Die Badische Verfassung von 1818 und das erste deutsche Parlamentsgebäude
Das Großherzogtum Baden war im Jahr 1806 durch äußeren Einfluss entstanden, dem sollte eine innere Gründung folgen: Durch die Zusammenarbeit zwischen einem liberalen Staat und einem aufgeklärten Bürgertum entstand in Baden die vierte konstitutionelle Monarchie im Deutschen Bund. Die Badische Verfassung von 1818 galt als die freiheitlichste ihrer Zeit und machte Baden zu einem liberalen Vorzeigestaat. Sie basierte auf der liberalen Herrschaftstradition, die sich seit der Gründung Karlsruhes in Baden etabliert und die Entwicklung einer starken liberalen Strömung im Bürgertum begünstigt hatte.
Der Historiker und Politiker Carl von Rotteck (1775–1840) bezeichnete die Verfassung als „Geburtsurkunde des badischen Volkes". Durch ihre integrative Wirkung begriffen sich die im neuen Großherzogtum aus verschiedenen Ländern und Herrschaftsgebieten zusammengefassten Menschen bald in erster Linie als badische Staatsbürger. Die Verfassung sprach allen Badenern Grundrechte zu und sah die Einrichtung eines aus zwei Kammern bestehenden Parlaments vor, womit sie den Beginn der parlamentarischen Entwicklung für Baden schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt markierte. Die Einberufung des Landtages sowie die Einbringung von Gesetzesvorhaben waren dem Großherzog vorbehalten. Den Staatshaushalt sowie neue Steuern und viele Gesetze musste er aber vom Landtag bewilligen lassen.
Die erste Kammer des Landtages bestand aus Vertretern des Adels, der Kirchen, und der Universitäten. In der zweiten Kammer saßen 63 Abgeordnete des dritten Standes, die von Wahlmännern gewählt wurden. Der Kreis der Wahlberechtigten war mit rund zwei Dritteln der erwachsenen Männer für die damalige Zeit außergewöhnlich groß. Zu Beginn tagten die Abgeordneten im Karlsruher Schloss, bereits 1821 erhielt die Stadt dann aber mit dem Ständehaus das erste eigenständige Parlamentsgebäude Deutschlands. Die hier geführten Debatten fanden über die Landesgrenzen hinaus große Aufmerksamkeit und beförderten die Entstehung eines politischen Bewusstseins in der Bevölkerung. Nachdem der liberal eingestellte Großherzog Karl Ludwig Friedrich (1786–1818) gestorben war, bestieg mit Ludwig I. (1763–1830) ein Herrscher den Thron, der die Macht des Parlaments zu behindern suchte und auch vor Wahlmanipulationen nicht zurückschreckte.
1819 setzte er die Karlsbader Beschlüsse um und die in der Verfassung verankerten Grundrechte außer Kraft. Sein Nachfolger Großherzog Leopold (1790–1852) schwenkte wieder auf einen kooperativeren Kurs ein und bei den Wahlen von 1831 erreichten die Liberalen in der Zweiten Kammer eine klare Mehrheit, mit der sie mehrere Reformvorhaben durchsetzen konnten. Kontrovers diskutiert wurde das Pressegesetz von 1832, das zu einem Aufblühen der Presselandschaft in Baden führte, jedoch nur wenige Monate später auf Druck des Deutschen Bundes wieder zurückgenommen werden musste. Wie die zentrale Rolle Badens während der Revolution von 1848/49 deutlich macht, hatte die durch die Verfassung von 1818 ermöglichte parlamentarische Praxis den öffentlichen politischen Diskurs stark gefördert und so auch zu einer weitreichenden Politisierung der Bevölkerung beigetragen.