Proteste der Nürnberger Gastarbeiter gegen das Rotationsprinzip (1973)
Zu Beginn des Jahres 1973 unternahmen die bayerischen Behörden noch einmal den Versuch, gegenüber im Land befindlichen ausländischen Arbeitskräften das sogenannte „Rotationsprinzip“ durchzusetzen. Dieses war bereits in diversen Anwerbeabkommen verankert, jedoch niemals konsequent angewandt worden. Gastarbeiter, die sich bereits seit fünf Jahren oder länger in Deutschland befanden, sollten keine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung mehr erhalten, um einer Verfestigung ihres Aufenthalts und damit einer de-facto-Einwanderung nach Deutschland vorzubeugen. Stattdessen sollten diese Menschen mitsamt ihren Familien, sofern diese bereits nach Deutschland nachgeholt wurden, zeitnah in ihre Heimatländer zurückkehren und durch „frische“ Arbeitskräfte ersetzt werden. Erste Ausweisungsbescheide waren bereits verschickt worden.
Eine enorme Welle der Empörung folgte daraufhin in den verschiedensprachigen Nürnberger Gastarbeiter-Communities, die sich im Lauf der Jahre rund um Sozialverbände, Kirchen und Kulturvereine gebildet hatten. Man hatte sich hier mühsam in den Betrieben etabliert, eine Wohnung gefunden und vielleicht auch schon seine Angehörigen nachgeholt – und nun sollte man quasi über Nacht alles verlieren und ausreisen müssen? Das wollte man sich nicht ohne Weiteres gefallen lassen! Es formierte sich ein Bewusstsein für die kollektiven politischen Rechte und Interessen der Gastarbeiter. Um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen, organisierte man am 14. Januar 1973 eine Protestversammlung in der Turnhalle des SCN 04 Nürnberg in der Rollnerstraße 99. An dieser nahmen zwischen 3.500 und 5.000 Menschen teil. Diejenigen, die als Redner zu Wort kamen, forderten einhellig die Abschaffung des Rotationsprinzips.