Differenzierungen des Dokumentarischen
Heute gebräuchliche Klassifikationen von Filmgattungen und -genres lassen sich auf die 1910er Jahre nicht ohne Weiteres übertragen. So verbreitete sich etwa die Unterscheidung zwischen fiktionalen und dokumentarischen Filmen auf begrifflich-konzeptioneller Ebene erst ab den 1920er Jahren. Auf phänomenologischer Ebene hingegen lässt sich der Anspruch, eine außerfilmische Wirklichkeit im Film realistisch abzubilden, bis in die Geburtsjahre des Mediums zurückverfolgen. Im Sinne eines solchen Verständnisses handelt es sich daher auch bei den Nachrichten-, Landschafts- oder Tierfilmen, die in den Jahren des Weltkriegs zirkulierten, um Dokumentarfilme.
Indem er die Herausbildung und Popularisierung bestimmter Sujets dokumentarischen Filmschaffens begünstigte, trug der Weltkrieg als strukturgebender Rahmen zur Genrebildung innerhalb der nichtfiktionalen Gattung bei. Neben dem Nachrichtenfilm wirkte er sich gerade auch auf den Wirtschaftsfilm aus, der vor allem industrielle, aber auch handwerkliche Produktionsprozesse darstellte. Filmbilder etwa der Stahlverarbeitung, der Rohstoffgewinnung oder der Agrarproduktion lagen als Ausweis ökonomischen Leistungsvermögens im propagandistischen Interesse der kriegführenden Staaten. Industrielle Großunternehmen wiederum versprachen sich von der Produktion und Verbreitung solcher Filme Vorteile im Hinblick auf die Wiederöffnung internationaler Absatzmärkte in der Nachkriegszeit, für die sie sich im Bewusstsein zukünftiger Geschäftspartner zu platzieren suchten.