Die Aztekin
Ich liebe dich.
Und meine Welt ist schön
Und bunt und seltsam gnug. So komm’ mit mir
In meine Welt. Und greif an meine Hand –
O scheu mich nicht! – Aus meiner bunten Welt
Trug ich dies grün und rote Federkleid
Zu dir. Das dir gefällt. So rühr’ es an,
Und schmiege deine Finger in den Glanz,
Denn Glänzend’res und Weich’res kennst du nicht
In deiner fahlen, harten Heimat. Löse
Den sanften Flaum von meinen kleinen Brüsten,
Wenn du nur willst, und nimm ihn dir. Ich möchte
Dir soviel schenken. Doch ist wenig mein
In deinem Lande.
Sonnenhaupt, du bist
Gleich deinem großen, gold’nen Vater Licht,
Nicht Glut gleich ihm. Und in den hellen Händen
Magst du nicht meine halten. Diese Hand
Ist Nacht so wie mein Leib, so bin ich ganz
Aus tierbraunem Gestein für dich gemacht.
Ein tiefer, glimmendroter Schein durchleuchtet
Mich als ein dunkles Haus. Doch deine Mädchen
Sind weiß, sind Rosen, höchstens gelb.
Ich sah,
Du kehrst dich voll Ekel von mir ab,
Von meiner nackten, rötlichbraunen Haut,
Die unter starrem scharfen Armreif zittert
In deiner Kälte. – Licht, du liebst das Gold;
Ich habe Gold.
Es ist nur wenig mein
In deinem armen Lande.
Und auch Schönheit
Ist nicht mehr mein. Denn deine Brüder zögern
Vor meinem häßlich-sonderbaren Antlitz
Und flüstern staunend: Ohne hint’res Haupt
Von langem dünnen Halse schau’ es her;
Das sei ein Wunderding. Die enge Stirn
Sei nieder-rückgezwängt. Glattschwarzes Haar
Bau’ drüber steil und spitz sich auf, ein Turm.
Ich leb’ mit Mund und Augen, ihnen ähnlich –
Viel nackter doch mein Auge. Und die Nase
Sei fein, ganz schmal und schnabelhaft gebogen.
Ich seh’ auf sie mit Vogelsangesicht,
Schmück’ mich mit Vogelkopfputz; im Gefieder
Späh’ ich geduckt, ein furchtsam Tier, umher.
So hab’ ich auch, dem Geierweibchen gleich,
Auf dich, auf dich gewartet, Sonnensohn,
So lange.
Sieh’, du ließest deine Brüder
Den zarten, winz’gen Kopf mir ganz umwinden
Mit schwerem schwarzen Schleier, daß mich keins
Aus deinem Volke mehr erblick’ und fürchte.
Nun bin ich blind durch dich. Ich hör’ dir zu,
Führ‘ hinter einem finst’ren Nebel dich
In meine Welt. Und meine Welt ist schön
Und bunt, dir seltsam fremd.
Ich liebe dich.
(1918)