WISSENSCHAFT
»Andacht zum Unbedeutenden«
Das wissenschaftliche Erbe der Brüder Grimm reicht von der Sprach- und Literaturwissenschaft über die Volkskunde und Religionswissenschaft bis zur Rechtsgeschichte.
Ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf der deutschen Sprache und sie gelten zu Recht als Mitbegründer der deutschen Philologie, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen steckte. In dieser Zeit, in der die Geisteswissenschaften sich gerade erst zu etablieren begannen, betonte Jacob Grimm in einer Akademierede die Vorzüge der ›ungenauen Wissenschaften‹ der Historiker und Philologen, die »an fülle der combination den gewandtesten naturforschern« in nichts nachstünden.[34]
Mit der Deutschen Grammatik, dem Deutschen Wörterbuch und ihren wissenschaftlich aufbereiteten Sammlungen schufen sie Standardwerke nicht nur der deutschen Philologie und formulierten sprachwissen-
schaftliche Grundgesetze, die bis heute gültig sind. Heinrich Heine vermutete angesichts des Mammutprojekts Deutsche Grammatik, die er als »gotischen Dom« bezeichnete, den Verfasser Jacob Grimm mit dem Teufel im Bunde.[35]
Die einst von einem Zeitgenossen abwertend gemeinte Formel von der »Andacht zum Unbedeutenden«[36] in der philologischen Arbeit der Brüder charakterisiert nicht nur treffend die außergewöhnliche Spannweite ihres wissenschaftlichen Schaffens, sondern auch ihr Wissenschaftsprogramm, das damals wie heute als überaus modern gelten kann.