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Die „Neue Ära“ - Liberale Politik unter Friedrich I.

Mit der Politik während der so genannten „Neuen Ära“ erwarb sich Baden den Ruf als „liberales Musterländle“. Denn diese Phase, in der in Karlsruhe liberale Minister mit der Landtagsmehrheit und der Billigung des Landesherrn regierten, brachte dem Land in den 1860er-Jahren eine quasi-parlamentarische Demokratie und führte zu zukunftweisenden politischen Entwicklungen. In Folge der Auseinandersetzungen um das Verhältnis des badischen Staates zur katholischen Kirche hatte Friedrich I. (1826–1907) 1860 sein konservativ-reaktionäres Ministerium entlassen, liberale Oppositionspolitiker in die Regierung berufen und in seiner „Osterproklamation“ ein weitreichendes politisches Reformprogramm skizziert. Darin erklärte der Großherzog u. a. den Ausbau der staatlichen Aufsicht über die katholische Kirche und die Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses auf das öffentliche Leben zu einem der Ziele seiner Politik.

 

 

Im Einvernehmen mit den liberalen Kräften wurden so in der „Neuen Ära“ die Grundlagen für eine Gesetzgebung gelegt, die beispielsweise zur Einführung der Zivilehe und staatlicher Volksschulen führte. Eine zentrale Errungenschaft dieser Jahre war 1862 die Einführung der Gewerbefreiheit. Diese hob alle zünftigen Beschränkungen des Produktions- und Handelsbereichs auf, ermöglichte die Entwicklung der freien Marktwirtschaft und war damit eine wichtige Voraussetzung für die Industrialisierung. In diesem Zusammenhang stand auch die 1860 erfolgte Schaffung eines badischen Handelsministeriums, das die Grundlage einer sachgerecht orientierten Wirtschaftspolitik schuf.

 

 

1862 erging das „Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten“, an dem mit Rudolf Kusel (1809–1890) auch der erste jüdische Landtagsabgeordnete in Baden mitwirkte. Das Gesetz beseitigte die noch bestehenden Rechtsunterschiede zwischen Juden und Christen und markiert den Abschluss der rechtlichen Emanzipation der badischen Juden. Baden nahm damit eine Entwicklung voraus, die auf Reichsebene erst knapp zehn Jahre später erfolgen sollte. Durch Einzelfallentscheidungen war die rechtliche Gleichstellung für die Mehrzahl der städtischen Juden auf Ortsebene in Baden sogar schon vorher erreicht worden.

 

Wie weit die Integration der Juden hier vorangeschritten war, zeigt das Beispiel des Karlsruher Rechtsanwalts Moritz Ellstätter (1827–1905), der von 1868 bis 1893 das Amt des badischen Finanzministers bekleidete und die politische Entwicklung Badens maßgeblich mitprägte. Ein weiteres richtungweisendes Reformprojekt fand im Gerichtsverfassungsgesetz von 1864 seinen Abschluss. Das später deutschlandweit als Vorbild dienende Gesetzt modernisierte die Justizverwaltung und führte in Baden als erstem deutschen Land die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein. Der im selben Jahr in Karlsruhe eröffnete erste Verwaltungsgerichtshof Deutschlands war ein unabhängiges Gericht, das in Streitfällen des öffentlichen Rechts urteilte und den Bürgern die Möglichkeit bot, gegen Verwaltungsentscheide zu klagen. Die Verfahren wurden mündlich und öffentlich geführt.

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