MEISTERGESANG
»Ich behaupte also: der gemachte Unterschied zwischen Minne- und Meistergesang ist null und nichtig« [16]
In seiner ersten Veröffentlichung widmete sich Jacob Grimm dem Meistergesang, der zunftmäßig ausgeübten Liedkunst des 15. und 16. Jahrhunderts. Im Vorwort bezeichnet er das Thema als einen »der trockensten und verwickeltsten [Gegenstaende] der altdeutschen Poesie überhaupt«.[17]
Spannend war für ihn allerdings das Verhältnis von Meistergesang und dem zeitlich früher anzusiedelnden Minnesang. Darüber befand er sich seit Jahren in einem Gelehrtenstreit, der in Jacob Grimms »polemischer«[18] Studie gipfelte. Darin vertrat er im Gegensatz zu dem Philologen Bernhard Joseph Docen die These, dass Minnesang und Meistergesang ihrer formalen Gestaltung und somit auch ihrem Wesen nach identisch seien.
Allerdings sollte sein damaliger Kontrahent recht behalten: In der Forschung gelten der höfisch-ritterliche Minnesang und der bürgerliche Meistergesang als zwei unterschiedliche Kunstformen.