlich vorletzte Stadium des Zyklus zu sehen. Krähen und Raben picken das Fleisch von den Knochen, während weitere Vögel über dem Leichnam kreisen. Die grünen tatami (Reisstrohmatten) im unteren Viertel des Bildes könnten symbolisch für die Welt der Lebenden stehen oder als Anspielung auf das erste der neun Verfallstadien dienen, in dem der Körper traditionell auf einer Reisstrohmatte liegt. Kyôsai, der selber gläubiger Buddhist war, verarbeitete die vollständigen "Neun Verfallsstadien einer Leiche" auch in einer Querrolle, wie ein Fragment aus dem Kawanabe-Museum bezeugt. Für den Arzt Erwin von Baelz war sicherlich nicht nur der buddhistische Hintergrund des Bildes interessant, sondern vor allem die Anatomie des Körpers und der dargestellte biologische Prozess, sodass er es für seine Sammlung erwarb.
Institution
Beteiligte Personen und Organisationen
Kawanabe Kyôsai
Zeit
nach 1871
Maße/Umfang
92,4 x 32 cm
Material/Technik
Farbe auf Seide
Dateien
Quellenangabe
„Neun Stadien einer Leiche,” Kawanabe Kyôsai und Erwin Baelz, zuletzt aufgerufen am 8. November 2024, https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/kyosai-baelz-hornmoldhaus/items/show/6.