Schematische Geschlechter
Die auf der Leinwand proklamierten Geschlechterrollenbilder blieben während des Weltkriegs weitgehend stereotyp, schematisch und wenig dynamisch, wenn auch nicht völlig starr. Nach Kriegsausbruch entstanden in allen kriegführenden Staaten propagandistische Nachrichtenfilme, die zum Töten befähigte und zum Sterben bereite Rekruten zeigten – bevorzugt bei körperlich anspruchsvollen Übungen – und in dieser Weise die heroisch-soldatische als hegemoniale Männlichkeitsnorm bestätigten. Zugleich hob Filmpropaganda die große Bedeutung von Frauen für die Rüstungsproduktion hervor, zumal der Frauenanteil auch im Kinopublikum anstieg. In Deutschland avancierte während der Kriegsjahre Henny Porten zum ersten Filmstar und repräsentierte in den meisten ihrer Rollen ein Weiblichkeitsmodell, das Fürsorglichkeit, Mütterlichkeit und Aufopferungsbereitschaft akzentuierte. Komödien und auch einige Dramen übertrugen das Konzept der Hosenrolle von der Bühne auf die Leinwand (z. B. Fräulein Piccolo, Deutschland 1914/1915) oder ließen Männer cross-dressed, also in Kleidung des anderen Geschlechts auftreten (Polidor cambia sesso, Italien 1918). Manche Filme adressierten geschlechterpolitische Konflikte wie etwa die Debatte um die Erwerbstätigkeit von Frauen (Fräulein Zahnarzt, Deutschland 1919) oder verhandelten – meist komödiantisch – subordinierte Männlichkeitspositionen (Harry wird Millionär, Deutschland 1918). Die geschlechterpolitische Dynamik, die nach Kriegsende viele Teile Europas erfassen sollte, deutete sich im Filmschaffen der Kriegszeit zumindest punktuell an.