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Beethoven gegen den Hunger, Bruckner gegen die Kälte

Wie Benno Reifenberg und Marguerite Vogt im Hirnforschungsinstitut Neustadt im Kriegswinter 1944/45 vierhändig Klavier spielten

Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg e.V.
Stadt Titisee-Neustadt


Hirnforschungsinstitut in den 1940er Jahren

um 1943

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Bild 0091.jpg
Das Institut für Hirnforschung Neustadt (Hochschwarzwald) in den 1940er Jahren.


Ein weltweit renommiertes Institut zur Hirnforschung und Genetik in Berlin ist den Nazis im Weg. Cécile und Oskar Vogt, beide Medizinprofessoren und Leiter des Instituts, weichen aus ins abgelegene Neustadt im Hochschwarzwald. Dort forschen sie weiter, allen Kriegswirren zum Trotz.

Eine weltweit renommierte Zeitung wird von den Nazis dichtgemacht. Ihr leitender Redakteur Benno Reifenberg darf nicht mehr schreiben. Er sucht sich eine neue Tätigkeit an abgelegenem Ort – und gerät durch Zufälle an das kleine Hirnforschungsinstitut in Neustadt.

Es entwickelt sich ein einzigartiges intellektuelles Biotop. Naturforschung begegnet Kulturjournalismus, vereint im Widerstand gegen Hitler. Gemeinsame Laborarbeit, gemeinsame Streifzüge durch die Natur, abends gemeinsames Musizieren – das setzen die Bewohner des Instituts der immer dramatischeren Kriegslage entgegen. Später werden sie sagen, es war ein "Zauberberg".

01

Vertreibung der Hirnforschung in den Schwarzwald



Cécile und Oskar Vogt Esszimmer 1902

1902

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Cecile-Oskar-Vogt-Esszimmer-1902.jpg
Das junge Ehepaar Vogt 1902 in ihrer Berliner Wohnung.


Die Vogts in Berlin

Oskar Vogt (1870-1959), ein Pfarrersohn aus Husum, trat aus der Kirche aus, als er bei großen Naturforschern wie Walther Flemming und Ernst Haeckel zu einem naturwissenschaftlichen Weltbild fand. Die aus Annecy stammende Cécile Mugnier (1875-1962) sagte sich vom Katholizismus los und schlug ein Erbe aus, um als eine der ersten Frauen in Frankreich in Medizin zu promovieren.

Das Paar heiratet 1899. In gemeinsamer Forschung revolutionieren sie die Neurobiologie. Sie werden 13 Mal für den Nobelpreis nominiert, ohne ihn je zu erhalten. Ihr Lebensthema: das menschliche Gehirn und wie es durch Extremleistung wie Musizieren, Fremdsprachen oder Verbrechen geformt wird.

Trotz ihrer internationalen Reputation verlieren sie 1934 auf Weisung des NS-Wissenschaftsministers Rust ihr Forschungsinstitut in Berlin. Dank des Industriellen Alfred Krupp kann Oskar Vogt, Krupps Leibarzt, mit einem bescheidenen Institut im Hochschwarzwald weitermachen.



Hirnforschungsinstitut Berlin-Buch. Direktorenwohnhaus und Mitarbeiterwohnhaus.

Aus der Sammlung von

Landesdenkmalamt Berlin

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bisher nur screenshot, beim Berliner Landesdenkmalamt originale Datei und Rechte anfordern!

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Bildschirmfoto 2025-03-10 um 11.57.32.png
Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch mit Direktoren- und Angestelltenwohnung (modernes Foto).


Mit Unterstützung der Industriellenfamilie Krupp eröffneten die Vogts 1913 ein Neurobiologisches Laboratorium an der Universität Berlin. Menschliche Gehirne wurden mit speziell entwickelten Maschinen in 30 000 Scheiben geschnitten, am Mikroskop untersucht und kartografiert. Daneben wurde die Genetik von Insekten und Pflanzen erforscht.

Die Resultate waren bahnbrechend für die moderne Neurologie und Genetik. 1931 zog das Institut in einen großen Neubau am Lichtenberger Weg in Berlin-Buch um. Einem siebenstöckigen Laborkomplex waren eine Forschungsklinik mit 48 Betten, Mitarbeiterwohnungen und eine Direktorenvilla mit Hauspersonal, Dienstwagen und Chauffeur angeschlossen.



Oskar und Cécile Vogt mit Gehirnschnittapparatur, um 1905

Um 1905

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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23, Nr 930.jpg
Das junge Forscherpaar an einer selbst entwickelten Hirnschnittmaschine (um 1905). Die Schnitte werden in Registraturen abgelegt.


Bereits im Berliner Privatinstitut entwickelt das Forscherpaar eine Apparatur, mit der ein Gehirn in 30.000 Scheiben geschnitten werden kann. Vorher wird es eingefärbt, damit an den Schnitten die feinen Strukturen erkennbar werden.



Ein Mitarbeiter bearbeitet einen Hirnschnitt, um 1930

Um 1930

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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216.jpg
Ein Mitarbeiter präpariert im Berliner Institut einen Hirnschnitt.


Die Schnitte werden für die Untersuchung am Mikroskop präpariert, säuberlich verzeichnet und in Registraturen abgelegt.



Journal für Psychologie und Neurologie 1932, hg. von O. und C. Vogt, redigiert von Marthe Vogt, mit Besitzvermerk O. Vogt, Titelei mit hs. Besitzvermerk Vogt

Aus der Sammlung von

Klinik Haus Vogt, Titisee-Neustadt

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Klinik Haus Vogt, Titisee-Neustadt

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Zeitschrift-Neurologie-Vogtbib-Klinikhausvogt-02.jpg


Marthe Vogt (1903-2003) und ihre Schwester Marguerite (1913-2007) sind in den Laboren des Berliner Instituts aufgewachsen. Die Fußstapfen der Eltern sind groß, aber beide folgen ihnen unerschrocken.



Familie Vogt mit Kindern, 1943

1902

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Reifenberg_NL_14_7_1943_ Familie_Vogt_mit_Töchtern.jpg
Cécile und Oskar Vogt mit Töchtern Marthe (links) und Marguerite (rechts) sowie Céciles Tochter Claire (Mitte).


Marthe Vogt legt ihr medizinisches Doktorexamen Anfang der Dreißiger Jahre ab, Marguerite Vogt 1937. Die Schikanen der SA gegen das Institut und die Gehässigkeit drittklassiger, aber linientreuer Forscher gegen ihre Eltern erschüttern die Schwester. Marthe Vogt nutzt ein Stipendium nach London 1935, um Nazideutschland den Rücken zu kehren. In der Arbeitsgruppe von Henry Dale ist sie an der Entdeckung der Neurotransmitter beteiligt. Dale erhält dafür den Chemienobelpreis.

Die jüngere Marguerite bleibt vorerst im elterlichen Institut.



Ehepaar Vogt

Fotograf unbekannt, s/w Foto, ca. 1945

Aus der Sammlung von

Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin

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Archiv der MPG

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Cécile und Oskar Vogt im Garten des Neustädter Instituts, um 1945.


Der Begriff "Rasse" ist seit den Zwanziger Jahren wissenschaftlich verbreitet. Auch Cécile und Oskar Vogt bezeichnen ihre Arbeit als Rassenforschung. Allerdings meinen sie damit etwas anderes als die Nazis. Den Nazis geht es um den Nachweis, die arische "Rasse" sei höherwertig, die semitische und andere minderwertig. Daraus leiten sie ab, dass "Rassen" reinerhalten werden müssten.

Die Vogts definieren Rasse als Gruppe von Lebewesen mit identischen genetischen Merkmalen. Eine arische oder semitische "Rasse" halten sie für Unsinn. Die Höherentwicklung ergibt sich, so ihre Auffassung, nicht durch Reinerhaltung, sondern durch Kreuzung bestimmter Genmerkmale. Oskar Vogt züchtet im Park um das Berliner Institut Hummelvölker, an denen er das nachweisen will.

Die NS-gemäße Rassenforschung reißt sich mit Intrigen und Verleumdungen 1934 das sehr gut ausgestattete Institut unter den Nagel. Die Vogts, 64 und 59 Jahre alt, müssen an anderem Ort neu anfangen.



Hirnforschungsinstitut neu erbaut und bezugsfertig

April 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Bild 0087.jpg
Das Institut der Deutschen Hirnforschungsgesellschaft mbH im Sommer 1937, kurz nach Fertigstellung.


Bau des Instituts in Neustadt

Nach ihrer Entlassung entschließen sich Cécile und Oskar Vogt zu einem neuen Institut im abgelegenen Hochschwarzwald. Mit Unterstützung des Krupp-Konzerns und aus ihrem Privatvermögen erwerben sie 1935 Baugrund in der kleinen Kreis- und Industriestadt Neustadt im Gutachtal auf 870 Metern Höhe.

Im Winter 1936/37 ziehen Labore, das Archiv der Gehirnpräparate und ein Teil des Personals um. Am 1. April 1937 wird der Forschungsbetrieb aufgenommen. Die Vogts versuchen ihr gigantisches Lebenswerk fortzusetzen, mit sehr viel bescheideneren Mitteln. Den aus der Not geborenen Standort Neustadt werden sie nie mehr verlassen.



Hirnforschungsinstitut im Bau, ca. Dezember 1936

April 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Bild 0085.jpg
Das Hirnforschungsinstitut im Rohbau, um November 1936.


Anfang 1936 wird das Grundstück angekauft und sofort zu bauen begonnen. Im Dezember 1936 steht das Gebäude.

Über den Winter 1936/37 erfolgt der Innenausbau. Neben den Laboren werden Küche, Speiseraum, Gästezimmer und ein Musikzimmer mit Klavier eingerichtet.



Das Hirnforschungsinstitut um 1943

April 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Bild 0069.jpg
Das Hirnforschungsinstitut mit Park, um 1943.


Oskar Vogt züchtet seit seiner Jugend Hummeln. Bereits in Berlin-Buch hielt er Hummelvölker im Park um das Institut. An winzigen Merkmalen, etwa der Farbe ihrer Härchen, studiert er die genetischen Gesetzmäßigkeiten.

Die Hummelvölker ziehen mit nach Neustadt um. Sie fühlen sich wohl in kalifornischen Mammutbäumen, Zypressen, Zedern vom Libanon, in australischen und japanischen Nadelhölzern. Entsprechend wird der Park des neuen Instituts bepflanzt.



Hirnforschungsinstitut neu erbaut und bezugsfertig

April 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Bild 0027.jpg
Das Hirnforschungsinstitut am Dennenberg mit Jugendherberge (oben links) und Fullbergkreuz (oben Mitte).


Das Institut liegt leicht erhöht über der Stadt. Dahinter erhebt sich der über 1000 Meter hohe Dennenberg. Die weiten Wiesen und Almen hinter dem Park ziehen hinauf zur einsam stehenden Jugendherberge und zum fünfzehn Meter hohen Fullbergkreuz, einem Kriegerdenkmal von 1928.

Obwohl Oskar Vogt das neue Institut in der Neustädter Lokalzeitung Echo vom Hochfirst an Ostern 1937 vorstellt, hat die Stadtbevölkerung nur vage Vorstellungen, was hinter den weißen Mauern geschieht. Rasch bürgert sich die Redeweise vom Gehirnschloss ein.



Eingang Hirnforschungsinstitut mit Türschild zweisprachig

Fotograf unbekannt, s/w Foto, ca. 1955

Aus der Sammlung von

Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin

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Archiv der MPG

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Die Vogts sprechen untereinander französisch, auch in der Öffentlichkeit. Tochter Marguerite Vogt kultiviert im Schwarzwald ihren starken Berliner Dialekt. Im Institut herrscht reges Kommen und Gehen von Gastwissenschaftlern aus Polen, dem Baltikum und diversen Sowjetrepubliken.

Von den Nazis wird die Internationalität des Vogtschen Instituts argwöhnisch beäugt. Die Sprachen der "Erzfeinde" dort oben im Gehirnschloss sind immer wieder Anlass von Verleumdungen.

02

Vertreibung des Journalismus in den Schwarzwald



Frankfurter Zeitung 2.7.1920

Aus der Sammlung von

DDB

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Ausgabe der "Frankfurter Zeitung" | Digitalisierung: Landesarchiv Baden-Württemberg | Datenpartner: Landesarchiv Baden-Württemberg

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Frankfurter Zeitung vom 2. Juli 1920, Titelseite.


Die Frankfurter Zeitung wird geschlossen

Die Frankfurter Zeitung ist im Nationalsozialismus das einzige Blatt, das sich der Gleichschaltung entziehen kann. Trotz zahlreicher Schikanen kann die Zeitung bis zum 31. August 1943 erscheinen. Dann lässt Hitler das Blatt schließen. 

Die Redaktion, ein Ensemble namhafter Publizisten mit internationaler Ausstrahlung, droht sich in alle Winde zu zerstreuen. Entgegen Hitlers Anweisung gelobt sich die Redaktion Zusammenhalt und bestimmt einen Mittelsmann: Benno Reifenberg.



Hauptgebäude der Frankfurter Zeitung in der Großen Eschenheimer Straße, vor den Bombenangriffen im März 1943

Vor März 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Hauptgebäude-FZ.jpg
Hauptgebäude der Frankfurter Zeitung in der Großen Eschenheimer Straße, vor den Bombenangriffen im März 1943.


Die Frankfurter Zeitung war 1856 von dem jüdischen Unternehmer Leopold Sonnemann gegründet worden. Zunächst ein Wirtschaftsblatt, entwickelte sie sich nach 1918 zur führenden bürgerlichen Tageszeitung in Deutschland.

Auch im Ausland wird die Zeitung wegen ihrer Sachlichkeit und ihrer guten Vernetzung geschätzt. Hitler aber hasst sie und hat sie schon in Mein Kampf als jüdisches Intelligenzblatt für die geistige Halbwelt verunglimpft.

Als im März 1943 ein ironischer Artikel über den NS-Barden Dietrich Eckard erscheint, will Hitler in einem Wutanfall das Blatt schließen lassen. Goebbels sorgt sich um die internationale Reputation des Reichs und besänftigt den Führer, es reiche, die jüdischen Redakteure zu entlassen – unter anderem Benno Reifenberg, bis dato Leiter des Politikressorts. Im Mai 1943 muss Reifenberg gehen.



Konferenzraum der Frankfurter Zeitung in der Großen Eschenheimer Straße, vor den Bombenangriffen im März 1943

Vor März 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Konferenzzimmer-FZ.jpg
Der Konferenzraum im Hauptgebäude der Frankfurter Zeitung, vor den alliierten Bombenangriffen im März 1943.


Nach dem Aus im August 1943 zerstreut sich die Redaktion der Frankfurter Zeitung. Otto Suhr und seine jüdische Frau verstecken sich bei Freunden in Berlin. Rudolf Kircher reist ziellos von einem Bekannten zum nächsten. Margret Boveri lässt sich auf eine Zusammenarbeit mit dem NS-Blatt Das Reich ein. Erich Welter verkriecht sich zuhause in Frankfurt.

Eine wichtige Gruppe von Redakteuren verschlägt es durch allerlei Zufälle in die Regionen Oberschwaben und Schwarzwald. Leonhard Miksch und Albert Oeser stranden in Schramberg. Robert Haerdter verzieht sich nach Ludwigshafen am Bodensee. Friedrich Sieburg schlüpft im Kloster Bebenhausen bei Tübingen unter, Ernst Benkard bei seiner Tochter in Freiburg. Bernhard Guttmann versteckt sich vor der Gestapo in Buchenbach. Marie-Luise von Kaschnitz zieht sich auf den adligen Familiensitz im Schwarzwalddorf Bollschweil zurück. Und Benno Reifenberg? Er gerät über viele Umwege an das Hirnforschungsinstitut in Neustadt.



Benno Reifenberg in Eppstein, Juli 1943

Vor März 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Benno-Reifenberg-Eppstein-Garten-Juli-43.jpg
Benno Reifenberg in Eppstein, Juli 1943.


Kultur trifft Naturwissenschaft

Benno Reifenberg (1892-1970) ist in den Dreißiger Jahren einer der einflussreichsten deutschen Journalisten. Nach 1933 steuert er die Frankfurter Zeitung durch die repressive Propagandapolitik der Nazis. Nach einem brisanten Artikel über ein Gemälde van Goghs, das die Nazis heimlich gegen Rüstungsgüter in der Schweiz verkaufen wollen, wird er von der Gestapo verhört.

Was soll Reifenberg nach seiner Entlassung im Frühjahr 1943 tun? Er schaut sich nach allgemeinwohldienlichen Tätigkeiten um. Eine Arbeit im Krankenhaus oder im Lazarett könnte er sich vorstellen.



Portrait Benno und Maryla Reifenberg, um 1945

Vor März 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Benno-Maryla-Reifenberg-um 1945-02.jpg
Benno und Maryla Reifenberg, um 1945.


Während seines Studiums der Kunstgeschichte in München lernte Benno Reifenberg die adlige Maryla von Mazurkiewicz (1892-1981) kennen. Das Paar heiratete 1918 und bekam 1923 den Sohn Jan. Zusammen mit Marylas polnischer Mutter lebt die Familie im Frankfurter Grüneburgweg. Maryla von Mazurkiewicz übersetzt aus dem Polnischen, unter anderem die Romane des späteren Literaturnobelpreisträgers Czesław Miłosz. Auch mit eigenen Kurzgeschichten und Essays in der F.Z. tritt sie in Erscheinung. Beide Ehepartner malen, zeichnen und spielen hervorragend Klavier.

Nach der Schließung der F.Z. beschließt die Familie, Frankfurt zu verlassen. Der Bombenkrieg gegen die Städte intensiviert sich. Und im Grüneburgweg wird ein Wehrmachtsoffizier einquartiert.



Franz Büchner 1985 Ehrenbürger von Freiburg

Foto, 1985, Freiburg i.Br.

Aus der Sammlung von

DDB

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DDB

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Oberbürgermeister Rolf Böhme verleiht Professor Franz Büchner (rechts) 1985 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Freiburg.


Über die Baronin Kaschnitz kommt Reifenberg mit dem Freiburger Pathologen Professor Franz Büchner in Kontakt. Büchner schickt ihn samt Empfehlungsschreiben weiter zu dem befreundeten Professor Vogt.

Am 22. Mai 1943 fährt Reifenberg erstmals mit der Höllentalbahn in das ihm unbekannte Neustadt. Nach einer Führung durch die Labore und das Hirnarchiv schlagen die Vogts vor, Reifenberg am Mikroskop Präparate abzeichnen zu lassen.

03

Ein berühmter Publizist muss ins Volontariat



Marguerite Vogt am Mikroskop abzeichnend, um 1943

um 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Marguerite Vogt abzeichnend am Mikroskop, um 1943.


Exzellenz im Schwarzwald

Im Juni 1943 fährt Benno Reifenberg für ein zehntägiges Volontariat erneut in den Schwarzwald. Seine Frau Maryla stößt mit dazu. Eine Arbeitserlaubnis kann Reifenberg, der als jüdischer Mischling 1. Grades gilt, nur über Beziehungen organisieren.

Am 15. September 1943 beginnt er als unbezahlte wissenschaftliche Hilfskraft am Institut der Deutschen Hirnforschungsgesellschaft mbH in Neustadt. Er kommt in die Arbeitsgruppe von Marguerite Vogt. Ihr Labortrakt liegt im ersten Stock. Dort wird mit der Fruchtfliege Drosophila melanogaster gearbeitet.



Am Hirnforschungsinstitut, um 1947

um 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
v.l.n.r.: Igor Klatzo, Benno Reifenberg, Maryla Reifenberg, Marylas Mutter, Marguerite Vogt, Jan Reifenberg, Cécile Vogt, Oskar Vogt, unbekannt, unbekannt.
Familien-Vogt-Reifenberg-um-1945.jpg
Am Institut um 1947. Links Igor Klatzo neben Benno und Maryla Reifenberg.


Unter den rund zwölf Mitarbeitern des Instituts wird auch Polnisch gesprochen. Über seine Frau versteht Benno Reifenberg die Sprache ein bisschen. Jerzy Olschewski und Igor Klatzo stammen aus der neurologischen Schule der Universität Vilnius, wo Oskar Vogt früher mit dem renommierten Mediziner Professor Maksymilian Rose forschte. Vogt ist seit 1925 Ehrendoktor der Universität Vilnius.

Olschewski und Klatzo werden später hochdekorierte Medizinprofessoren in Kanada und den USA. Der hochbetagte Klatzo wird sagen, die Jahre in Neustadt seien die glücklichsten seines Lebens und die Atmosphäre im Institut ein Zauberberg gewesen.



Cécile Vogt arbeitet an einem Gehirn, um 1943

Um 1943

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Cécile Vogt im Neustädter Institut, an einem Gehirn arbeitend.


Cécile Vogt leitet das Archiv des Instituts. Tausende Gehirne lagern in den Regalen, eingelegt in Paraffin und Formaldehyd: Hirne von Professoren, Politikern, Schwerverbrechern, von Menschen, die fließend siebzig Sprachen beherrschten oder ihr Leben lang nichts taten als Geige spielen. Gerüchteweise sind auch einige Schnitte des Gehirns von Lenin in Neustadt gelandet.

Auch die Hirne von Oskar und Cécile Vogt werden in diesem Pantheon einst ihren Platz finden. Das Neustädter Hirnarchiv wird heute am Oskar und Cécile Vogt-Institut der Universität Düsseldorf aufbewahrt.



Benno Reifenberg im Zug nach Colmar, um 1944

um 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Benno-Reifenberg-Zug-Colmar-um-1944.jpg
Benno Reifenberg im Zug von Neustadt nach Colmar, um 1944.


Die Wohnungssituation in Neustadt 1943 ist angespannt. Zahlreiche Ausgebombte und Fremdarbeiter sind einquartiert worden. Reifenberg findet nach längerer Suche eine Wohnung in der Schillerstraße 17, dem Haus der Arztwitwe Dorothee Lacour und ihren drei Kindern.

Die Wohnung ist beengt. Maryla Reifenberg und ihre polnische Mutter kommen bei einem Freund der Familie im annektierten Colmar unter. Dank der guten Bahnverbindung pendelt Benno Reifenberg am Wochenende zwischen dem Schwarzwald und dem Elsass.



Jostal bei Waldau

Sommer 2017

Aus der Sammlung von

Hochschwarzwald Tourismus GmbH

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Hochschwarzwald Tourismus GmbH

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Jostalstraße nach Schweizerhof Waldau.jpg
Im Jostal nördlich von Neustadt, das nicht sichtbar im Tal liegt. Dahinter erhebt sich der 1200 Meter hohe Hochfirst.


Bald beginnen Marguerite Vogt und Benno Reifenberg, tägliche Spaziergänge zu machen: auf den Dennenberg, in die Täler nördlich der Stadt, auf den Hochfirst südlich des Gutachtals. Es wächst ein enges Vertrauensverhältnis. Marguerite Vogt kann stundenlange Vorträge über die Vererbung bei Kühen und Fruchtfliegen halten. Oder über die jüngst entdeckten Gene, die universellen Träger des Erbguts von Lebewesen. Fasziniert taucht der Feuilletonist Reifenberg in die biologische Grundlagenforschung ein.

Bei klarem Wetter sind über den südlichen Schwarzwaldgipfeln die Schweizer Alpen zu sehen, vom Säntis bis zur Jungfrau. Immer wieder sucht Reifenberg diesen Blick zur "Burg des Abendlandes" auf, wie er im Tagebuch formuliert.



Marguerite Vogt, um 1940

um 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Marguerite Vogt, um 1940.


Hinter der frechen Berliner Schnauze des Fräulein Vogt verbirgt sich eine sensible Seele. Männern, besonders Nazis, geht sie aus dem Weg. Die pseudowissenschaftlichen Angriffe von NS-Wissenschaftlern gegen ihre Eltern haben sie tief verletzt. Der erzwungene Weggang aus Berlin hat sie erschüttert. Auch die finanziell prekäre Lage des Instituts in den letzten Kriegsjahren belastet die Familie.

Benno und Maryla Reifenberg gehören zu den wenigen Menschen, zu denen Marguerite Vogt rückhaltlos Vertrauen fasst. Ihr Leben lang wird sie keine intimen Beziehungen eingehen und jeden Tag im Labor verbringen.



Beethoven 5. Symphonie vierhändig

um 1878

Aus der Sammlung von

Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Kurzbeschreibung
Eine von Carl Reinecke besorgte Ausgabe von Ludwig van Beethoven, Sämmtliche Symphonien nebst dem Septett für Pianoforte zu 4 Händen, Dresden: F.W. Arnold, o.J. (um 1878).
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Vor der Ära der Tonträger waren vierhändige Bearbeitungen der großen symphonischen Literatur weit verbreitet – auch im Vogtschen Institut.


Der Zauberberg

Im Musikzimmer des Instituts steht ein Klavier der Marke C. Bechstein. Dazu Noten in Hülle und Fülle. Besonders interessiert sich Reifenberg für die vierhändige Literatur. Die Symphonien von Beethoven, Schubert, Bruckner, Beethovens Streichquartette, Schuberts Kammermusik, Bachs Brandenburgische Konzerte, selbst Opern stehen in vierhändigen Bearbeitungen im Notenregal.

Reifenberg ging früher oft ins Konzert oder in die Frankfurter Oper. Er spielt hervorragend Klavier vom Blatt. Auch Marguerite Vogt ist eine exzellente Pianistin. Es dauert nur wenige Wochen, bis sich allabendlich ein Klavierduo im Musikzimmer einfindet.



Tagebuch Benno Reifenberg 14.12.1943

um 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
"14. Dezember. Jan holt mich um 12 ab. Essen in der „Krone“. Zum Hochfirst, durch blauen Nebel, Ruhe. Alpen über der Wolkendecke. Saig. In der Kälte zurück. Umgezogen, wieder in der „Krone“, dann bei Vogts. Vierhändig, Serenade von Mozart, 5. Symphonie [von Beethoven]. Kaminfeuer. Die Servanten mit beim Wein. Jan schläft schon."
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Tagebuch Benno Reifenberg 14. Dezember 1943.


Nach dem Workout vierhändig am Klavier, manchmal mit und oft ohne Zuhörer, gehen die Abende im Institut in größere Runden über. Die Gastwissenschaftler sind willkommene Gesprächspartner, Oskar Vogt öffnet dazu gern eine Flasche Burgunder. Der Freiburger Biologe Friedrich Oehlkers etwa und seine Frau Frances Ida Schwarzschild, der das KZ droht, fühlen sich im Institut sicher. Zuweilen werden sogar jüdische Kollegen versteckt gehalten, mit erheblichem Risiko für das Institut.

Das Ehepaar Vogt hört jeden Abend die deutschprachigen Nachrichten der BBC. Das ist eigentlich verboten. Dann wird mit Reifenberg bis in die Nacht über Rassentheorien, Genetik, Politik und Presse diskutiert.



Hermann Joseph Muller

1955, Treffen der Nobelpreisträger Lindau 1955

Aus der Sammlung von

Technische Informationsbibliothek Hannover

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DDB

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Kurzbeschreibung
Der Genetiker Hermann Joseph Muller (1890-1967) zeigte, dass die Gene eines Lebewesens durch Umweltfaktoren, zum Beispiel Gifte oder Strahlung, verändert werden können. Er legte zudem die Grundlage für die Erkenntnis, dass Gensequenzen prinzipiell von einem auf ein anderes Lebewesen übertragbar sind. Er erhielt 1946 den Nobelpreis für Medizin. Muller war um 1932 Gastwissenschaftler am Hirnforschungsinstitut in Berlin-Buch und beeinflusste die junge Marguerite Vogt maßgeblich.
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Die bahnbrechenden Forschungen des Genetikers Hermann J. Muller (stehend, Mitte links) bilden den Abschluss von Reifenbergs Geschichte der Genetik.


Die alten Kollegen bitten Reifenberg ab und zu noch um einen Zeitungsartikel. Rudolf Kircher etwa, der zu einem obskuren Nordischen Verlag abkommandiert wurde, hätte im Oktober 1944 von ihm gern einen Text „über diese merkwürdige Fliege, die Sie jetzt in Stücke schneiden“. Reifenberg lehnt ab. Er ist tief in das naturwissenschaftliche Denken eingetaucht. Es ist kleinteilig, zahlenlastig, unsinnlich, mit schöngeistigen Worten kaum zu fassen.

Oskar Vogt gibt Reifenberg Mitte 1944 einen neuen Arbeitsauftrag. Reifenberg soll eine Geschichte der modernen Genetik schreiben, angefangen bei Mendel und Darwin, endend beim Erkenntnisstand der Gegenwart. Bis Kriegsende entsteht ein zweihundertseitiges, nahezu abgeschlossenes Manuskript. Es ist durch ungezählte Gespräche im Institut hindurchgegangen. Bis heute ist es unveröffentlicht.

04

Publizisten und Widerständler im Hirnforschungsinstitut



Hirnforschungsinstitut, um 1943

Um 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Das Hirnforschungsinstitut als Fadenkreuz von Widerständlern des 20. Juli – eine bislang unbekannte Geschichte.


Publizisten und Widerständler in Neustadt

Im Frühsommer 1944 wird das Hirnforschungsinstitut zu einem Knotenpunkt von Publizisten und Widerständlern. Der Putsch gegen Hitler ist im Gang. Für den Fall eines Umsturzes werden Journalisten gesucht, die das korrumpierte Pressewesen neu aufbauen können und weithin Vertrauen genießen. Das ist vor allem: Benno Reifenberg.

Vor und nach dem Attentat Graf Stauffenbergs auf Hitler am 20. Juli 1944 empfängt Reifenberg Gäste. Sie schätzen die geschützte Atmosphäre und führen mit Reifenberg und den Vogts lange, ungestörte Gespräche.



Wendelin Hecht, Entnazifizierungsbogen

1945

Aus der Sammlung von

Landesarchiv Baden-Württemberg

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Hecht, Wendelin, Dr. | Digitalisierung: Landesarchiv Baden-Württemberg | Datenpartner: Landesarchiv Baden-Württemberg

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Wendelin-Hecht-Fragebogen-franz-Militärregierung.jpg


Am 8. Juli 1944 hat Wendelin Hecht (1893-1947) einen baldigen Besuch bei Reifenberg angekündigt. Hecht war Verlagsleiter der Frankfurter Zeitung. Bei einem Neustart des Pressewesens nach Ende des Hitler-Regimes würde Hecht eine Schlüsselrolle zukommen.

Beim gescheiterten Attentat am 20. Juli kommt heraus, dass der Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler eine tragende Rolle in der Verschwörung spielt: Er soll der neue Reichskanzler werden. Hecht war über viele Jahre ein enger Mitarbeiter Goerdelers. Bis kurz vor dem Attentat hat er mit ihm Kontakt gehalten. Nach dem 20. Juli ist Goerdeler der meistgesuchte Mann in Deutschland und wird nach abenteuerlicher Flucht im August verhaftet. Hecht ist in Gefahr und verkriecht sich in seinem Heimatdorf Altheim an der Donau. Von dort aus fährt er irgendwann nach dem 20. Juli heimlich nach Neustadt.



Ausblick vom Hochfirst mit Titisee

17.6.2016

Aus der Sammlung von

Hochschwarzwald Tourismus GmbH

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Hochschwarzwald Tourismus GmbH

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Am Gipfel des Hochfirst. Blick zu Titisee und Feldberg.


Dolf Sternberger (1907-1989) besucht Reifenberg vom 28. bis zum 29. Juni 1944. Er ist mit einer Jüdin verheiratet und musste, wie Reifenberg, im Mai 1943 aus der Redaktion der Frankfurter Zeitung ausscheiden. Nach dem Krieg ist Sternberger kurzzeitig Presseminister in der Amerikanischen Besatzungszone.

Sternberger und Reifenberg machen eine Wanderung auf den Hochfirst. "Alpen betrachtet, in der Sonne gelegen, Lichtsee im Tal", notiert Reifenberg am Abend des 29. Juni im Tagebuch. Lichtsee: der Titisee.



Benno Reifenberg und Friedrich Sieburg

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Benno Reifenberg (links) und Friedrich Sieburg um 1944.


Friedrich Sieburg (1893-1964) ist einer der schillerndsten Essayisten der Frankfurter Zeitung. Er ist sprachbegabt und scharfzüngig wie kaum ein anderer. Zusammen mit Reifenberg war er in den Zwanziger Jahren Korrespondent in Paris und schrieb das berühmt gewordene Buch Gott in Frankreich? (1929).

Im Krieg ließ sich Sieburg vom Außenministerium für die Propaganda im besetzten Paris verpflichten. Das hat viele Kollegen irritiert, auch Reifenberg. Mehr aber noch schätzt Reifenberg seine Qualitäten und wird sich nach dem Krieg vehement für ihn einsetzen. Sieburg ist zwischen dem 25. und 28. Juli 1944 in Neustadt. Bei Sommerhitze werden tags Spaziergänge in den kühlen Wäldern unternommen. Abends wird mit den Vogts über Frankreich, Amerika und Japan diskutiert.



Rudolf Kircher, um 1943

Vor März 1943

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Rudolf Kircher ist Hauptschriftleiter bei der Frankfurter Zeitung. Die Funktion ist eine Vorgabe des Propagandaministeriums.


Als nach dem 20. Juli die Verhaftungswelle rollt, kommt Rudolf Kircher (1885-1954) in Bedrängnis. Einerseits ist er in der Frankfurter Zeitung für die NS-konformen Artikel zuständig, um die regimekritischen Texte aus der Schusslinie zu nehmen. Andererseits hat er enge Kontakte zu den Verschwörern Goerdeler und Generaloberst Ludwig Beck. Er wird von der Gestapo gesucht.

Kurz nach dem 20. Juli hält sich Kircher einige Tage im Hirnforschungsinstitut versteckt. Der genaue Termin ist unbekannt; Reifenberg macht zur Sicherheit keinen Vermerk im Tagebuch. Zum Reden wandern sie über den Feldberg. Jemand erkennt die Männer und macht Meldung beim deutschen Soldatensender Calais, der das prompt sendet. Die Nachricht bleibt folgenlos. Nach ein paar Tagen ist Kircher wieder weg.



Adolf Reichwein als Flieger

1930

Aus der Sammlung von

Leibniz-Institut für Bildungsgeschichtliche Forschung und Bildungsinformation (DIPF) / Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF)

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DIPF

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Kurzbeschreibung
Adolf Reichwein 1930 mit seiner "Silver Cloud" (Klemm Sportmaschine)
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Adolf Reichwein fliegt zu Terminen gern mit seiner Klemm 25. Nach Neustadt kommt er allerdings mit dem Zug.


Adolf Reichwein (1898-1944) ist Mitglied der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Der Erziehungswissenschaftler ist im Schattenkabinett Goerdeler als Bildungsminister vorgesehen.

Reichwein macht am 21. Mai 1944 in Neustadt Station. Er verschweigt den Termin in seiner Korrespondenz, Reifenberg macht verschlüsselte Andeutungen im Tagebuch. Reichwein bittet Reifenberg um eine Liste von untadeligen Journalisten für die Phase nach dem Umsturz. Auch Reifenbergs eigene Mitarbeit wäre ihm willkommen. Reifenberg lehnt ab. Er will die Kollegen nicht in Gefahr bringen. Am 22. Juni wird ein Verschwörertreffen, bei dem Reichwein anwesend ist, von Gestapospitzeln unterwandert. Reichwein wird verhaftet und am 20. Oktober hingerichtet.

05

Pilze – Bomber – Beethoven



Dom Frankfurt nach Luftangriff am 22. März 1944

Foto, 1944

Aus der Sammlung von

Landesarchiv Baden-Württemberg

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DDB

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Frankfurt nach dem 22. März 1944. Reifenberg ist an diesem Tag in der Stadt, um eine Fotoserie über die historische Altstadt zu evakuieren.


Pilze – Bomber – Beethoven

Im Herbst 1944 erreicht der Bombenkrieg den Schwarzwald. Bahnlinien sind unterbrochen. Die Stromversorgung in Neustadt ist labil. Die Vogts bangen, wie lange die Arbeit im Institut noch fortgeführt werden kann. Maryla Reifenberg und ihre Mutter geben die Wohnung in Colmar auf und ziehen zu Benno in die winzige Wohnung in der Schillerstraße.

Mildes Regenwetter beschert dem Schwarzwald eine veritable Pilzesaison. Unverdrossen spielen Marguerite Vogt und Benno Reifenberg allabendlich vierhändig Klavier. Sie halten die großen musikalischen Werke des Abendlands der Sinnlosigkeit des Kriegs entgegen. Impressionen aus Reifenbergs Tagebuch.

Im Institut: Flemming gelesen. Es regnet Schnürl’. Nachmittags zu Haus festgesetzt. Maryla richtet unser Zimmer ein. Mit Mama auf die Landstrasse, Lager von Ukrainern. Vierhändig Bach, Beethoven Variationen, Brahms Ungarische Tänze. (...) Frankfurt schwer attackiert.

Tagebuch Benno Reifenberg, 14. September 1944



Mit Fräulein Vogt nach Schluchsee, ohne Gasthof, lädierte Räder, Regen, düstere Landschaft, aber schönste Abfahrt oberhalb Bärental, mit Blick auf Feldberg-Massiv und den See.

Tagebuch Benno Reifenberg, 19. September 1944



Regen. Gelesen de Vries „Intracelluläre Pangenesis“. Mit Mama im Regen, Pilze suchend. Abends Beethovenquartett 131 vierhändig.

Tagebuch Benno Reifenberg, 27. September 1944



In der Früh Angriff auf Bahnhof. Nervöse Kinder. Die Kümmernis des Ortes überlegt, keine Ausflüchte mehr. Jan kommt herunter, noch müde. Mit Maryla die Lebensmittelkarten geholt, an der Kirche sie erwartet. Auf die Engelsmannhütte: großartige Alpen, Burg des Abendlandes. Parasolpilze. An der Nordecke des Vogtschen Parks, oben am Hang, wo die Doppelreihen von Weiden und Fichten stehen, die Photos von Frankfurt vergraben. (…) Fräulein Vogt krank. Zerschlissener Tag, aber die Alpen.

Tagebuch Benno Reifenberg, 12. Oktober 1944



06

Kälte – Klavier – Kriegsende



Hirnforschungsinstitut, um 1937

April 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Auch im Hirnforschungsinstitut fällt wegen Strom- und Brennstoffmangel ab Januar 1945 oft die Heizung aus.


Beethoven gegen den Hunger, Bruckner gegen die Kälte

Das Jahr 1945 ist angebrochen, der Krieg ist da. Täglich geben die Neustädter Sirenen Alarm. Ein Laden nach dem anderen macht zu. Ununterbrochen grollt ferner Kanonendonner von den Kämpfen im Rheintal und auf der Baar durchs Gutachtal. Starke Kälte wechselt mit heftigen Schneefällen ab.

Der Forschungsbetrieb im Institut kommt zum Erliegen. Doch für die Geschichte der Genetik beschäftigen sich Reifenberg und Marguerite Vogt täglich mit Albert Blakeslee, Wilhelm Johannsen, Carl Correns, dem persönlich anwesenden Friedrich Oehlkers und anderen modernen Genetikern. Und jeden Abend: Klavier vierhändig im eiskalten Musikzimmer.



Tagebuch Benno Reifenberg 4. und 5.1.45

1945

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
"4. Januar: Grau, danach früh Alarm. Am Mendel. Der Tabakladen ist verschwunden. Bombardements in Richtung Freiburg. Weiter Blakeslee mit Frl. Vogt. Mit M(aryla) und Jan zu Wittes, Buch über Toskana, Apulien, Friedrich II. – Müdigkeit allgemein, abends noch gesellig zu sein. Wärmer, bedeckter Himmel. Telefonat mit Frau Zimmermann."
"5. Januar: Leichter Schnee. Mit M(aryla) und Jan im "Schützen". Kinder Weihnacht Stimmung, weil die Wirtsstube so tief liegt. Trauriger Brief von Ada. Oehlkers gelesen. Abends 4händig Op. 18.4, Violinkonzert, 7. Symphonie. Kaffee mit M(aryla), die am „Café, Zum Pläsir“ arbeitet, ich lese Schiller-Goethe Briefauswahl."
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Tagebuch Benno Reifenberg 4. und 5. Januar 1945.


Die Mittagstische, die die Gasthöfe Adler, Schützen, Krone und Neustädter Hof gegen Lebensmittelmarken anbieten, werden immer kärglicher. Die Postzustellung stockt. Die Tabakwaren verschwinden aus den Läden.



Beethoven Violinkonzert vierhändig

um 1930

Aus der Sammlung von

Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Kurzbeschreibung
Eine von Hugo Hermann besorgte Ausgabe von Ludwig van Beethovens Violinkonzert op. 61 für Klavier zu vier Händen, Leipzig: Breitkopf & Härtel, o.J. (um 1930).
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Als Beethovens Violinkonzert 1806 uraufgeführt wurde, komponierte er bereits an der 5. Symphonie, die mit dem berühmten Schicksalsmotiv beginnt.


Gegen Kälte, Hunger, Nikotinmangel und Müdigkeit spielen Benno Reifenberg und Marguerite Vogt vierhändig Beethovens frühes Streichquartett Opus 18 Nr. 4, Beethovens Violinkonzert und Beethovens 7. Symphonie.

Streichquartette und Violinkonzerte sind vierhändig auf dem Klavier undankbar zu spielen. Die akkordische Klanggewalt des Klaviers bleibt ungenutzt. Aber immerhin erklingen so die großen Werke der abendländischen Musik. Draußen geht das Abendland gerade unter.



Tagebuch Benno Reifenberg 26.1.45

1945

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
"26. Januar: Segregation noch einmal durchgedacht. Es schneit in einem fort. Stromeinschränkung, die Züge müssen ausgeschaufelt werden. (…) Abends bei Frau Professor und Frl. Vogt mit M(aryla), Frau Zimm(ermann) und Oehlkers. Über Caroline. Durch tiefen Schnee bei Mond zurück, M(aryla) brät nächtlich Frikadellen."
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Tagebuch Benno Reifenberg 26. Januar 1945.


Westwetterlagen und Kälte aus dem Osten wechseln sich ab und sorgen für einen extrem schneereichen Januar 1945. Die Züge auf der Höllentalstrecke bleiben im Schnee stecken. Das öffentliche Leben im Hochschwarzwald kommt zum Erliegen.



Tagebuch Benno Reifenberg 21.2.45

1945

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
"21. Februar: Photos wieder in die paraffinierten Büchsen verschlossen. – Heizung lässt nach. Gelesen in Johannsen. Abends vierhändig: Mozart, Schubert, Beethoven Variationen. Auf dem Rückweg Oehlkers getroffen, einen Kartoffelsack schleppend. Bericht aus Freiburg. Sein hageres Gesicht mit den aufgerissenen Augen erinnern mich an Peters, wenn dieser im Erregungszustand. Übrigens die gleiche Panik vor Hunger. Nächtlich gelesen in den Memoiren von Lerchenfeld, nicht profund aber zuverlässig über Bismarck."
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Tagebuch Benno Reifenberg 21. Februar 1945.


Der Hochschwarzwald rüstet sich für einen Hungerfrühling, wenn die letzten Vorräte des Winters aufgebraucht sein werden.

Friedrich und Ida Oehlkers pendeln zwischen ihrer Freiburger Stadtwohnung und dem Neustädter Institut. In Freiburg ist die Versorgungslage noch dramatischer. Angst vor der Gestapo hat die Jüdin keine mehr. Die Wetterverhältnisse und die Gerüchte um das Herannahen der alliierten Truppen überlagern alles.



Bruckner 3. Symphonie vierhändig

um 1900

Aus der Sammlung von

Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Kurzbeschreibung
Eine von Gustav Mahler besorgte Ausgabe von Anton Bruckners 3. Symphonie für Klavier zu vier Händen, Wien: Universal-Edition, o.J. (um 1900).
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Die 1873 komponierte 3. Symphonie widmete Bruckner dem verehrten Richard Wagner. Auch Schuberts unvollendete Achte bewunderte er.


„Anmarsch [der Alliierten] über den Niederrhein und auf Frankfurt. Fahr wohl, gute Stadt. Nachmittags Physiologisches. Angriff mit Brandbomben auf Hölzlebruck um 17 1/2 Uhr.“ (Reifenberg im Tagebuch 24. März 1945.)

"Das Wetter schlägt um. Abends Lawrence of Arabia“ im Krone-Kino." (Tagebuch 25. März 1945.)

„Froschherz seziert. Brownsche Molekularbewegung im Mikroskop. [...] Mit Jan im Neustädter Hof. Aschaffenburg erreicht; an Frankfurt vorbei? Klavier: Mozart, Bruckner, Unvollendete. Nächtlich die Karte studiert. Leichter Regen.“ (Tagebuch 26. März 1945.)



Hirnforschungsinstitut, um 1937

Um 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Beim Einmarsch der Franzosen wird das Hirnforschungsinstitut am Dennenberg zum militärischen Aufmarschgebiet.


Der Krieg geht zu Ende

Anfang April 1945 überschreitet die 1. Armee der Franzosen auf breiter Linie den Rhein. Die Amerikaner stehen im Raum Stuttgart. Die Franzosen stoßen über Freudenstadt in die Baar und am Hochrhein zum Bodensee vor. Das Donnern der Artillerie bei schönstem Frühlingswetter ist tägliche Klangkulisse in Neustadt.



Bruckner 3. Symphonie mit Bild Gustav Mahler

um 1930

Aus der Sammlung von

Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Sammlung Joachim Draheim, Karlsruhe

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Kurzbeschreibung
Eine von Gustav Mahler besorgte Ausgabe von Anton Bruckners 3. Symphonie für Klavier zu vier Händen, Wien: Universal-Edition o.J. (um 1900)
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Gustav Mahler (links) bearbeitete nicht nur Bruckners Symphonien vierhändig. Für seine eigenen Symphonien war Bruckner ein wichtiges Modell.


Aus Benno Reifenbergs Tagebuch vom 18. April:

„Einkaufswut im ganzen Nest: die Läden machen sich leer, Holzverschalung vor den Fenstern. Den ganzen Tag Alarm, ohne Effekt. Nachmittags mit M(aryla) in Wittes Keller: Lederwesten, große Strohschuhe, ein Gewölberaum [...]. Weitere Lebensmittel in unsere Zimmer geschafft. [...] Abends Bruckner II. Symphonie, Forellenquintett, das jetzt ganz im Gefühl bei mir aufbewahrt ist. M(aryla) war noch im schmerzlichen Film: Der Engel mit dem Saitenspiel.“



Tagebuch Benno Reifenberg 21.4.45

1945

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
„21. April: Seit langem: bedeckter Himmel. Man spricht von Waldkirch, Emmendingen, Donaueschingen und Löffingen; nichts zu verifizieren.“
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Tagebuch Benno Reifenberg 20. und 21. April 1945.


"Man spricht von Waldkirch, Emmendingen, Donaueschingen und Löffingen; nichts zu verifizieren“, notiert Reifenberg am 21. April. Nicht einmal die örtliche Kommandantur hat genaue Informationen über die Bewegungen der französischen Truppen. Die Gerüchteküche in Neustadt brodelt. Jeden Tag wird mit einem Vorstoß ins Gutachtal gerechnet.



Hirnforschungsinstitut, um 1937

Um 1937

Aus der Sammlung von

Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf

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Quelle

Vogt-Archiv Univ. Düsseldorf

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Am 24. April 1945 stellen deutsche Offiziere im Park des Hirnforschungsinstituts Artillerie auf. Die Sorge der Vogts vor Gegenbeschuss ist groß.


Am 24. April gehen Gerüchte um von einem Angriff auf Neustadt in wenigen Stunden. Viele Bewohner fliehen in die Wälder. Die Reifenbergs und Vogts entscheiden sich fürs Dableiben, um die wertvolle Einrichtung des Instituts zu bewachen.

Rings um die Stadt sind Geschütze zur Gegenwehr aufgestellt. Ein deutscher Leutnant will in die eigene Stadt schießen lassen, wenn er weiße Flaggen sehe. Um Mittag des 25. April rollen vom Jostal her französische Panzer in die Stadt, ohne dass geschossen wird. Die Sirene tönt Entwarnung. Die Einwohner strömen zum Rathaus, wo die Trikolore gehisst wird. Ein französischer Kommandant verkündet eine Friedensbotschaft und ordnet an, Waffen, Fotoapparate und Fahrräder seien abzuliefern.



Tagebuch Benno Reifenberg 6. und 7.5.1945.

1945

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Kurzbeschreibung
"Sonntag den 6. Mai: Es ist ganz warm geworden. Allein auf die Jugendherberge, Lerchen, Aufatmen des Landes. Weiter gelesen Jaspers’ Kritik an Descartes. Mama sehr schwach. M(aryla) besser, kocht phantastisch. Mit Jan hinunter. Die Holländer gehört. Beim Aufstieg Kühnes schreckliche Schilderung von Russland. Vorm Haus auf der Bank in den Sonnenuntergang. Sehr matt. Mir scheint, dass die französische Einquartierung mir Mallarmé, Verlaine und Baudelaire entwendet haben. Lange in Rilkes Briefen von 1914 gelesen, die Abgründe seiner Verzweiflung durchmessen.“
„7. Mai: Schönster klarer Tag, Nebel in den Tälern. Noch verschnupft und immer wieder müde. Mit M(aryla) zu Frl. Sass ins Krankenhaus, Dr. Geels Spitzbuben-Lächeln. Bei Jan und Frau Lacour. Gegen die Abendsonne kommt der junge Kunzer, bei Bregenz entlassen und glücklich zu Fuß hierher. Jan hat Passierschein für Freiburg. Abends Thee bei uns mit Frau Professor und Tochter. Spielen II. Bruckner Symphonie, pastoral, innere Heiterkeit vom Land bestimmt. Weiter mit Trauer, Widerspruch und Teilnahme in den Rilke-Briefen.“
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Tagebuch Benno Reifenberg 6. und 7. Mai 1945.


Neustadt hat Glück gehabt. Kein Parteigenosse, kein fanatischer SS-Mann hat die Nerven verloren und zu schießen begonnen, wie es in umliegenden Dörfern vereinzelt geschehen ist. Der Krieg ist zu Ende.

Nach einem Wintereinbruch Ende April wird es wieder warm. "Lerchen, Aufatmen des Landes", notiert Reifenberg am 6. Mai 1945. Rigorose Einquartierungen, vereinzelt auch Plünderungen und Vergewaltigungen der französischen Besatzer bestimmen das Neustädter Leben im Mai. Auch das Institut und die Wohnung der Reifenbergs in der Schillerstraße sind von Quartiernahme betroffen. Doch vorerst herrscht Erleichterung über den unblutigen Kriegsausgang in der Stadt vor.

07

Abschied vom Zauberberg



Oskar und Cécile Vogt im hohen Alter

Fotograf unbekannt, s/w Foto, ca. 1958

Aus der Sammlung von

Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin

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Quelle

Archiv der MPG

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Cécile und Oskar Vogt erhalten in den 1950er Jahren zahlreiche Auszeichnungen. Für den Nobelpreis sind sie dreizehnmal nominiert.


Was wird aus...

Oskar und Cécile Vogt?

Sie betreiben das Hirnforschungsinstitut mit Mühen weiter. Die finanzielle Situation des Instituts bleibt auch in der jungen Bundesrepublik schwierig. 1959 stirbt Oskar Vogt. Cécile Vogt zieht zu Tochter Marthe nach London und stirbt 1962. Mitarbeiter führen den Forschungsbetrieb weiter. Seit 1975 beherbergt das Anwesen am Dennenberg eine Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Im Namen trägt sie die Gründungsfiguren: Klinik Haus Vogt.



Marthe Vogt, Büste von Franziska Schwarzbach

Künstlerin: Franziska Schwarzbach, Skulptur, 2022

Aus der Sammlung von

Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin

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Quelle

Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin

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Kurzbeschreibung
Zur Erinnerung an die Leistungen von Marthe und Marguerite Vogt wurden auf dem Campus Berlin-Buch 2022 Büsten der beiden Forscherinnen aufgestellt. Die Skulpturen wurden von Franziska Schwarzbach geschaffen.
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Die Bildhauerin Franziska Schwarzbach gestaltete für den Park um das Vogtsche Institut in Berlin-Buch Büsten von Marthe und Marguerite Vogt.


Was wird aus...

Marthe Vogt?

Sie leitet zunächst eine pharmakologische Arbeitsgruppe an der Universität Edinburgh und wird 1960 Leiterin des Agricultural Research Council Insiitute of Animal Physiology in Cambridge. 1990 zieht sie zu ihrer Schwester Marguerite nach Kalifornien und stirbt dort 2003, einen Tag nach ihrem hundertsten Geburtstag.



Marguerite Vogt, Büste von Franziska Schwarzbach

Künstlerin: Franziska Schwarzbach, Skulptur, 2022

Aus der Sammlung von

Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin

Wie darf ich das Objekt nutzen?

Quelle

Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin

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Kurzbeschreibung
Zur Erinnerung an die Leistungen von Marthe und Marguerite Vogt wurden auf dem Campus Berlin-Buch 2022 Büsten der beiden Forscherinnen aufgestellt. Die Skulpturen wurden von Franziska Schwarzbach geschaffen.
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Heute befinden sich auf dem Campus Berlin-Buch medizinische Forschungseinrichtungen. Die Erinnerung an die Familie Vogt ist sehr lebendig.


Was wird aus...

Marguerite Vogt?

Sie verlässt den Zauberberg 1950 richtung USA. 1963 wird sie Professorin am Salk Institute for Biological Studies in San Diego und ist entscheidend an der Tumorforschung beteiligt, für die Renato Dulbecco 1975 den Medizinnobelpreis erhält. Das Leben aus dem Schwarzwald behält sie bis an ihr Lebensende bei: sieben Tage die Woche disziplinierte Laborarbeit mit Drosophila melanogaster, Gänge durch die kalifornische Natur, keine Männer. Dort stirbt sie 2007.



Benno, Maryla und Jan Reifenberg mit Marias Mutter, um 1948. Der Ort der Aufnahme ist unbekannt.

um 1948

Aus der Sammlung von

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Bestand A:Reifenberg.

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Quelle

Deutsches Literaturarchiv Marbach

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Benno, Maryla und Jan Reifenberg mit Marylas Mutter, um 1948. Der Ort der Aufnahme ist unbekannt.


Was wird aus...

Benno Reifenberg?

Er lernt im Juli 1945 den Verleger Erich Stückrath kennen und gründet mit ihm in dem winzigen Dorf Saig, einen Fußmarsch von Neustadt entfernt, die Zeitschrift Die Gegenwart. Sie wird bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 die meistgelesene Zeitschrift Deutschlands und prägt die westdeutsche Entwicklung nachhaltig. Der Hochschwarzwald schreibt an der Geschichte Nachkriegsdeutschlands maßgeblich mit.

Eine virtuelle Ausstellung von

Eine Ausstellung der Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg e.V. in Zusammenarbeit mit der Stadt Titisee-Neustadt.

Folgende Einrichtungen und Personen haben mit Exponaten und Informationen beigetragen: Deutsches Literaturarchiv Marbach; Archiv des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung, Univ. Düsseldorf; Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin; Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF, Berlin; Campus Berlin-Buch GmbH; Klinik Haus Vogt, Titisee-Neustadt; Dr. Joachim Draheim, Karlsruhe; Christoph Coijanovic, Karlsruhe

Team

Die Ausstellung wurde von PD Dr. Rainer Bayreuther kuratiert. Der Musikwissenschaftler lehrt an der Hochschule für ev. Kirchenmusik Bayreuth und ist Vizepräsident der Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg.

Erstellt mit :
DDB Studio
Ein Service von:
DDB Studio

Diese Ausstellung wurde am 25.04.2025 veröffentlicht.



Impressum

Die virtuelle Ausstellung Beethoven gegen den Hunger, Bruckner gegen die Kälte wird veröffentlicht von:

Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg e.V. (www.gmg-bw.de)


Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg e.V., c/o Dr. Rainer Bayreuther, Billsbergweg 5, 71672 Marbach a.N.


gesetzlich vertreten durch

Prof. Frieder Bernius, Präsident; PD Dr. Rainer Bayreuther, Vizepräsident

Telefon:

Telefon: +49 176 72940798


Fax:
E-Mail:  

kontakt@gmg-bw.de

Inhaltlich verantwortlich:

Dr. Rainer Bayreuther

Kurator*innen:

PD Dr. Rainer Bayreuther

 

Rechtliche Hinweise:
Die Deutsche Digitale Bibliothek verlinkt die virtuelle Ausstellung auf ihrer Internetseite https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/content/virtuelle-ausstellungen. Dabei wurde auf die Vertrauenswürdigkeit der Institution, welche die Ausstellung veröffentlich hat sowie die Fehlerfreiheit und Rechtmäßigkeit der virtuellen Ausstellung besonders geachtet. Der auf dieser Internetseite vorhandene Link vermittelt lediglich den Zugang zur virtuellen Ausstellung. Die Deutsche Digitale Bibliothek übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte der virtuellen Ausstellung und distanziert sich ausdrücklich von allen Inhalten der virtuellen Ausstellung, die möglicherweise straf- oder haftungsrechtlich relevant sind oder gegen die guten Sitten verstoßen. 

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Konzeption:
Nicole Lücking, Deutsche Digitale Bibliothek
Stephan Bartholmei, Deutsche Digitale Bibliothek
Dr. Michael Müller, Culture to Go GbR

Design: 
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Technische Umsetzung:
Culture to Go GbR mit Grandgeorg Websolutions

Hosting und Betrieb:  
FIZ Karlsruhe - Leibniz Institut für Informationsinfrastruktur GmbH



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